VwGH 92/18/0290

VwGH92/18/029020.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des Dr. C in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 12. April 1991, Zl. FrB-4250/91, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
EMRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §12;
SGG §16 Abs1;
SGG §16;
VwRallg;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
EMRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §12;
SGG §16 Abs1;
SGG §16;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 12. April 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen deutschen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot für das "gesamte österreichische Bundesgebiet" erlassen.

Begründend stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 6. September 1990 wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 leg. cit. zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden sei. Bereits vorher, und zwar mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Bregenz vom 13. März 1988 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 16 leg. cit. rechtskräftig verurteilt worden. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 20. Jänner 1989 rechtskräftig bestraft worden, weil er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

(1,4 Promille) ein Fahrzeug gelenkt habe. Außerdem weise der Beschwerdeführer insgesamt acht rechtskräftige Bestrafungen aus den Jahren 1988 und 1989 wegen Verstoßes gegen Vorschriften der StVO 1960 auf. Schließlich sei der Beschwerdeführer vom Landesgendarmeriekommando Vorarlberg angezeigt worden, weil er am 3. Februar und 4. Februar 1991 - also trotz laufenden Aufenthaltsverbotsverfahrens - seinen PKW, ohne im Besitz einer Lenkerberechtigung zu sein (diese sei ihm schon früher rechtskräftig entzogen worden), gelenkt habe.

Im Rahmen der Interessenabwägung (§ 3 Abs. 3 FrPolG) ging die belangte Behörde von dem langjährigen (ca. 20jährigen) Aufenthalt des Beschwerdeführers, seinem Schulbesuch sowie seinem Studium in Österreich aus, wies jedoch darauf hin, daß der Beschwerdeführer in Österreich keine familiären Bindungen habe und seit März 1991 im kaufmännischen Bereich tätig sei (vorher sei er keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen). Ungeachtet der Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn aufgrund der genannten gerichtlichen Verurteilungen, der verwaltungsbehördlichen Bestrafungen und der darauf gestützten negativen Zukunftsprognosen dringend geboten. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes wögen unverhältnismäßig schwerer als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, welcher deren Behandlung ablehnte (Beschluß vom 24. Februar 1992, B 698/91-12) und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluß vom 22. Juni 1992, B 698/91-14). Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des bekämpften Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Soweit der Beschwerdeführer "sämtliche Rügen und Normprüfungsanregungen der verfassungsgerichtlichen Beschwerde ausdrücklich auch für den Verwaltungsgerichtshof" aufrecht erhält, wird darauf verwiesen, daß diese bereits an den Verfassungsgerichtshof herangetragenen Bedenken von diesem nicht geteilt worden sind (Beschluß vom 24. Februar 1992, B 698/91-12). Im Hinblick darauf sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, diese unverändert wiederholten Bedenken aufzugreifen. Hinsichtlich der Behauptung einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens wird auf die insoweit gegebene Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes (Art. 133 Z. 1, 144 Abs. 1 B-VG) hingewiesen.

2. Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 FrPolG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eine Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen."

    3. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die - von der Beschwerde im übrigen nicht bekämpfte - Rechtsauffassung der belangten Behörde, daß durch die angeführten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG verwirklicht sei. Dies trifft sogar in zweifacher Hinsicht zu: sowohl aufgrund des Ausmaßes der mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 6. September 1990 verhängten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten als auch aufgrund des Umstandes, daß diesem Urteil und der Verurteilung durch das Bezirksgericht Bregenz im Jahre 1988 auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen des Beschwerdeführers zugrunde lagen. Damit hat die belangte Behörde zutreffend das Vorliegen einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" (des § 3 FrPolG) bejaht und als Folge dessen die Annahme für gerechtfertigt erachtet, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.

    Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1989 rechtskräftig wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand bestraft worden ist. Dies ist insofern von Bedeutung, als diese Bestrafung des Beschwerdeführers das hier ohnehin schon große Gewicht der für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden, im § 3 Abs. 1 FrPolG genannten öffentlichen Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verstärkt. Gleiches gilt in bezug auf das von der Gendarmerie angezeigte - in der Beschwerde unbestritten gebliebene - zweimalige Lenken eines Fahrzeuges, ohne im Besitz einer Lenkerberechtigung zu sein. Auch dieses - angesichts des Umstandes, daß zu diesem Zeitpunkt das Aufenthaltsverbotsverfahren schon anhängig war - durchaus bemerkenswerte verpönte Verhalten trägt im Beschwerdefall dazu bei, daß den maßgeblichen (vorgenannten) öffentlichen Interessen ein besonders großes Gewicht zukommt.

    4. Der Gerichtshof vermag der Meinung des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid enthalte für die Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 FrPolG keine ausreichende Begründung, nicht beizupflichten. Die belangte Behörde hat insoweit vielmehr auf alle für den Beschwerdeführer sprechenden Umstände, insbesondere seinen langjährigen Aufenthalt in Österreich und die damit gegebene Integration, Bedacht genommen. Sie hat aber anderseits auch - von der Beschwerde unwidersprochen - darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen in Österreich habe und die berufliche Tätigkeit, die er (im Zeitpunkt der Schöpfung der bekämpften Entscheidung) ausübe ("im kaufmännischen Bereich"), auch außerhalb Österreichs ausgeübt werden könne, da hiefür der Abschluß des "juristischen Studiums" nicht Voraussetzung sei. Ferner könne er sich einer psychiatrischen Behandlung auch außerhalb des Bundesgebietes unterziehen. Ergibt sich daraus, daß die privaten (familiären) Interessen für sich gesehen nur von geringem Gewicht sind, so ist - im Sinne der vorstehenden Ausführungen (II.3.) - der belangten Behörde auch darin beizutreten, daß im vorliegenden Fall den entgegenstehenden maßgeblichen öffentlichen Interessen besonderes Gewicht zukomme, und zwar derart, daß das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer dringend geboten sei und die zuletzt genannten Interessen unverhältnismäßig schwerer wögen. Diese primär auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz abstellende Gewichtung der öffentlichen Interessen hat gleichermaßen wie das vornehmlich davon bestimmte Ergebnis der Interessenabwägung die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Februar 1992, Zl. 92/18/0015).

    Der Vollständigkeit wegen sei hiezu noch angemerkt, daß die belangte Behörde im Rahmen der angefochtenen Entscheidung vom 12. April 1991 aus zeitlichen Gründen außerstande war, auf allfällige Auswirkungen der Therapie, der sich der Beschwerdeführer in der Zeit vom 21. April 1991 bis 14. Juni 1991 unterzog (vgl. das mit der Beschwerde vorgelegte ärztliche Attest vom 3. Oktober 1991) einzugehen.

    5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

    6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

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