VwGH 92/04/0026

VwGH92/04/002619.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der N Aktiengesellschaft in F, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. November 1991, Zl. 312.084/2-III/3/91, betreffend Verlängerung eines Probebetriebes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §64 Abs1;
AVG §64 Abs2;
GewO 1973 §78 Abs2;
AVG §64 Abs1;
AVG §64 Abs2;
GewO 1973 §78 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. November 1991 wurde im Verwaltungsrechtszug ausgesprochen, daß der Antrag der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft vom 19. Februar 1991 auf Zulassung "eines weiteren Probebetriebes" für die mit Bescheid der Erstbehörde vom 19. Jänner 1989 genehmigte Betriebsanlage (Abfalldeponie für betriebseigene Abfälle) gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen werde.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Erstbehörde habe der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft mit Bescheid vom 19. Jänner 1989 die Genehmigung zur Errichtung einer gewerblichen Betriebsanlage (Abfalldeponie für betriebseigene Abfälle) unter Vorbehalt der Betriebsbewilligung und Zulassung eines Probebetriebes in der Dauer von einem Jahr ab der Fertigstellung erteilt. Dieser Bescheid sei infolge dagegen erhobener Berufungen nicht rechtskräftig. Mit Bescheid vom 25. Oktober 1989 habe die Erstbehörde hinsichtlich dieses Genehmigungsbescheides die aufschiebende Wirkung dagegen erhobener Berufungen ausgeschlossen. Auch dieser Bescheid sei infolge dagegen erhobener Berufungen nicht rechtskräftig.

Unter dem 19. Februar 1991 - eingelangt bei der Erstbehörde am 25. Februar 1991 - habe die beschwerdeführende Aktiengesellschaft den im Spruch erwähnten Antrag gestellt, welcher mit Bescheid der Erstbehörde vom 26. Februar 1991 zurückgewiesen worden sei. Wie aus der Begründung dieses Bescheides ersichtlich sei, sei die Zurückweisung wegen angenommener Verspätung des gegenständlichen Antrages erfolgt, welcher als ein solcher um "Verlängerung des Probebetriebes" angesehen worden sei. Der dagegen erhobenen Berufung habe der Landeshauptmann mit Bescheid vom 24. Mai 1992 keine Folge gegeben, worauf die beschwerdeführende Aktiengesellschaft neuerlich, diesmal an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, berufen habe.

Nach § 64 Abs. 2 AVG sei es im Verwaltungsverfahren möglich, die aufschiebende Wirkung von Berufungen mit einem weiteren Bescheid auszuschließen. Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Judikatur sei ein solcher, die aufschiebende Wirkung ausschließender Bescheid im Instanzenzug anfechtbar. Dies bedeute aber weiters, daß, sofern nicht auch gegenüber allfälligen Berufungen eines solchen verfahrensrechtlichen Bescheides eigens die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen wurde - was im vorliegenden Falle nicht geschehen sei -, solchen Berufungen gegen einen solchen Bescheid ihrerseits aufschiebende Wirkung zukomme.

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeute dies, daß der Bescheid der Erstbehörde vom 25. Oktober 1989, mit welchem die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid derselben Behörde vom 19. Jänner 1989 erhobenen Berufungen ausgeschlossen worden sei, keine Rechtswirkungen entfalte. Damit entfalte aber auch der Bescheid der Erstbehörde vom 19. Jänner 1989 derzeit keinerlei Rechtswirkungen; im besonderen gelte dies für den mit diesem Bescheid zugelassenen Probebetrieb. Es ergebe sich also, daß bislang mangels Rechtskraft oder auch nur vorläufiger Rechtswirksamkeit des Genehmigungsbescheides vom 19. Jänner 1989 der in diesem Bescheid zugelassene Probebetrieb rechtmäßigerweise noch gar nicht zu laufen begonnen habe, weshalb derzeit schon der Natur der Sache nach es der Entscheidung über einen Antrag auf Zulassung "eines weiteren Probebetriebes" an der Rechtsgrundlage mangle, weshalb der diesem Verfahren zugrundeliegende Antrag vom 19. Februar 1991 - gleichgültig, welche Deutung man ihm geben wolle - aus diesem Grunde spruchgemäß zurückzuweisen gewesen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf eine über ihren Antrag vom 19. Februar 1991 ergehende Sachentscheidung unter Abstandnahme von dem herangezogenen Zurückweisungsgrund verletzt. Sie trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, ausgehend von der im Akt nicht gedeckten Feststellung, daß der Bescheid der Erstbehörde vom 25. Oktober 1989 nicht in Rechtskraft erwachsen sei, sei die belangte Behörde zur unrichtigen rechtlichen Feststellung gelangt, daß der Genehmigungsbescheid vom 19. Jänner 1989 keinerlei Rechtswirkungen entfaltet habe. Gerade deshalb aber, weil einer Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung rechtskräftig aberkannt worden sei, habe dieser Bescheid sehr wohl vorläufige Rechtswirksamkeit erlangt, weshalb auch der genehmigte Probebetrieb mit dem Tage nach Ablauf der Rechtsmittelfrist vom 25. Oktober 1989 begonnen habe. Da der Probebetrieb nur in der Dauer von einem Jahr gewährt worden sei, sei der Antrag auf Zulassung "eines weiteren Probebetriebes" notwendig und zulässig gewesen. Die belangte Behörde hätte daher über den Antrag auf Zulassung eines weiteren Probebetriebes entscheiden müssen. Im Ausspruch der Zurückweisung dieses Antrages liege die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Rechtswidrig in seinem Inhalt erscheine der angefochtene Bescheid aber auch noch darin, daß ein die aufschiebende Wirkung ausschließender Bescheid im Instanzenzug anfechtbar sei und daß, sofern nicht auch gegenüber allfälligen Berufungen eines solchen verfahrensrechtlichen Bescheides eigens die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen wurde, solchen Berufungen aufschiebende Wirkung zukomme. Würde man der Auffassung der belangten Behörde beipflichten, wäre es möglich, daß im Zuge von Berufungen im dreiinstanzlichen Verfahren bis zur Dauer des Berufungsverfahrens zweiter Instanz Wirkungen des angefochtenen erstinstanzlichen Bescheides gelten könnten, ab dem Zeitpunkt der Einbringung der Berufung an die dritte Instanz in Ermangelung des ausdrücklichen Antrages auf Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung gegen den zweitinstanzlichen Bescheid für dieses Verfahren die Rechtswirkungen des erstinstanzlichen Bescheides aufhören würden. Ein solcher Wille des Gesetzgebers könne nicht interpretiert werden.

Die Behörde kann im Grunde des § 78 Abs. 2 GewO 1973 im Genehmigungsbescheid anordnen, daß die Betriebsanlage oder Teile dieser Anlage erst auf Grund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen, wenn im Zeitpunkt der Genehmigung nicht ausreichend beurteilt werden kann, ob die die Auswirkungen der genehmigten Anlage oder von Teilen dieser Anlage betreffenden Auflagen des Genehmigungsbescheides die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend schützen oder zur Erreichung dieses Schutzes andere oder zusätzliche Auflagen erforderlich sind; sie kann zu diesem Zweck auch einen befristeten Probebetrieb zulassen oder anordnen; der Probebetrieb darf höchstens zwei Jahre und im Falle einer beantragten Fristverlängerung insgesamt höchstens drei Jahre dauern; die Behörde darf eine Fristverlängerung nur einmal und nur um höchstens ein Jahr zulassen oder anordnen, wenn der Zweck des Probebetriebes diese Verlängerung erfordert; der Antrag auf Fristverlängerung ist spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist zu stellen; durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung wird der Ablauf der Frist bis zur rechtskräftigen Entscheidung gehemmt.

Gemäß § 64 Abs. 1 AVG haben rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann die Behörde die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zu dieser Bestimmung die Anfechtbarkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bejaht. Daraus ergibt sich aber keineswegs, daß etwa einem gegen den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung erhobenen Rechtsmittel seinerseits aufschiebende Wirkung zuzuerkennen wäre. § 64 Abs. 2 AVG beschränkt den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung auf die Fälle, in denen die vorzeitige Vollstreckung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist; ein gegen einen solchen Ausspruch erhobenes Rechtsmittel soll lediglich die Überprüfung der in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen durch die übergeordnete Behörde ermöglichen. Der Sinn des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung verbietet die Annahme, es käme einem Rechtsmittel gegen einen derartigen Ausspruch aufschiebende Wirkung zu. Es läge dann jederzeit in der Macht einer Partei, den Zweck dieses Rechtsinstitutes, nämlich den mit dem Bescheid getroffenen Ausspruch ausnahmsweise sofort und unabhängig vom endgültigen Ausgang des Verfahrens wirksam werden zu lassen, durch Ergreifen eines Rechtsmittels zu vereiteln (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1985, Zl. 84/11/0243).

In der im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift wird ausgeführt, mit dem angefochtenen Bescheid sei ein Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. Februar 1992 auf Zulassung "eines weiteren Probebetriebes" für ihre mit Bescheid vom 19. Februar 1989 in erster Instanz genehmigte gewerbliche Betriebsanlage gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen worden. Die belangte Behörde habe dabei den Parteiantrag vom 19. Februar 1991 bereits in für die Beschwerdeführerin günstiger Weise im Sinne eines "Antrages auf Fristverlängerung" - wie er im § 78 Abs. 2 GewO 1973 vorgesehen sei - interpretiert. Die nunmehr erhobene Beschwerde betone jedoch demgegenüber den Wortlaut ihres dem Verfahren zugrundeliegenden Antrages vom 19. Februar 1991 (vgl. Seite 3, 3. Absatz und Seite 5, 3. Absatz). Da jedoch im Gesetz ein "Antrag auf Zulassung eines weiteren Probebetriebes" nicht vorgesehen sei, könne die Beschwerdeführerin durch die im Administrativverfahren vorgenommene Zurückweisung eines solchen Antrages in einem subjektiven Recht auch nicht verletzt sein.

Diese von der belangten Behörde gegen die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde erhobene Einwendung ist nicht begründet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. Februar 1991 auf Zulassung "eines weiteren Probebetriebes" als unzulässig zurückgewiesen. Im Gegensatz zu der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung stützt die Beschwerdeführerin ihre vorliegende Beschwerde auf eben jene Antragstellung, die den Gegenstand des mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen zurückweisenden Ausspruches bildet. Die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitierten Stellen der Beschwerde lauten wie folgt:

1. Seite 3, 3. Absatz: "Mit Antrag vom 19.2.1991 hat die Beschwerdeführerin die Zulassung eines weiteren Probebetriebes für ihre mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 19.1.1989, ..., in erster Instanz genehmigte gewerbliche Betriebsanlage gestellt" (richtig wohl: "begehrt"). "Dieser Antrag wurde von der Bezirkshauptmannschaft Villach mit Bescheid vom 26.2.1991, ..., zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte wegen angenommener Verspätung des gegenständlichen Antrages, welcher als ein solcher um "Verlängerung des Probebetriebes" angesehen wurde."

2. Seite 5, 3. Absatz: "Gerade deshalb, weil einer Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung rechtskräftig aberkannt wurde, erlangte dieser Bescheid sehr wohl vorläufige Rechtswirksamkeit, weshalb auch der genehmigte Probebetrieb mit dem Tag nach Ablauf der Rechtsmittelfrist vom 25.10.1989 begonnen hatte. Da der Probebetrieb nur in der Dauer von einem Jahr gewährt wurde, war der Antrag auf Zulassung "eines weiteren Probebetriebes" notwendig und zulässig."

Ob die - in § 78 Abs. 2 GewO 1973 festgelegten - gesetzlichen Voraussetzungen, um dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. Februar 1991 stattzugeben, erfüllt sind, ist im Zusammenhang mit der hier zunächst zu behandelnden Frage nach der Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde nicht zu beurteilen. Für die Prüfung der Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde ergibt sich insbesondere auch aus den von der belangten Behörde in der Gegenschrift hervorgehobenen Stellen, daß die Beschwerdeführerin gerade in Ansehung des mit dem angefochtenen Bescheid zurückgewiesenen Antrages das Recht auf Sachentscheidung als verletzt erachtet. Es ist zunächst nicht von vornherein ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführerin im gegebenen Zusammenhang ein solches Recht zukommt, durch den zurückweisenden Ausspruch des angefochtenen Bescheides jedoch verletzt wurde. Der von der belangten Behörde geltend gemachte Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde liegt somit nicht vor.

In der Sache selbst geht der Rechtsstreit darum, ob der Bescheid der Erstbehörde vom 25. Oktober 1989 über den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung - ungeachtet der Frage nach seiner Rechtmäßigkeit - den Genehmigungsbescheid vom 19. Jänner 1989 rechtswirksam werden ließ. Wie sich aus der durch § 64 Abs. 2 AVG gegebenen und vorstehend unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1985, Zl. 84/11/0243, dargestellten Rechtslage ergibt, ist diese Frage entgegen der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung zu bejahen. Der mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Ausspruch durfte somit auf den herangezogenen Zurückweisungsgrund nicht gestützt werden. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

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