VwGH 92/14/0146

VwGH92/14/01466.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der M in B, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 29. Juni 1992, Zl. 250/1-5/Ae-1992, betreffend aufsichtsbehördliche Aufhebung eines Bescheides des Finanzamtes (Jahresausgleich 1990), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §299 Abs1;
BAO §299 Abs2;
EStG §16 Abs1;
LDG 1984 §55 Abs4;
SchOG 1962 §131d;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BAO §299 Abs1;
BAO §299 Abs2;
EStG §16 Abs1;
LDG 1984 §55 Abs4;
SchOG 1962 §131d;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde hob die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes, mit der in Stattgebung der Berufung der Beschwerdeführerin für das Streitjahr bei Durchführung des Jahresausgleichs Fahrtkosten (S 10.800,--) zu einem Aufbaulehrgang für Arbeitslehrer am Pädagogischen Institut als Werbungskosten anerkannt worden waren, wodurch sich eine zusätzliche Gutschrift von S 1.980,-- ergab, gemäß § 299 Abs. 2 BAO mit folgender Begründung auf:

Nachträglich durchgeführte Erhebungen beim genannten Institut hätten ergeben, daß der Aufbaulehrgang einen Maturaersatzkurs darstelle, sodaß die Kosten als Berufsausbildungskosten zu beurteilen seien. Das Finanzamt habe somit den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt und einen inhaltlich rechtswidrigen Bescheid erlassen, weshalb die Oberbehörde gemäß § 299 Abs. 2 BAO die Möglichkeit habe, den Bescheid unter Beachtung des § 20 BAO aufzuheben. Im Hinblick auf die Art und Schwere des Fehlers hätten sich keine Gründe ergeben, die Bescheidaufhebung wegen Unbilligkeit zu unterlassen. Dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit sei der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zu geben gewesen.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Berücksichtigung von Werbungskosten aus der Berufsfortbildung, in ihrem Recht auf Unterbleiben einer aufsichtsbehördlichen Aufhebung der rechtskräftigen Entscheidung des Finanzamtes sowie in ihrem Recht auf gesetzmäßige Handhabung von Verfahrensvorschriften (Sachverhaltsermittlung, Parteiengehör, Bescheidbegründung) verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Zur Begründung der behaupteten Rechtsverletzung trug die Beschwerdeführerin vor, der Begriff des "Maturaersatzkurses" werde in der aus einem einzigen Satz bestehenden Begründung der Unrichtigkeit des Bescheides des Finanzamtes im angefochtenen Bescheid nicht erklärt. Aus der Bescheidbegründung lasse sich daher nicht entnehmen, welches Ergebnis durch den Kurs erzielt wurde und welche Funktion dem erzielten Ergebnis in der Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin zukomme. Die rechtlich entscheidende Frage, ob es sich bei den Aufwendungen um solche für Berufsausbildung oder solche für Berufsfortbildung handle, lasse sich daher unter diesen Umständen nicht beantworten. Es sei hiezu weder Parteiengehör gewährt noch eine amtswegige Ermittlung durchgeführt worden. Bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel wäre die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt, daß die Beschwerdeführerin sich durch den Ausbildungslehrgang nicht für einen anderen Beruf als den von ihr schon innegehabten ausgebildet habe, sondern daß sie ihn nur zu dem Zweck absolviert habe, um sich in ihrer gegebenen Berufssparte angesichts deren Neugestaltung behaupten zu können. Die Beschwerdeführerin unterrichte die Fächer "Werkerziehung für Mädchen" und "Hauswirtschaft". Da der Werkunterricht umstrukturiert werde, stünden immer weniger derartige Unterrichtseinheiten zur Verfügung. Um der Beschwerdeführerin ihre Berufschancen zu wahren, habe diese von einem Angebot des Landesschulrates zum Besuch eines Aufbaulehrganges Gebrauch gemacht. In ihrem Falle bestünde weder die Absicht, einen anderen Beruf zu ergreifen, noch auch nur in eine höhere Kategorie des Lehrberufes zu gelangen. Ziel und Zweck des Aufbaulehrganges sei es allein gewesen, sich dem Wandel an beruflichen Anforderungen so anzupassen, daß die Beschwerdeführerin nicht eines Tages ein Qualifikationsniveau aufzuweisen habe, für welches es überhaupt oder jedenfalls für sie keine Arbeit mehr gebe. Es handle sich daher um einen typischen Fall der Fortbildung, in dem es nur darum gegangen sei, zu gewährleisten, mit den von außen bestimmten Entwicklungen auf dem eigenen Arbeitsgebiet Schritt zu halten. Der entscheidende Fehler der belangten Behörde bestehe darin, daß sie glaube, allein das Wort "Maturaersatzkurs" besage, daß es sich um eine Ausbildung handeln müsse. In Wahrheit habe dieses Wort keine solche generelle Bedeutung, weshalb die Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte erkennen müssen, daß damit in concreto keine ausreichende Klärung gegeben sei.

Der belangten Behörde wurde vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 2 VwGG Gelegenheit gegeben, innerhalb einer gesetzten Frist alles vorzubringen, was geeignet erscheine, das Vorliegen der von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzung, die sich schon aus dem angefochtenen Bescheid zu ergeben scheine, als nicht gegeben erkennen zu lassen.

Die belangte Behörde hat durch Erstattung einer Stellungnahme von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der belangten Behörde ist es durch ihre Stellungnahme nicht gelungen, die sich aus dem angefochtenen Bescheid ergebende, in der Beschwerde geltend gemachte Rechtsverletzung zu widerlegen.

Der angefochtene Bescheid wurde von der belangten Behörde auf § 299 Abs. 2 BAO gestützt, der Bescheid des Finanzamtes also von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Ein derartiger aufsichtsbehördlicher Behebungsbescheid ist dergestalt zu begründen, daß die Oberbehörde das Vorliegen der dem Behebungstatbestand entsprechenden Voraussetzungen darlegt und auch die Gründe für die von ihr durchgeführte Ermessensübung eingehend ausführt. Diese Verpflichtung der Behörde, alle von ihr angestellten Erwägungen bekanntzugeben, gebietet, daß vor Erlassung eines Aufhebungsbescheides gemäß § 299 Abs. 2 BAO der Sachverhalt, aus dem sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des aufzuhebenden Bescheides ergibt, eindeutig geklärt sein muß. Hievon ist aber nur dann zu sprechen, wenn alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen in einem einwandfreien Verfahren ermittelt wurden und die Partei vom Ergebnis desselben zwecks allfälliger Stellungnahme Kenntnis erlangt hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1989, 88/13/0173, ÖStZB 1989, 429, und die darin zitierte Vorjudikatur). Eine solche Vorgangsweise hat die belangte Behörde nicht eingehalten.

Sie hat sich im angefochtenen Bescheid nämlich damit begnügt, den Aufbaulehrgang als "Maturaersatzkurs" zu bezeichnen, ohne darzulegen, was sie darunter überhaupt versteht. Die Beschwerdeführerin hat recht, daß diesem Ausdruck keine Bedeutung innewohnt, die es erlaubte, zwischen Berufsausbildung und Berufsfortbildung zu unterscheiden. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurden Schul- und Kursbesuche, die dazu dienen, die Reifeprüfung an einer AHS, einer HTL oder HAK abzulegen, ebenso als Berufsausbildung angesehen wie der Besuch von Kursen zur Vorbereitung auf die Beamten-Aufstiegsprüfung; dies auch dann, wenn die Ausbildung neben einem bereits ausgeübten Beruf im Rahmen des sogenannten "zweiten Bildungsweges" erfolgt. Dies jeweils unter dem Gesichtspunkt, daß das in solchen Schulen bzw. Kursen vermittelte Wissen eine umfassende Ausbildungsgrundlage für verschiedene Berufe darstelle und nicht der spezifischen fachlichen Weiterbildung (= Fortbildung) in einem bereits ausgeübten Beruf diene. Der Umstand allein, daß der erfolgreiche Abschluß einer derartigen Schule für das berufliche Fortkommen vorteilhaft sein könne, vermöge an dieser Beurteilung nichts zu ändern, weil jede gediegene Ausbildung geeignet sei, die Chancen im (künftigen) Berufsleben zu verbessern, ohne deswegen die Eigenschaften einer Ausbildung zu verlieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1991, 91/14/0148). Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof es auch jeweils für entscheidungswesentlich angesehen, ob der Beruf, zu dessen Ausübung der erfolgreiche Schul- oder Kursbesuch schließlich befähige, ein anderer Beruf ist, als derjenige, der bereits ausgeübt wird (vgl. das eben zitierte Erkenntnis sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1990, 89/14/0227, ÖStZB 1990, 307), und, daß die Unterscheidung zwischen Ausbildung und Fortbildung jeweils nur in bezug auf einen bestimmten Steuerpflichtigen beantwortet werden könne; was für den einen Beruf erst Anzustrebenden Berufsausbildung sei, könne für den bereits Berufstätigen Berufsfortbildung darstellen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 22. Oktober 1991 und das darin zitierte Erkenntnis vom 18. März 1986, 85/14/0156, ÖStZB 1987, 8). So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa den Besuch eines Vorbereitungslehrganges für die Lehramtsprüfung an der Berufspädagogischen Akademie des Bundes durch Lehrer an Berufsschulen als Berufsfortbildung eingestuft (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. April 1990, 89/14/0276, ÖStZB 1991, 36, und vom 18. Dezember 1990, 87/14/0149).

Geht man von diesen in der Rechtsprechung entwickelten, für die Unterscheidung zwischen Berufsausbildung und Berufsfortbildung wesentlichen Gesichtspunkten aus, erweist sich der Vorwurf der Beschwerdeführerin berechtigt, daß die einzige Aussage des angefochtenen Bescheides, es habe sich um einen "Maturaersatzkurs" gehandelt, unzureichend ist, um den Kursbesuch als Berufsausbildung einzustufen. Daran ändert auch der Hinweis in der Stellungnahme der belangten Behörde nichts, es habe sich um einen Vorbereitungslehrgang für Arbeitslehrerinnen gemäß § 131d Abs. 2 SchOG gehandelt, diese Tatsache habe sich bereits aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ergeben und deshalb keiner Feststellung und Begründung im angefochtenen Bescheid mehr bedurft. Selbst wenn man nämlich hievon ausginge, ließe sich auf dieser Grundlage weder beurteilen, ob der Kursbesuch ein der Matura an einer Höheren Schule oder einer Beamtenaufstiegsprüfung vergleichbares Berufsspektrum oder vergleichbare Studienberechtigungen (siehe § 131d Abs. 4 SchOG und den darin enthaltenen Verordnungsvorbehalt) eröffnet, noch, ob das Berufsbild der Arbeitslehrerin bereits dadurch verlassen wird, daß auf Grund des erfolgreichen Abschlusses des Aufbaulehrganges für Arbeitslehrerinnen die Lehrberechtigung in einem weiteren Fach zur Hauptschulbefähigung erworben wird. Es ist nämlich durchaus möglich, daß weiterhin das Berufsbild des Arbeitslehrers überwiegt, mag dieser nun auch berechtigt sein, ein Zusatzfach zu unterrichten. Die bessere Einstufung im Gehaltsschema allein (VGr L 2a 2) ist nämlich für die Frage des Berufsbildes und damit die entscheidungswesentliche Frage der Berufsidentität nicht ausschlaggebend (vgl. § 55 Abs. 4 LDG 1984).

Auch die Beurteilung des Kurses in bezug auf einen bestimmten Steuerpflichtigen - hier die Beschwerdeführerin - war der belangten Behörde mangels entsprechender Feststellungen unmöglich. Sollte das Vorbringen der Beschwerdeführerin zutreffen, zielte ihr Besuch des Aufbaulehrganges nämlich nur darauf ab, ihren Platz als Arbeitslehrerin auch unter den Gegebenheiten verringerter Stundenanzahl ihres Faches in den Lehrplänen dadurch zu sichern, daß sie neben ihrer eigentlichen Tätigkeit (Unterricht in "Werkerziehung für Mädchen" und in "Hauswirtschaft") zu ihrer Auslastung auch noch in einem anderen Fach eingesetzt werden kann. Der Kursbesuch erfolgte dann nach den Umständen des vorliegenden Falles nur zur Erhaltung der Tätigkeit als Arbeitslehrer.

Die belangte Behörde hat daher ihre Entscheidung gemäß § 299 Abs. 2 BAO getroffen, ohne den wesentlichen Sachverhalt in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt und festgestellt zu haben. Dem angefochtenen Bescheid haftet deshalb Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften an, was zur Aufhebung des Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 lit. b und c VwGG führen mußte. Dieser Verfahrensmangel ist wesentlich.

Zwar resultiert aus einer allfälligen unrichtigen Subsumtion der Aufhebung unter einem Aufhebungstatbestand des § 299 BAO durch die Aufsichtsbehörde noch keine Verletzung subjektiver Rechte, wenn sich die Aufhebung aus einem von der Aufsichtsbehörde herangezogenen Aufhebungsgrund als berechtigt erweist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1988, 87/13/0206, ÖStZB 1988, 379). Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt erlaubte der Aufsichtsbehörde aber auch keine Aufhebung des Bescheides des Finanzamtes aus einem anderen Aufhebungstatbestand des § 299 BAO als dem des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle. Einen wesentlichen Mangel des Verfahrens des Finanzamtes hat die belangte Behörde nämlich nicht als erwiesen angenommen. Einen solchen müßte die Aufsichtsbehörde aber konkret dartun (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, 87/14/0034, ÖStZB 1988, 448). Nur dann wäre die Subsumtion unter den falschen Aufhebungstatbestand unwesentlich.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung aus dem bereits genannten Grund aufzuheben, weil sich die in der Beschwerde geltendgemachte Rechtsverletzung bereits aus dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergab.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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