VwGH 92/18/0104

VwGH92/18/010426.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Mai 1991, Zl. SD 258/91, betreffend Anordnung der vorläufigen Verwahrung (Schubhaft), zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §5 Abs1;
VwGG §48 Abs1 litd;
VwGG §49 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §5 Abs1;
VwGG §48 Abs1 litd;
VwGG §49 Abs1;

 

Spruch:

Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Das Kostenersatzbegehren wird zurückgewiesen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. Mai 1991 wurde - in Bestätigung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. März 1991 - gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes in der Fassung BGBl. Nr. 190/1990 (FrPolG) die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Begründend ging die belangte Behörde davon aus, daß über den Beschwerdeführer im Jahre 1989 - laut Beschwerde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. September 1989 - ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden sei; dieses sei in Rechtskraft erwachsen. Gleich der Erstinstanz halte auch die belangte Behörde die Anordnung der Schubhaft zum Zweck der Abschiebung des Beschwerdeführers aus Gründen der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit für notwendig. Daß sich der Beschwerdeführer während seiner Strafhaft einer therapeutischen Behandlung unterziehe, wodurch seine Sucht bekämpft werde, bedeute keineswegs, daß damit die Gefahr weiterer Straftaten gebannt wäre. Daß diese Gefahr nicht gebannt sei, zeige gerade auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer schon im Jahre 1989 wegen Verbrechens nach dem Suchtgiftgesetz verurteilt worden sei, und daß er, nachdem ihm ein Vollstreckungsaufschub unter Androhung der sofortigen Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes bei neuerlichem Straffälligwerden bewilligt worden sei, damals trotz ambulanter Behandlung nach kürzester Zeit neuerlich straffällig geworden sei, weiters, daß es sich dabei um den Handel mit Suchtgift gehandelt habe, und daß die Wiederholungsgefahr geradezu zum Wesen solcher Straftaten gehöre. Das Risiko eines weiteren unerlaubten Verbleibens in Österreich dürfe, wie das Verhalten des Beschwerdeführers zeige, nicht eingegangen werden. Der Beschwerdeführer werde demnach unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft in Schubhaft zu nehmen und unverzüglich abzuschieben sein.

2. Diesen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit, wobei er sich in seinem Recht verletzt erachtet, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen zu werden.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 5 Abs. 1 FrPolG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden (Schubhaft), wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein umittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.

2.1 Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt der Beschwerdeführer - zusammengefaßt - darin, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, seine konkreten persönlichen Verhältnisse festzustellen und diese dem von ihr angenommenen öffentlichen Interesse an der Anordnung der vorläufigen Verwahrung des Beschwerdeführers gegenüberzustellen. Solcherart wäre zu berücksichtigen gewesen, daß der Beschwerdeführer unmittelbar vor seinem Studienabschluß stehe, Vater eines mj. Kindes österreichischer Staatsbürgerschaft sei, durch nachhaltige Nutzung der ihm angebotenen Therapiemöglichkeiten in der Sonderanstalt Favoriten an der Festigung seiner Persönlichkeit gearbeitet habe und ein Rückfall in den Drogenmißbrauch nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden könne.

2.2 Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß nach dem Gesetz - anders als bei der Erlassung eines Aufenhaltsverbotes - bei der Prüfung der Zulässigkeit der Verhängung der Schubhaft für eine Interessenabwägung der von der Beschwerde geforderten Art kein Raum ist. § 5 Abs. 1 FrPolG knüpft die Zulässigkeit der Anordnung der vorläufigen Verwahrung u.a. zur Sicherung der Abschiebung vielmehr allein an die im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder der Verhinderung eines unmittelbar zu befürchtenden strafbaren Verhaltens des Fremden gründende Notwendigkeit dieser Maßnahme. Der behauptete Verfahrensmangel liegt demnach nicht vor.

3.1. Soweit die Beschwerde auch unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit die Meinung vertritt, es wäre - ungeachtet der Rechtskraft des Aufenthaltsverbotes - bei Verhängung der Schubhaft über den Beschwerdeführer dessen Interessenlage zu beurteilen gewesen, wird sie auf die vorstehenden Erwägungen verwiesen. Aber auch die weiteren im Rahmen der Rechtsrüge vorgetragenen Beschwerdeargumente führen die Beschwerde nicht zum Erfolg.

3.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht die Meinung vertreten, "Therapieerfolge seien bei Suchtgifttätern rechtlich irrelevant". Vielmehr wurde dieser Gesichtspunkt in der Begründung des bekämpften Bescheides durchaus in die Überlegungen der belangten Behörde miteinbezogen. Wenn sie dazu darauf hingewiesen hat, daß eine entsprechende Therapie während der Strafhaft keineswegs die Gefahr weiterer Straftaten banne, ja daß gerade die konkrete Entwicklung beim Beschwerdeführer seit seiner der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn zugrunde gelegten gerichtlichen Verurteilung im Jahr 1989 - neuerliche rechtskräftige Verurteilung wegen eines Suchtgiftdeliktes (nach dem Beschwerdevorbringen: mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. April 1990 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe) trotz Behandlung nach der ersten Verurteilung - die Gefahr seines Rückfälligwerdens habe deutlich werden lassen, so hat die belangte Behörde damit in nachvollziehbarer und - dies im Sinne des Beschwerdevorbringens - die konkrete Situation des Beschwerdeführers berücksichtigender Weise begründet, weshalb das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit die Verhängung der Schubhaft über den Beschwerdeführer erforderlich mache.

Der Vorwurf der Beschwerde, die belangte Behörde habe nicht erkannt, daß ein "unmittelbar" zu befürchtendes strafbares Verhalten vorliegen müsse, geht ins Leere, weil im angefochtenen Bescheid nur auf das in der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gelegene Interesse (§ 5 Abs. 1 erster Fall FrPolG) abgestellt wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1992, Zl. 91/19/0367).

4. Da nach dem Gesagten die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Aufwandes für die Teilnahme an der (aufgrund einer Anfechtung einzelner Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof durchgeführten) Verhandlung vom 5. März 1992 vor dem Verfassungsgerichtshof war zurückzuweisen, weil gemäß § 48 Abs. 1 Z. 4 VwGG Verhandlungsaufwand nur für die Teilnahme an Verhandlungen vor dem Verwaltungsgerichtshof zuerkannt werden kann (vgl. die bei DOLP, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 688 unten abgedruckten hg. Erkenntnisse).

6. Im Hinblick auf die Entscheidung in der Hauptsache erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag vom 18. Mai 1992, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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