VwGH 91/16/0041

VwGH91/16/004117.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des

1) KSt und der 2) TSt in S, beide vertreten durch Dr. MSt, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Kreisgerichtes Krems vom 2. Oktober 1990, Zl. Jv 2604-33/90, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §7;
AgrVG §15 idF 1967/077;
FlVfGG §50 Abs2 idF 1967/078;
FlVfGG §53 idF 1967/078;
LSGG §4 Abs1;
LSGG §4 Abs2;
LSGG Art3 idF 1969/279;
LSLG NÖ 1972 §4 Abs1;
LSLG NÖ 1972 §4 Abs2;
VwRallg;
ABGB §7;
AgrVG §15 idF 1967/077;
FlVfGG §50 Abs2 idF 1967/078;
FlVfGG §53 idF 1967/078;
LSGG §4 Abs1;
LSGG §4 Abs2;
LSGG Art3 idF 1969/279;
LSLG NÖ 1972 §4 Abs1;
LSLG NÖ 1972 §4 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 7. Dezember 1989 verkauften L und MB an die Beschwerdeführer die Grundstücke 932 und 691, EZ 36, und 984 EZ 318, jeweils Grundbuch S. Mit Kaufvertrag vom 2. Dezember 1988 verkauften L und MB den Beschwerdeführern das Grundstück 977, EZ 36 Grundbuch S. Auf beiden Kaufverträgen findet sich nachstehender Stempelaufdruck:

"Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde

....

Bescheid

gemäß § 4 Abs. 2 des NÖ Landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes 1972, LGBl. 6645, wird festgestellt, daß dieser Vertrag der Zielsetzung des § 1 Abs. 2 entspricht und einen der im § 2 aufgezählten Vorgänge zum Gegenstand hat.

..."

Aufgrund dieser beiden Kaufverträge beantragten die Beschwerdeführer am 18. Juli 1990 beim Bezirksgericht Schrems die lastenfreie Abschreibung dieser vier Grundstücke und die Zuschreibung dieser Grundstücke zu der den Beschwerdeführern je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft EZ 8 Grundbuch S. In dieser Eingabe beantragten die Beschwerdeführer die Gebührenbefreiung gemäß "§ 13 GGG, 15 AgrVG, 50 Abs. 2 FLVGG". Der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Schrems schrieb jedoch den Beschwerdeführern die Eintragungsgebühr TP 9b 1. in Höhe von je S 3.405,-- und je S 50,-- Einhebungsgebühr vor.

Dem dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berichtigungsantrag gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Die Vermögensübertragung, für welche die Befreiung geltend gemacht werde, sei als Folge von Kaufverträgen und nicht in einem Verfahren vor der Agrarbehörde erfolgt. Nach der in diesem Bescheid wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelte die Abgabenfreiheit nach § 15 Agrarverfahrensgesetz (AgrVG) nicht für Fälle, in denen dem Erwerb lediglich im nachheinein eine bescheidmäßige Erklärung laut Gesetz folge. Es handle sich bei diesen Grundstückserwerben um KEINE Flurbereinigungsverfahren.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 26. Februar 1991, B 1268/90-3, die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Über die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Durchaus zu Recht zeigen die Beschwerdeführer den engen sachlichen Zusammenhang zwischen der Flurbereinigung einerseits und dem landwirtschaftlichen Siedlungswesen andererseits auf; bei Walter-Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts2, Wien 1987, werden diese beiden Bereiche im Kapitel "Bodenreform" (Seite 267 ff) angeführt. Vor allem aber findet sich für beide Sachgebiete eine gebührenrechtliche Regelung im § 15 AgrVG. Während für die beiden Formen des Flurbereinigungsverfahrens (Walter-Mayer a.a.O. 273) die Gebührenbefreiung gilt, vermeinen die Beschwerdeführer, daß auch bei einem "vereinfachten" Siedlungsverfahren, in welchem die Behörde lediglich feststellt, daß der verbücherungsfähige Vertrag den gesetzlichen Zielsetzungen entspricht, gleichfalls die Gebührenbefreiung in Anspruch genommen werden kann.

Die hier in Betracht kommenden Rechtsvorschriften lauten wie folgt:

§ 15 AgrVG 1950 in der Fassung BG vom 15. Februar 1967 BGBl. Nr. 77:

"Von den Stempel- und Rechtsgebühren befreit sind Eingaben ..., die zur Durchführung eines Verfahrens vor den Agrarbehörden zur Regelung der Flurverfassung (Zusammenlegung, Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken durch Teilung oder Regulierung, Flurbereinigung), ... und in den Angelegenheiten des landwirtschaftlichen Siedlungswesens erforderlich sind, soferne von diesen Schriften (Urkunden) kein anderer Gebrauch gemacht wird. Die zur Durchführung dieser Verfahren erforderlichen Vermögensübertragungen, Rechtserwerbungen und bücherlichen Eintragungen unterliegen keiner öffentlichen Abgabe."

Art. I § 4 Landwirtschaftliches Siedlung-Grundsatzgesetz (LSGG) BGBl. 1967/79 (gleichlautend wie § 4 NÖ Landwirtschaftliches Siedlungsgesetz 1972 LGBl. 6645):

"(1) Die Behörde hat die Parteien im Hinblick auf das Ziel dieses Gesetzes (§ 1 Abs. 2) zu beraten. Soweit sich die Parteien auf einen Übergang von Rechten geeinigt haben und diese Einigung dem Ziel des Verfahrens (§ 1 Abs. 2) entspricht, hat die Behörde die entsprechenden Rechte mit Bescheid zuzuteilen.

(2) Soferne die Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossene Verträge vorlegen, diese der Zielsetzung des § 1 Abs. 2 entsprechen und einen der im § 2 aufgezählten Vorgänge zum Gegenstand haben, hat dies die Behörde anstelle der Zuteilung (Abs. 1) mit Bescheid festzustellen."

§ 53 des Flurverfassungsgrundsatzgesetzes 1951 BGBl. Nr. 103 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 15. Februar 1967, BGBl. Nr. 78 (FlVGG):

"Hinsichtlich der Befreiung von Abgaben gelten die Bestimmungen des § 15 des AgrVG 1950, BGBl. Nr. 173/1950. Diese Bestimmungen gelten auch für Verträge und Übereinkommen, die den Bestimmungen des § 50 Abs. 2 entsprechen."

§ 50 Abs. 2 leg. cit. lautet:

"Dem Flurbereinigungsverfahren sind Verträge, die von den Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen wurden (Flurbereinigungsverträge), oder Parteienübereinkommen, die von der Behörde in einer Niederschrift beurkundet wurden (Flurbereinigungsübereinkommen), zugrunde zu legen, wenn die Behörde bescheidmäßig feststellt, daß sie zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich sind. In einem solchen Fall kann von der Erlassung des Einleitungsbescheides und des Flurbereinigungsplanes Abstand genommen werden."

Der Verwaltungsgerichtshof kann sich der Auffassung der Beschwerdeführer, das Fehlen einer dem § 53 zweiter Satz FlVGG vergleichbaren Bestimmung in den Siedlungsgesetzen sei eine auszufüllende Lücke, aus folgenden Erwägungen nicht anschließen:

Durchaus zuzustimmen ist der Auffassung der Lehre, eine beliebige Wahl zwischen Analogie und Umkehrschluß sei verfehlt (Bydlinski in Rummel, Kommentar zum ABGB I2, RZ 3 zu § 7). Tatsächlich ist der Umkehrschluß allein dann begründet, wenn Zweck und Wertung des Gesetzes nur auf den vom Gesetz ausdrücklich erfaßten Tatbestand zutreffen. Nach Larenz (Methodenlehre5, 374), liegt es auf der Hand, daß der Umkehrschluß nur dann berechtigt ist, wenn die gesetzliche Regelung ausdrücklich oder zumindest sinngemäß das Wörtchen "nur" enthält, wenn also die Beschränkung der Rechtsfolge gerade auf den Tatbestand ersichtlich vom Gesetzgeber gewollt oder nach der Teleologie des Gesetzes gebunden ist. Ob das der Fall ist, sei daher zunächst im Wege der Auslegung zu ermitteln. Keinesfalls dürfe dies einfach unterstellt werden; ist die gesetzliche Regel nicht in dem Sinne zu verstehen, die Rechtsfolge solle nur in den von ihr bezeichneten Fällen eintreten, so wäre der Umkehrschluß logisch fehlerhaft. Ist der Umkehrschluß aber zu bejahen, dann wird dadurch in der Regel nicht nur eine Analogie, sondern bereits das Vorliegen einer Gesetzeslücke ausgeschlossen.

Mit Beschlüssen vom selben Tag (15. Februar 1967) hat der Bundesgesetzgeber das Agrarverfahrensgesetz (BGBl. Nr. 77) und das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (BGBl. Nr. 78) novelliert und das Landwirtschaftliche Siedlungs-Grundsatzgesetz (BGBl. Nr. 79) beschlossen. Die Änderung des § 15 AgrVG bewirkte eine Einbringung des Siedlungsverfahrens in die bestehende Gebührenbefreiung. Sowohl § 50 Abs. 2 FlVGG als auch Art. I § 4 Abs. 2 LSGG schufen "vereinfachte" Verfahren. Während aber durch § 53 letzter Satz FlVGG ausdrücklich die Gebührenbefreiung auch für dieses vereinfachte Verfahren festgelegt wurde, erfolgte eine derartige Ausweitung der Gebührenbefreiung für das Siedlungsverfahren nicht.

Es kann dem Gesetzgeber, der derartig eng zusammenhängende Gesetze am selben Tag novelliert bzw. neu schafft, nicht unterstellt werden, daß er, wenn er im Hinblick auf eine Gebührenbefreiung in einem Fall weitreichendere Bestimmungen schafft als im anderen, eine Lücke in Kauf nehmen wollte. Während nämlich durch die Novellierung des § 15 AgrVG die Gebührenbefreiung in Angelegenheiten des Siedlungswesens überhaupt erst eingeführt wurde (siehe 282 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XI GP, Seite 3) bestand die Befreiung für die Regelung der Flurverfassung schon immer (siehe § 15 AgrVG in der Stammfassung BGBl. 173/1950). Während in den Erläuternden Bemerkungen zu § 4 Abs. 2 LSGG (255 der genannten Beilagen, Seite 7) nur die Verwaltungsvereinfachung als Motiv für diese Gesetzesbestimmung anführt, verweisen die Erläuternden Bemerkungen zu § 50 FlVGG (237 der genannten Beilagen, Seite 18) auf eine ganze Reihe von Vereinfachungen und die Absicht, die Initiative der Grundstückseigentümer anzuspornen. Der Behörde sollte die Möglichkeit gegeben werden, die Flurbereinigung künftig durch eine Kombination von Verträgen, Übereinkommen und behördlichen Verfügungen durchzuführen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. Februar 1990, 89/16/0006, ausgesprochen hat, dient die Änderung des § 53 letzter Satz FlVGG der Angleichung an die neuen Vorschriften über die Flurbereinigung. Auch damit wird unterstrichen, daß eben durch eine Reihe von Maßnahmen die Eigenintiative zur Flurbereinigung - aber eben nur zur Flurbereinigung - besonders attraktiv gestaltet werden sollte.

Schließlich ist zu bedenken, daß sich der Gesetzgeber in der Folge mit der Frage der Gebührenbefreiung in Angelegenheiten des landwirtschaftlichen Siedlungswesens wieder befaßt hat und in Art. III SGG in der Fassung des BG vom 9. Juli 1969, BGBl. Nr. 279, eine persönliche Gebührenbefreiung für Siedlungsträger geschaffen hat.

Auch der Verfassungsgerichtshof hat bei Behandlung der ursprünglich an ihn gerichteten Beschwerde das von den Beschwerdeführern behauptete gleichheitswidrige Ergebnis nicht angenommen, sondern hat auf die Unterschiede im Tatsächlichen verwiesen. Die Erwägung in dem in der Beschwerde zitierten Erkenntnis des Verfassunsgerichtshofes vom 9. März 1989, V 150, 151/88-6, es widerspreche dem Gleichheitssatz, wenn bei gleichem Privatinteresse an bestimmten Amtshandlungen der Verordnungsgeber für jene Amtshandlung eine höhere Abgabe verlangt, die mit einem deutlich niedrigeren Behördenaufwand verbunden sei, kann hier nicht zum Tragen kommen. Der Behördenaufwand bei der Agrarbehörde steht nämlich mit den Gebühren, die an Justizbehörden zu entrichten sind (ausschließliche Bundesabgaben), in keinerlei Sachzusammenhang.

Den Beschwerdeführern kann schließlich nicht darin gefolgt werden, daß allein durch den Feststellungsbescheid der niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde die Voraussetzungen des § 15 AgrVG erfüllt werden. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. Juni 1987, 86/16/0041, ausgeführt, daß eine Vermögensübertragung vorliegen muß, die zur Durchführung eines Verfahrens in Angelegenheiten des Siedlungswesens erforderlich ist. Im damals entschiedenen Fall erfolgte die Vermögensübertragung als Folge einer freiwilligen Feilbietung, hier zufolge eines abgeschlossenen Kaufvertrages. Hier wie dort hat die Behörde lediglich im nachhinein einen Bescheid mit dem eingangs erwähnten Inhalt erlassen. Die Vermögensübertragung durch Eintragung in das Grundbuch käme jedenfalls auch ohne Befassung der Agrarbehörde zustande. Hingegen teilt bei einem Verfahren vor der Behörde die Behörde die entsprechenden Rechte mit Bescheid zu (Walter-Mayer a.a.O. 279).

Zusammenfassend ergibt sich, daß die Beschwerdeausführungen nicht geeignet sind, den Verwaltungsgerichtshof zu einem Abgehen von seiner ständigen Judikatur zu veranlassen. Die bestehende Rechtslage gewährt die geforderte Privilegierung eben ausschließlich für das Flurbereinigungs-, nicht aber für das Siedlungsverfahren. Da die belangte Behörde durch Vorschreibung der Eintragungsgebühr die Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des von der belangten Behörde gestellten Ersatzbegehrens auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte