VwGH 92/08/0154

VwGH92/08/015429.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Bundes-Ingenieurkammer in Wien, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Mai 1992, MA 14-B 2/92, betreffend Beitragsnachbelastung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §33 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §34 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §34 Abs1;
ASVG §413;
ASVG §415;
ASVG §68 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §68 Abs1;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;
ASVG §33 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §34 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §34 Abs1;
ASVG §413;
ASVG §415;
ASVG §68 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §68 Abs1;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0124, verwiesen: Daraus ist für den vorliegenden Beschwerdefall wesentlich, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 19. Juni 1991 gemäß § 410 Abs. 1 Z. 2 ASVG festgestellt hat, daß eine namentlich genannte Dienstnehmerin auf Grund ihrer Beschäftigung als Journalistin bei der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 9. April 1985 bis 30. Juni 1986 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1977 der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen war. Aus der Begründung dieses Bescheides ging hervor, daß nach einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit zwischen der Dienstnehmerin und der Beschwerdeführerin durch Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. September 1990 festgestellt worden war, zwischen der Beschwerdeführerin und der namentlich genannten Journalistin habe ein Dienstverhältnis im Sinne des § 1151 Abs. 1 ABGB vorgelegen, nicht aber ein Werkvertrag. Gestützt auf den vom Arbeits- und Sozialgericht festgestellten Sachverhalt nahm die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG an.

Der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch blieb erfolglos; der gegen den Einspruchsbescheid der belangten Behörde vom 18. November 1991 erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin hat der Bundesministers für Arbeit und Soziales mit Bescheid vom 7. April 1992 keine Folge gegeben. Die gegen den zuletzt erwähnten Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit dem eingangs erwähnten Erkenntnis vom 7. Juli 1992 gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abgewiesen.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 1991 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG auf Grund der näher genannten Rechtsgrundlagen des ASVG, des AlVG und des Arbeiterkammergesetzes für diese Dienstnehmerin für die Zeit vom 9. April 1985 bis 30. Juni 1986 Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in der Gesamthöhe von S 136.463,02 zu entrichten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Einspruch mit der Einwendung, daß das Recht zur Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen gemäß § 68 Abs. 1 ASVG verjährt sei. Im Einspruchsverfahren teilte die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 27. Jänner 1992 der belangten Behörde mit, daß das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. September 1990 der Gebietskrankenkasse am 4. Februar 1991 zur Kenntnis gebracht worden sei. Mit der am 25. April 1991 bei der Beschwerdeführerin als Dienstgeber durchgeführten Erhebung seien erstmals Maßnahmen zum Zwecke der Feststellung im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG getroffen worden. Die Höhe der Beiträge für den Zeitraum vom 1. April 1986 bis 30. Juni 1986, welche tatsächlich noch nicht verjährt seien, betrage S 32.255,60, davon entfielen auf den Wohnbauförderungsbeitrag S 630,--.

Die belangte Behörde übermittelte dieses Schreiben dem rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme binnen einer Woche. Nach fruchtlosem Verstreichen der Frist erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit welchem dem Einspruch der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG teilweise stattgegeben und in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides festgestellt wurde, daß die Beschwerdeführerin als Dienstgeber verpflichtet sei, für die Dienstnehmerin für die Beitragszeiträume April 1986 bis Juni 1986 Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in der Gesamthöhe von S 31.625,60 an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu entrichten. In der Begründung dieses Bescheides heißt es zusammengefaßt, daß im vorliegenden Fall die fünfjährige Verjährungsfrist zur Anwendung zu gelangen habe, da der Dienstgeber keine rechtzeitigen Angaben bzw. Meldungen über das Beschäftigungsverhältnis der Dienstnehmerin gemacht habe, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig hätte erkennen müssen. Andererseits sei die Verjährungsfrist durch die am 25. April 1991 beim Dienstgeber durchgeführte Erhebung unterbrochen worden. Daher seien die Beiträge, soweit sie nicht die Beitragszeiträume April bis Juni 1986 beträfen, bereits verjährt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich zunächst dadurch als beschwert, daß die belangte Behörde keine eigenes Ermittlungsverfahren betreffend die Versicherungspflicht durchgeführt habe.

Bezüglich dieses Vorbringens ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Frage der Versicherungspflicht im Verfahren betreffend die Beitragspflicht Vorfrage ist (vgl. das Erkenntnis des verstärkten Senates vom 13. November 1978, Slg. Nr. 9689, u.v.a.). Da vor Erlassung des angefochtenen Bescheides betreffend die Beitragsnachverrechnung über die Versicherungspflicht vom Bundesminister für Arbeit und Soziales bereits rechtskräftig entschieden worden war, durfte der Landeshauptmann (ungeachtet seiner bis dahin bestehenden Bindung an die eigene Hauptfragenentscheidung; vgl. das Erkenntnis vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0332) diese Frage nicht neuerlich aufrollen (vgl. das Erkenntnis vom 6. Februar 1990, Zl. 89/08/0357). Die belangte Behörde hatte daher bei Erlassung des angefochtenen Bescheides vom Bestehen der Versicherungspflicht im strittigen Zeitraum auf Grund des Bescheides des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 7. April 1992 (der mittlerweile mit dem eingangs zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes bestätigt wurde) auszugehen.

Der zweite Beschwerdeeinwand geht dahin, daß im Beschwerdefall nicht die fünfjährige sondern nur die zweijährige Verjährungszeit des § 68 Abs. 1 ASVG anzuwenden sei. Bezogen auf den im Beschwerdeverfahren noch strittigen Beitragszeitraum April 1986 bis Juni 1986 ist § 68 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 34. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 530/1979, anzuwenden. Nach dieser Bestimmung verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird.

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend davon aus, daß im Beschwerdefall eine Unterbrechung der Verjährung erst durch die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 25. April 1991 bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Beitragsprüfung bewirkt worden ist. Daraus ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid dann rechtlich nicht zu beanstanden wäre, wenn die fünfjährige Verjährungsfrist im Beschwerdefall anzuwenden ist. Dies wieder hängt davon ab, ob die Beschwerdeführerin die unterlassene Anmeldung der Dienstnehmerin "bei gehöriger Sorgfalt als notwendig ... hätte erkennen müssen".

In diesem Zusammenhang beruft sich die Beschwerdeführerin sinngemäß darauf, daß ihr auch bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt die Notwendigkeit einer Anmeldung der Dienstnehmerin nicht erkennbar war, "zumal selbst das Arbeits- und Sozialgericht Wien den Standpunkt der Beschwerdeführerin mehr als zwei Jahre nach Beendigung der Zusammenarbeit als zumindest teilweise berechtigt erkannte und das endgültige Urteil erst im zweiten Rechtsgang mehr als vier Jahre später erging".

Damit vermag die Beschwerdeführerin jedoch eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun:

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 25. April 1985, Zl. 84/08/0133, ausgeführt hat, ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnissse verschaffen muß und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat. Im Erkenntnis vom 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064, hat der Verwaltungsgerichtshof dem beigefügt, daß den Meldepflichtigen somit eine Erkundigungspflicht trifft, sofern er seine - objektiv unrichtige - Rechtsauffassung über die Versicherungsfreiheit eines Beschäftigungsverhältnisses (hier: eines durch "Werkvertrag begründeten Rechtsverhältnisses) im Zeitpunkt der Unterlassung der Meldung nicht etwa auf höchstgerichtliche (und erst später geänderte) Rechtsprechung oder bei Fehlen einer solchen auf eine ständige Verwaltungsübung zu stützen vermag. Insbesondere wird der Meldepflichtige gehalten sein, sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei der Behörde und/oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewißheit zu verschaffen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0060, zur Erkundigungspflicht in "Grenzfällen" ausgeführt hat, läge eine Sorgfaltspflichtverletzung in solchen Fällen nur dann nicht vor, wenn der Meldepflichtige trotz ausführlicher Darlegung der einzelnen Momente der konkreten Beschäftigung von der Behörde oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle eine ausdrückliche Auskunft erhielte, es bestehe keine Versicherungspflicht.

Nach der dargelegten Rechtsprechung kommt es somit in der Frage, ob dem Dienstgeber eine Verletzung der gehörigen Sorgfalt im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG vorgeworfen werden kann, nicht darauf an, ob der betreffende Dienstnehmer seinen Standpunkt, es liege ein Arbeitsverhältnis und nicht ein Werkverhältnis vor, erst nach einem langjährigen Rechtsstreit durchsetzen kann. Der Dienstgeber ist vielmehr nur dann entschuldigt, wenn er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der Frage der Meldepflicht des Beschäftigungsverhältnisses sachkundig zu machen und die Unterlassung der Meldung auf das Ergebnis dieser Bemühungen ursächlich zurückzuführen ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich der Dienstgeber auf eine ihm mitgeteilte Verwaltungspraxis der Gebietskrankenkasse, auf ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung oder auf sonstige verläßliche Auskünfte sachkundiger Personen oder Institutionen zu stützen vermag.

Daß die Beschwerdeführerin Bemühungen in diese Richtung unternommen hätte, hat sie im gesamten Verfahren (und auch in ihrer Beschwerde) nicht behauptet, sodaß sich der angefochtene Bescheid auf dem Boden des Beschwerdevorbringens als frei von Rechtsirrtum erweist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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