VwGH 91/17/0199

VwGH91/17/019921.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, in der Beschwerdesache der N Gesellschaft mbH. in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen die Abgabenberufungskommission,der Bundeshauptstadt Wien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i. A. Vergnügungssteuer, den Beschluß gefaßt:

Normen

BAO §260;
BAO §276 Abs1;
BAO §293 Abs1;
BAO §93 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §55 Abs1;
BAO §260;
BAO §276 Abs1;
BAO §293 Abs1;
BAO §93 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §55 Abs1;

 

Spruch:

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der beschwerdeführende Partei Aufwendungen in der Höhe von S 5.860,-binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. November 1990 schrieb der Magistrat der Stadt Wien unter anderem der Beschwerdeführerin für die Zeit von Juni bis August 1990 eine Vergnügungssteuer in Höhe von S 42.000,-- vor. Gleichzeitig wurde - und zwar, wie sich aus der Begründung dieses Bescheides ergibt, für denselben Zeitraum - wegen unterlassener Anmeldung ein Verspätungszuschlag von S 4.200,-- sowie wegen nicht fristgerechter Entrichtung der Vergnügungssteuer ein Säumniszuschlag von S 840,-- auferlegt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerderführerin neun getrennte Berufungen, darunter auch gegen die Vorschreibung von Säumniszuschlag für den Monat Juni 1990 in Höhe von S 14.000,--. Mit Berufungsvorentscheidung vom 4. Juni 1991 wies der Magistrat der Stadt Wien diese Berufungen als unbegründet ab. Die der Beschwerdeführerin am 7. Juni 1991 zugestellte Ausfertigung dieses Bescheides enthielt jedoch, offenbar auf Grund eines schreibtechnischen Versehens, keinen Spruch.

Mit der vorliegenden, am 13. Dezember 1991 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde machte die Beschwerdeführerin geltend, die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien als Abgabenbehörde zweiter Instanz habe ihre Entscheidungspflicht hinsichtlich der oben genannten Berufung verletzt. Die Verfügung hinsichtlich der Einleitung des Vorverfahrens über diese Beschwerde (Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides: drei Monate) wurde der belangten Behörde am 2. März 1992 zugestellt.

Bereits mit Bescheid vom 17. Jänner 1992 hatte der Magistrat der Stadt Wien die Berufungsvorentscheidung (richtig wohl: deren Ausfertigung) vom 4. Juni 1991 dahin berichtigt, daß der Spruch zu lauten habe:

"Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen."

Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 20. Jänner 1992 zugestellt.

Mit Schreiben vom 18. Mai 1992 legte die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien die Berufungsvorentscheidung vom 4. Juni 1991 "in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 17. Jänner 1992" samt Rückschein vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit', Seite 537) ist das verwaltungsgerichtliche Verfahren über eine Säumnisbeschwerde in Abgabensachen einzustellen, wenn innerhalb der gesetzten Frist zwar keine Berufungsentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz, wohl aber eine Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde erster Instanz ergeht. Nichts anderes kann gelten, wenn wie hier eine solche - mangels Vorhandenseins eines Spruches als Nichtbescheid anzusehende - Berufungsvorentscheidung erst durch den Berichtigungsbescheid vom 17. Jänner 1992 rechtliche Relevanz erlangt hat; im Beschwerdefall gilt daher der versäumte Bescheid mit Zustellung des Berichtigungsbescheides als nachgeholt. Wird - wie im vorliegenden Fall - der versäumte Bescheid nach Einbringung der Säumnisbeschwerde, aber vor Einleitung des Vorverfahrens zugestellt, so ist das Verfahren nicht nach § 36 Abs. 2 letzter Satz, sondern nach § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen (vgl. unter anderem den hg. Beschluß vom 12. Oktober 1989, Zl. 89/16/0098, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Für den Anspruch des Beschwerdeführers auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes nach § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob der ausständige Bescheid vor oder nach allfälliger Zustellung der Verfügung betreffend die Einleitung des Vorverfahrens erlassen wurde. Dem Beschwerdeführer gebührt in diesem Fall - ebenso wie in den Fällen des § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG - als Ersatz für den Schriftsatzaufwand lediglich die Hälfte des normalen, durch Verordnung festgesetzten Pauschbetrages (vgl. auch hiezu den zuletzt zitierten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Umstand, daß die Beschwerdeführerin den erstinstanzlichen Bescheid mit neun getrennten Berufungen angefochten hat. Gleichgültig, ob man die Absprüche der Abgabenbehörde erster Instanz über Vergnügungssteuer, Verspätungs- und Säumniszuschlag jeweils für die Monate Juni, Juli und August 1990 als voneinander trennbar ansehen wollte oder nicht, ist doch die belangte Behörde hinsichtlich jeder einzelnen dieser Berufungen (die sie auch nicht etwa zurückgewiesen hat) säumig geworden. Es gebührt daher der Beschwerdeführerin in jedem Fall einzelnen Beschwerdefall der gesetzliche Aufwandersatz.

Wien, am 21. Mai 1992

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte