VwGH 92/15/0067

VwGH92/15/006723.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der gemäß § 34 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist zur Behebung eines der zur Zl. 92/15/0021 protokollierten Beschwerde anhaftenden Mangels der A-GmbH in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 4. Dezember 1991, Zl. B 241/1-4/87, betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1982 bis 1984, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 1992, Zl. 92/15/0021, gemäß § 34 Abs. 2 VwGG eingeräumten Mängelbehebungsfrist stattgegeben.

Begründung

Mit hg. Verfügung vom 12. Februar 1992 wurde die Beschwerdeführerin im Verfahren zu Zl. 92/15/0021 gemäß § 34 Abs. 2 VwGG unter Bezugnahme auf § 24 Abs. 1 und § 29 leg. cit. aufgefordert, innerhalb einer Woche eine weitere Ausfertigung der Beschwerde für den Bundesminister für Finanzen beizubringen. Diese Verfügung wurde dem Beschwerdevertreter am 19. Februar 1992 zugestellt.

Mit Beschluß vom 16. März 1992 stellte der Verwaltungsgerichtshof mangels einer bis dahin erfolgten Mängelbehebung das zu Zl. 92/15/0021 protokollierte Beschwerdeverfahren gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG ein.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist zur Mängelbehebung im wesentlichen mit folgender Begründung:

Am 19. Februar 1992 sei dem Vertreter der Beschwerdeführerin - einem Rechtsanwalt - nicht nur der schon erwähnte Mängelbehebungsauftrag, sondern auch ein weiterer Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes - nämlich der Geschäftsstelle - zur Nachbringung von Bundesstempelmarken zugestellt worden. Der Beschwerdevertreter habe hierauf "nach Vorlage des Aktes durch eine Kanzleiangestellte den Auftrag erteilt, eine zweite Ausfertigung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu verfertigen und die in der Verfügung begehrten weiteren Bundesstempelmarken auf der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde und der Zweitschrift anzubringen". Dieser Anordnung des Beschwerdevertreters habe die Kanzlei entsprochen, indem sie ihm sowohl das Original als auch die Zweitschrift der Beschwerde samt den angeführten Stempelmarken "und gleichzeitig eine weitere Gleichschrift der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde" vorgelegt habe. Mit einem in Fotokopie dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten handschriftlichen Aktenvermerk habe der Beschwerdevertreter seiner seit zehn Jahren bei ihm tätigen Kanzleileiterin, die ihre Dienstpflichten bisher sorgfältig und fehlerfrei ausgeübt habe, insbesondere den Anordnungen des Beschwerdevertreters immer vollinhaltlich entsprochen habe, den Auftrag erteilt, das Original der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mit den Stempelmarken und die beiden Gleichschriften mittels Begleitbrief, auf dem die Geschäftszahl zu vermerken sei, unverzüglich an den Verwaltungsgerichtshof zu übersenden. Die Kanzleileiterin habe die Durchführung dieses Auftrages mit ihrer Paraphe bestätigt. Offensichtlich auf Grund eines Versehens habe die Kanzleikraft nur das Original der Beschwerde und der alten Zweitschrift samt den Stempelmarken mit einem entsprechenden Begleitbrief, nicht aber die unterfertigte und vorbereitete Gleichschrift (Drittschrift) an den Verwaltungsgerichtshof abgesandt; dies habe der Beschwerdevertreter erst erkannt, als ihm am 26. März 1992 das Formular 42 über die Einstellung des Verfahrens wegen Nichtbefolgung des Verbesserungsauftrages zugestellt worden sei. Diese Unterlassung stelle für den Beschwerdevertreter ein unabwendbares Ereignis, zurückzuführen auf ein Versehen minderen Grades der Kanzleiangestellten, dar; dies umsomehr, als der Beschwerdevertreter die Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages selbst angeordnet und überwacht habe und nicht damit habe rechnen können, daß der langjährigen bewährten Kanzleikraft ein Fehler bei der Abfertigung der von ihr kontrollierten Post unterlaufen würde.

Zur Bescheinigung dieses Vorbringens wurden dem Verwaltungsgerichtshof ein Aktenvermerk des Beschwerdevertreters vom 26. Februar 1992 und eine eidesstättige Erklärung der Kanzleiangestellten vom 7. April 1992 vorgelegt. Gleichzeitig wurde die versäumte Handlung durch Übersendung der dritten Beschwerdeausfertigung nachgeholt.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 564/1985 ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Verschuldens handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht schlechterdings gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines solchen Kanzleibediensteten stellt dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Hiebei ist zu beachten, daß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Aufgaben, die aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit erfüllen muß, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Er muß dabei alle Vorsorgen treffen, die die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Die anwaltliche Sorgfaltspflicht umfaßt im Fall eines Mängelbehebungsauftrages auch die geeignete Überwachung der Vorbereitung der Postsendung zur Abgabe und die Überprüfung der Vollständigkeit der an den Verwaltungsgerichtshof in Befolgung des Mängelbehebungsauftrages zu übermittelnden Aktenstücke; anders wäre es, wenn erst nach Unterfertigung des Ergänzungsschriftsatzes und Kontrolle der Vollständigkeit der anzuschließenden Urkunden durch den Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe durch einen verläßlichen Angestellten ein Fehler unterlaufen wäre (vgl. hiezu beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 15. Dezember 1988, Zlen. 88/08/0270, 0271, und vom 22. Oktober 1987, Zl. 87/08/0256, und die dort zitierten Vorentscheidungen).

Im vorliegenden Fall ist bescheinigt, daß das zur Versäumung der Mängelbehebungsfrist führende Versehen einer langjährigen und verläßlichen Kanzleiangestellten des Beschwerdevertreters unterlaufen ist; ferner trifft den Beschwerdevertreter davon kein bzw. kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden auch nicht in der Form mangelnder Überwachung der Kanzleiangestellten.

Demgemäß war dem fristgerecht gestellten und die versäumte Handlung gleichzeitig nachholenden Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mit der hg. Verfügung vom 12. Februar 1992 gemäß § 34 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist zur Behebung des der Beschwerde Zl. 92/15/0021 anhaftenden Mangels stattzugeben.

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