VwGH 92/10/0137

VwGH92/10/01379.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Jänner 1992, Zl. MA 63 - Sch 18/91/Str, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

LMG 1975 §28 Abs1 litb;
LMG 1975 §74 Abs3 Z1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
LMG 1975 §28 Abs1 litb;
LMG 1975 §74 Abs3 Z1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Magistratische Bezirksamt für den 9. Bezirk richtete am 25. Jänner 1991 an den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:

"Sie haben am 29. August 1990 um 09.30 Uhr in Ihrem Bäckereibetrieb in W, L-Straße, Gebrauchsgegenstände und zwar "Gehängeeinsätze für die Semmelanlage" in Verkehr gebracht, die auf Grund ihrer Beschaffenheit (vergraut, grauschwarz verfärbt, Geruch: säuerlich, alt, dumpf, nach Hefe) bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet waren, Lebensmittel nachteilig zu beeinflussen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 74 Abs. 3 Z. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 lit. b des Lebensmittelgesetzes, BGBl. Nr. 86/1975, in der geltenden Fassung."

Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 74 Abs. 3 Z. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 4 Tagen) verhängt.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit der Abänderung bestätigt, daß die Umschreibung der Tathandlung wie folgt zu lauten habe:

"Sie haben am 29. August 1990 morgens in Ihrem Bäckereibetrieb in W, L-Straße, Gebrauchsgegenstände, und zwar sieben Gehängeeinsätze für die Semmelanlage, durch die Verwendung zur Herstellung von Semmeln in Verkehr gebracht, die auf Grund ihrer Beschaffenheit (vergraut, grauschwarz verfärbt, Geruch: säuerlich, alt, dumpf, nach Hefe) bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet waren, Lebensmittel derart zu beeinflussen, daß diese verdorben sind."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtbestrafung wegen eingetretener Verfolgungsverjährung verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 16. Jänner 1984, VwSlg. 11 283/A) bringt er dabei im wesentlichen vor, der Spruch der Behörde erster Instanz habe sich darauf beschränkt, ihm zur Last zu legen, "Gehängeeinsätze für die Semmelanlage in Verkehr gebracht" zu haben. Der Tatumschreibung sei allerdings nicht zu entnehmen, auf welche Weise diese Gehängeeinsätze von ihm in Verkehr gebracht worden seien. Die Behörde erster Instanz habe auch nur festgestellt, daß die Gehängeeinsätze "bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet waren, Lebensmittel zu beeinflussen". Es gehöre jedoch zwingend zum Tatbild der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung, auf welche Weise die Lebensmittel nachteilig beeinflußt worden seien. Die Behörde erster Instanz habe diese Sachverhaltselemente jedoch nicht in den Spruch ihres Straferkenntnisses aufgenommen. Da die dem Beschwerdeführer angelastete Tat am 29. August 1990 (Tat der Probenziehung) begangen worden sei, habe die Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 74 Abs. 6 LMG 1975 am 29. August 1991 geendet. Die belangte Behörde habe erst mit dem am 22. Jänner 1992 erlassenen angefochtenen Bescheid die Tatumschreibung ergänzt. Nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist sei es der Berufungsbehörde jedoch verwehrt, erstmals im Spruch des Bescheides den Tatvorwurf gegen den Beschuldigten entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen zu ergänzen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1988, Zl. 85/18/0120). Die belangte Behörde habe daher ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 11 Abs. 1 gebildeten Strafsenat erwogen:

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt dabei nach § 74 Abs. 6 LMG 1975 ein Jahr. Diese Frist ist unter anderem von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist.

Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Eine die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne dieser Gesetzesstelle bildet unter anderem das Zurkenntnisbringen einer Anzeige, in der die Tat hinsichtlich aller der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben ist, mit der Aufforderung zur Rechtfertigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, VwSlg. 11.525/A).

Nach Lage der Verwaltungsakten erstattete der Magistrat der Stadt Wien, MA 59, mit Schreiben vom 29. November 1990, eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen "Zuwiderhandlung gegen das Lebensmittelgesetz". Dabei wurde unter anderem darauf hingewiesen, daß laut Angabe des Beschwerdeführers die gegenständlichen Gehängeeinsätze zum letzten Mal am 29. August 1990 in der Früh zur Herstellung der Semmeln in Verwendung gewesen seien. Die Einsätze seien zuletzt im November 1989 gereinigt (gewaschen) worden. In dem der Anzeige angeschlossenen amtlichen Untersuchungszeugnis vom 13. November 1990 wird unter anderem darauf hingewiesen, daß die mikroskopische Untersuchung von vorwiegend Hefezellen und Stärkekörnern Hyphen und Sporen von Schimmelpilzen ergeben habe.

Der Beschwerdeführer gab am 28. Dezember 1990 vor dem Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den

9. Bezirk, eine ausführliche Stellungnahme zu Protokoll. In der darüber aufgenommenen Niederschrift über die Vernehmung eines Beschuldigten heißt es einleitend: "Mir wurde vollinhaltlich Akteneinsicht gewährt und ich nehme hiezu wie folgt Stellung:".

Im Beschwerdefall ist daher davon auszugehen, daß die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Vernehmung als Beschuldigter auch die Anzeige zur Kenntnis gebracht hat, aus der sich alle der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente ergaben. Dies ist als Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG anzusehen. Da dies innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgenommen wurde und alle für die Tat wesentlichen Sachverhaltselemente umfaßte, ist die Ansicht des Beschwerdeführers nicht berechtigt, die ihm zur Last gelegte Tat sei erstmals im angefochtenen Bescheid und somit verspätet, ausreichend konkretisiert worden (vgl. das Erkenntnis vom 19. Oktober 1992, Zl. 92/10/0122).

Der Beschwerdeführer beruft sich zu Unrecht zur Stützung seiner Auffassung auf das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1988, Zl. 85/18/0120. In dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Fall wurde eine ausreichend konkrete Tatumschreibung erstmals im Ersatzbescheid vorgenommen; die einzige innerhalb der Frist gemäß § 31 Abs. 1 VStG gesetzte Verfolgungshandlung (Strafverfügung) enthielt keine vollständige Tatumschreibung.

Auf Grund dieser Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerde unbegründet ist, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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