VwGH 92/08/0052

VwGH92/08/005220.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des W in X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in X, als bestellter Verfahrenshelfer gegen den Bescheid des BM für Arbeit und Soziales vom 12.11.1991, Zl. 122.849/4-6a/91, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Sozialversicherungssache (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 13. Juli 1990, Zl. 1,193.292-0, wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer in den Zeiten vom 1. Juni 1977 bis 30. Juni 1980 in der Krankenversicherung und vom 1. Juni 1977 bis 31. März 1978 sowie vom 1. November 1978 bis 31. Dezember 1982 in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 und Z. 3 GSVG pflichtversichert sei. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei ihm dieser Bescheid am 17. Juli 1990 durch postamtliche Hinterlegung zugestellt worden, ihm tatsächlich jedoch erst am 19. Juli 1990 zugegangen. In Rechtsunkenntnis und auf Grund einer unrichtigen Rechtsbelehrung durch einen Beamten der Einlaufstelle des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien habe der Beschwerdeführer am 7. August 1990 einen Antrag auf Verfahrenshilfe und einen Einspruch in zweifacher Kopie an das Arbeits- und Sozialgericht eingebracht; eine Kopie seiner Gerichtseingabe habe er der zuständigen Sozialversicherungsanstalt übermittelt. Mit Beschluß vom 23. August 1990 habe das Arbeits- und Sozialgericht Wien den Einspruch des Beschwerdeführers ebenso wie seinen Antrag auf Verfahrenshilfe zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 28. August 1990 habe er die Wiedereinsetzung beantragt.

Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 3. Dezember 1990 wurde gemäß § 410 des ASVG im Zusammenhang mit § 194 Abs. 1 des GSVG der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. August 1990 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG abgewiesen. Der dagegen rechtzeitig erhobene Einspruch wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. März 1991 abgewiesen und der Bescheid der Sozialversicherungsanstalt vom 3. Dezember 1990 bestätigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung keine Folge.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides seien die Berufungsausführungen nicht geeignet gewesen, eine Abänderung der Entscheidung des Landeshauptmannes von Wien zu bewirken, da der Beschwerdeführer sein Vorbringen in erster Linie auf die Behauptung stütze, weder sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch sein Einspruch gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 13. Juli 1990 seien verspätet eingebracht worden. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer von einer unrichtigen Rechtsmittelfrist von 14 Tagen ausgehe, sei der Grund für die Abweisung seines Einspruches gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 3. Dezember 1990 nicht eine verspätete Einbringung, sondern der Mangel des Vorliegens von Gründen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinn des § 71 Abs. 1 lit. a oder b AVG gewesen. Auch die Berufung enthalte keinerlei sachliche Begründung für das Vorliegen eines dem Gesetz entsprechenden Wiedereinsetzungsgrundes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich im Umfange der Bestätigung der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen und in einer nicht öffentlichen Sitzung erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

a) die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen...

Mit der vorliegenden Beschwerde macht der Beschwerdeführer im wesentlichen nur geltend, die auf seiner Rechtsunkenntnis und einer unrichtigen Auskunft eines Beamten der Einlaufstelle des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zurückzuführende Verspätung seines Einspruches sei als "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" im Sinn des § 71 Abs. 1 lit. a AVG zu qualifizieren. Er vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, die ansonsten ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten seien, treffe hier ebensowenig zu wie die ständige Rechtsprechung, daß die rechtsirrige Auskunft eines Beamten einer Einlaufstelle über die Einbringung eines Rechtsmittels keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund bilde. Im wesentlichen habe die rechtsirrtümliche Beschlußfassung des Gerichtes selbst, der Sozialversicherungsanstalt die Klagebeantwortung aufzutragen anstatt den Einspruch und Antrag a limine zurückzuweisen, das unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis für den Beschwerdeführer dargestellt. Diese am 7. August 1990 ergangene falsche Entscheidung des (Arbeits- und Sozial)Gerichtes sei ohne Verschulden des Beschwerdeführers entstanden; hätte das Gericht eine richtige Entscheidung bei erster Prüfung getroffen, wäre die Frist nicht versäumt worden.

Dem ist zu entgegnen, daß nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers sein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe verbunden mit dem Einspruch gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft an das Arbeits- und Sozialgericht Wien adressiert war. Es handelte sich dabei also keineswegs nur um einen "Irrläufer", der der zuständigen Behörde im Postweg hätte übermittelt werden müssen, sondern um einen Antrag an das (wenn auch unzuständige) Arbeits- und Sozialgericht Wien, welches über diesen Antrag - sei es formalrechtlich, sei es materiell-rechtlich - zu entscheiden hatte. Es liegt daher in der Behandlung der an das Arbeits- und Sozialgericht Wien gerichteten Eingabe kein Fehler dieses Gerichtes vor. Der Beschwerdeführer kann aber auch aus der Dauer der Erledigung des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien keine Rechtsfolgen für sich ableiten, weil es nicht Aufgabe des Gerichtes sein kann, die Parteien vor den Rechtsnachteilen zu bewahren, die durch Versäumung von Fristen vor einer anderen Behörde entstehen können. Der Beschwerdeführer vermochte aber vor allem kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis dartun, das ihn an der Einbringung eines Einspruchs gemäß der ihm mit dem Bescheid vom 13. Juli 1990 unbestrittenermaßen erteilten Rechtsmittelbelehrung gehindert hat. Er hätte bereits aus dem Bescheid der Sozialversicherungsanstalt bzw. der darin enthaltenen Rechtsmittelbelehrung erkennen können, innerhalb welcher Frist er welchen Rechtsbehelf oder welches Rechtsmittel bei welcher Behörde einzubringen gehabt hätte. Daß die im Bescheid der Sozialversicherungsanstalt enthaltene Rechtsmittelbelehrung unrichtig gewesen sei, behauptet er selbst nicht. In der Regel sind mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum nicht als unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignisse im Sinn des § 71 Abs. 1 lit. a AVG zu werten, ebensowenig wie durch eine falsche Adressierung eines Schriftsatzes verursachte Fristversäumnis (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1986, Zl. 86/07/0182, und vom 26. September 1979, Zlen. 904, 906/79, uva.). Der hier vorliegende Sachverhalt bietet keinen Anlaß, von dieser ständigen Judikatur, auf die in der Beschwerde ebenfalls Bezug genommen wird, abzugehen.

Aus all dem ergibt sich, daß die vom Beschwerdeführer aufgezeigte oder auch eine von Amts wegen wahrzunehmende Rechtswidrigkeit dem angefochtenen Bescheid nicht anhaftet, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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