VwGH 92/04/0013

VwGH92/04/001331.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. in I, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 29. Oktober 1991, Zl. IIa-93.002/7-91, betreffend Vollstreckungsverfügung (Schließung eines Gewerbebetriebes), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §360 Abs1;
VVG §10 Abs2;
VVG §4 Abs1;
VVG §5 Abs1;
GewO 1973 §360 Abs1;
VVG §10 Abs2;
VVG §4 Abs1;
VVG §5 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 17. Juli 1991 wird eingangs darauf Bezug genommen, daß mit Bescheid dieser Behörde vom 9. Jänner 1991, "bestätigt durch das Erkenntnis des Landeshauptmannes von Tirol" vom 13. Februar 1991, die Schließung des Gastgewerbebetriebes der Beschwerdeführerin wegen fehlender Konzession verfügt worden sei. Daran anknüpfend wurde ausgesprochen, daß gemäß § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 VVG der Gastgewerbebetrieb der Beschwerdeführerin im Wege der Ersatzvornahme geschlossen werde und daß die mangelnde Leistung durch Abschalten der Zufuhr der elektrischen Energie zum Gastbetrieb auf Gefahr und Kosten der verpflichteten Partei bewerkstelligt werde.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 29. Oktober 1991 wurde der Berufung nicht stattgegeben und die erstbehördliche Vollstreckungsverfügung bestätigt.

Dagegen richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung mit Beschluß vom 14. Dezember 1991, B 1319/91-3, abgetretene - Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht verletzt, "elektrische Energie für die Räumlichkeiten" im angegebenen Standort "zu beziehen".

Sie trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, durch den angefochtenen Bescheid sei ausgesprochen worden, daß die Schließung des Betriebes durch Abschalten der Zufuhr der elektrischen Energie zum Gastbetrieb auf Gefahr und Kosten der verpflichteten Partei bewerkstelligt werde. Ein derartiger Ausspruch sei rechtswidrig. Die Stadtwerke Innsbruck hätten mit der Beschwerdeführerin einen Stromlieferungsvertrag abgeschlossen. Die Stadtwerke seien verpflichtet, diesen Stromlieferungsvertrag einzuhalten, zumal sie unter Kontrahierungszwang stünden. Die Beschwerdeführerin habe immer sämtliche Forderungen aus dem Stromlieferungsvertrag bezahlt. Die Behörde greife durch den angefochtenen Bescheid in die Privatrechtssphäre, also in den Vertrag zwischen der Beschwerdeführerin und den Stadtwerken, ein. Ein derartiger Eingriff sei unzulässig. Da die Stromabschaltung bereits vollzogen worden sei, habe die Beschwerdeführerin bei den Stadtwerken auf Einhaltung des Vertrages gedrängt. Die Stadtwerke hätten telefonisch erklärt, sie hätten die "Weisung" des Stadtmagistrates, den Strom abzuschalten. Der Stadtmagistrat sei jedoch gegenüber den Stadtwerken nicht weisungsberechtigt. Die Stadtwerke träten als Träger von Privatrechten auf, der Stadtmagistrat als Behörde. Die Vorgangsweise der belangten Behörde sei also sowohl hinsichtlich der Erlassung des Bescheides, als auch hinsichtlich der erteilten "Weisung" rechtswidrig.

Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung im Grunde des § 4 Abs. 1 VVG nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

Hingegen wird die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen läßt, gemäß § 5 Abs. 1 VVG dadurch vollstreckt, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

Die mit dem angefochtenen Bescheid im Verwaltungsrechtszug bestätigte Vollstreckungsverfügung bezeichnet als Titelbescheid den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 13. Februar 1991, mit dem im Verwaltungsrechtszug ausgesprochen wurde, daß gemäß § 360 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes die Schließung des Gastgewerbebetriebes der Beschwerdeführerin verfügt werde. Mit diesem Titelbescheid wurde der Beschwerdeführerin nicht etwa in Ansehung der Versorgung mit elektrischer Energie eine Arbeits- oder Naturalleistung auferlegt. Die angeordnete Schließung des Gewerbebetriebes bedeutet vielmehr, daß die Beschwerdeführerin den Gewerbebetrieb einzustellen und die weitere Führung dieses Betriebes zu unterlassen habe. Es handelt sich daher um eine unvertretbare Verhaltensweise und um eine Unterlassung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1984, Zl. 84/10/0018). Die belangte Behörde durfte somit weder § 4 VVG als Grundlage für ihre Vollstreckungsverfügung heranziehen, noch das durch den Titelbescheid nicht gedeckte Abschalten der Zufuhr der elektrischen Energie anordnen. Da die belangte Behörde dies verkannte, leidet der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der erst im ergänzenden Schriftsatz der Beschwerdeführerin nach Ablauf der Frist zur Erhebung der Beschwerde gestellte Antrag auf Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde im Hinblick auf § 39 Abs. 1 Z. 1 VwGG verspätet gestellt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den unter dem Titel "Barauslagen" geltend gemachten Betrag (siehe hiezu die Tatbestände des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG).

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