Normen
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein bulgarischer Staatsangehöriger, reiste am 6. September 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Asylgewährung. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde am 7. September 1989 gab der Beschwerdeführer an, er gehöre der türkischen Minderheit an, die in seinem Heimatland unterdrückt werde. Er habe im Jahre 1985 seinen Namen ändern müssen und sei, weil er auf der Straße türkisch gesprochen habe, wiederholt bestraft sowie am 22. Februar 1986 für zwei Tage inhaftiert worden. Bei dieser Gelegenheit hätte er mit seiner Unterschrift bekräftigen müssen, nicht mehr türkisch zu sprechen und das bulgarische Regime nicht abzulehnen. Es sei ihm mit dem Verkauf seines Hauses und mit Deportation an einen Ort, in dem keine Türken lebten, gedroht worden.
Mit Bescheid vom 22. November 1989 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer über seine bisherigen Angaben hinaus ergänzend vor, seine Festnahme am 22. Februar 1986 sei deshalb erfolgt, weil er türkische Mitbürger aufgefordert habe, die ihnen aufgezwungenen bulgarischen Namen nicht anzunehmen, und weil er versucht habe, mit ihnen (verbotenerweise) seine Religion in der Moschee auszuüben. Während der Haft sei er mißhandelt und beschuldigt worden, gesetzlich verbotene Aktivitäten gegen die kommunistische Regierung zu unternehmen. Der Beschwerdeführer habe am 5. September 1989 als einziger seiner Familie einen Reisepaß erhalten. Später seien seiner Ehefrau und seiner Tochter Reisepässe mit einem "Türkischen Visum" ausgestellt worden. Sein Sohn sei Soldat in der bulgarischen Armee. So sei seine Familie getrennt und zum Verlassen Bulgariens gezwungen worden.
In einem ergänzenden, nach Ablauf der Berufungsfrist eingebrachten Schriftsatz machte der Beschwerdeführer geltend, er habe an seinem Arbeitsplatz mit 40 bis 50 Türken zusammengearbeitet, wobei es aber verboten gewesen sei, türkisch zu sprechen. Der Beschwerdeführer sei gewaltsam zu von der kommunistischen Partei organisierten Versammlungen gebracht worden, bei denen die Angehörigen der türkischen Minderheit als Bulgaren qualifiziert worden seien. Da sich der Beschwerdeführer geweigert habe, "kommunistische Agitationen" durchzuführen, und seinerseits gegen die Minderheitenpolitik seines Landes aufgetreten sei, habe man ihn bedroht und "malträtiert". Im Zuge seiner Inhaftierung am 22. und 23. Februar 1986 sei der Beschwerdeführer geschlagen und gezwungen worden, "Gesuche" des Inhaltes zu schreiben, daß er, sollte er mit seinen Propagandaaktionen gegen die Assimilationspolitik nicht aufhören, ausgesiedelt und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen würde, sowie daß seine Grundstücke verkauft würden. Auch die Gattin des Beschwerdeführers sei gezwungen worden, ein derartiges "Gesuch" abzufassen. Weil der Beschwerdeführer in der Folge seine gegen das Regime gerichteten Aktivitäten nicht eingestellt habe, sei ihm am 6. September 1989 ein Paß ausgestellt, er in einen Zug gesetzt und gezwungen worden, sein Heimatland zu verlassen. Wegen der Einberufung seines Sohnes zum Militär habe der Beschwerdeführer Furcht gehabt, diese Einzelheiten darzulegen. Er sei nicht der Ansicht, daß in Hinkunft sich die Beziehungen zwischen Bulgaren und Türken beruhigen würden, weil die Personen, die diesen Konflikt herbeigeführt hätten, gerichtlich nicht zur Verantwortung gezogen worden seien.
Anläßlich einer Vorladung wurde der Beschwerdeführer am 12. September 1990 seitens der Sicherheitsbehörde darauf hingewiesen, daß sich die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland stabilisiert hätten, sodaß politische Verfolgung kaum noch glaubhaft sei. Dazu erklärte er niederschriftlich, auf die Berufung nicht verzichten zu können, weil er im Fall seiner Rückkehr wegen des seinerzeitigen Organisierens regimefeindlicher Aktivitäten und wegen des Aufhetzens der Türken gegen das Regime inhaftiert würde.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde sei nach Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Die Angaben des Beschwerdeführers seien unglaubwürdig, weil sein Berufungsvorbringen von seinen Angaben vor der Behörde erster Instanz abweiche, Asylwerber aber erfahrungsgemäß gerade bei ihrer ersten Befragung der Wahrheit am nächsten kommende Angaben machten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe aus unerklärbarer Furcht zunächst seine wahren Fluchtgründe verschwiegen, sei nicht glaubwürdig, weil er, wäre er im zeitlichen Naheverhältnis zu seiner Ausreise tatsächlich einer Verfolgung ausgesetzt gewesen, dies bereits bei seiner erstinstanzlichen Befragung vorgebracht hätte. Seinen Angaben vor der Behörde erster Instanz seien aber Verfolgungshandlungen nicht zu entnehmen, sondern stellten die Nachteile, die der Beschwerdeführer nach seiner Darstellung wegen seiner Zugehörigkeit zur türkischen Minderheit zu ertragen gehabt hätte, keinen der Genfer Konvention unterstellbaren Eingriff in seine Grundrechte dar. Außerdem habe sich die politische Situation im Heimatland des Beschwerdeführers gravierend geändert, sodaß ihm die Inanspruchnahme des Schutzes dieses Landes zumutbar sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und seiner Aufenthaltsberechtigung verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit seinem Berufungsvorbringen ausreichend auseinanderzusetzen. Der Umstand, daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Inhaftierung schon längere Zeit zurückliege, spreche im Hinblick darauf, daß die Verfolgung aus ethnischen Gründen erfolgt sei und der Beschwerdeführer daher mit weiterer Verfolgung rechnen müsse, nicht gegen das Vorliegen begründeter Furcht. Die behördlichen Maßnahmen, die gezielt zu einer Trennung der Mitglieder seiner Familie geführt hätten, stellten Verfolgungsmaßnahmen der bulgarischen Regierung gegen die türkische Minderheit dar. Der von der belangten Behörde angenommene Widerspruch zwischen dem erstinstanzlichen Vorbringen und den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers sei aktenwidrig, weil schon aus der von der Behörde erster Instanz aufgenommenen Niederschrift hervorgehe, daß der Beschwerdeführer Angaben über sein regimekritisches Verhalten gemacht habe. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, den Beschwerdeführer ergänzend einzuvernehmen und ihm die Änderung der politischen Situation in seinem Heimatland zur Stellungnahme vorzuhalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Soweit die belangte Behörde die Abweisung der Berufung damit begründet hat, daß erfahrungsgemäß die von Asylwerbern bei ihrer ersten Befragung gemachten Angaben am ehesten der Wahrheit entsprechen und daß daher die über das im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Vorbringen hinausgehenden Ausführungen als nicht glaubwürdig anzusehen seien, hat der Verwaltungsgerichtshof schon zu wiederholten Malen erkannt, daß eine derartige Würdigung eines sich im Lauf des Instanzenzuges steigernden Vorbringens von Asylwerbern nicht unschlüssig ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 8. April 1987,
Zlen. 85/01/0299, vom 7. Dezember 1988, Zl. 88/01/0276, 0284, und viele andere). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung kann aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren nicht geschlossen werden, er habe damit geltend gemacht, wegen regimekritischer Äußerungen bzw. Aktivitäten inhaftiert worden zu sein. Vielmehr hat er ausdrücklich angegeben, deswegen verhaftet worden zu sein, weil er am Markt mit seiner Frau türkisch gesprochen habe. Demgemäß stellen sich die Behauptungen, regimekritisch agiert, derartige Aktivitäten organisiert und Türken gegen das bulgarische Regime aufgehetzt zu haben, ebenso wie das Vorbringen, während der Inhaftierung geschlagen und zur Ausreise gezwungen worden zu sein, als im Sinne der dargestellten Judikatur nicht glaubwürdige Steigerungen des Vorbringens dar.
Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei Wertung des Vorbringens des Beschwerdeführers davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer im Falle des tatsächlichen Vorliegens von im zeitlichen Naheverhältnis zu seiner Ausreise stehenden Verfolgungshandlungen diese bereits bei seiner ersten Einvernahme geltend gemacht hätte. Hiebei fällt auf, daß im Zeitpunkt seiner Ausreise die behauptete Inhaftierung des Beschwerdeführers bereits mehr als drei Jahre zurücklag.
Das Verbot, in der Öffentlichkeit türkisch zu sprechen, und die zwangsweise Änderung der Namen von Angehörigen der türkischen Minderheit hat die belangte Behörde - ohne diese Umstände ausdrücklich anzuführen - zu Recht als Nachteile gewertet, die noch nicht als derart gravierend anzusehen sind, daß daraus begründete Furcht vor Verfolgung abgeleitet werden könnte.
Entgegen den Beschwerdeausführungen hat es die belangte Behörde nicht unterlassen, den Beschwerdeführer über die Änderung der politischen Verhältnisse in seinem Heimatland zu informieren und ihm Gelegenheit zu bieten, hiezu Stellung zu nehmen. Vielmehr hat die Bundespolizeidirektion Wien über Aufforderung der belangten Behörde eine derartige Information unter Beiziehung eines Dolmetschers am 12. September 1990 vorgenommen. Hiebei hat der Beschwerdeführer von der Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben, auch Gebrauch gemacht. Angesichts dieser Änderung der politischen Verhältnisse erweist sich die Argumentation der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei die Inanspruchnahme des Schutzes seines Heimatlandes zumutbar, als nicht verfehlt.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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