VwGH 91/15/0154

VwGH91/15/015429.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des Ing. H in Z, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 22. November 1991, Zl. B 134-6/91, betreffend Haftung für Umsatzsteuer 2/1983, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §209 Abs1;
BAO §238 Abs1;
BAO §238 Abs2;
BAO §6 Abs2;
BAO §80;
BAO §9;
BAO §209 Abs1;
BAO §238 Abs1;
BAO §238 Abs2;
BAO §6 Abs2;
BAO §80;
BAO §9;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist primär die Frage strittig, ob gegenüber dem Beschwerdeführer als ehemaligem Geschäftsführer des Komplementärs der Ing. H Gesellschaft m.b.H. & Co. KG, der vom Finanzamt mit Haftungsbescheid vom 27. Mai 1991 (gemäß §§ 9 und 80 BAO im Ausmaß von S 272.564,50 für Umsatzsteuer der KG betreffend Februar 1983) in Anspruch genommen wurde, Verjährung eingetreten ist oder nicht. Die Uneinbringlichkeit der in Rede stehenden Abgabe ist unstrittig.

Die belangte Behörde vertrat in ihrem, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid (womit sie die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes als unbegründet abgewiesen hatte) die Meinung, die streitgegenständliche Umsatzsteuerschuld sei am 10. April 1983 fällig geworden. Gegenüber der abgabenfplichtigen Gesellschaft (über deren Vermögen mit Beschluß des KG Leoben vom 20. Mai 1983 der Anschlußkonkurs eröffnet worden sei) sei die Abgabenschuld am 16. Mai 1983 durch Anmeldung geltend gemacht worden. Dadurch sei die Einhebungsverjährung unterbrochen worden und habe nach Ablauf des Jahres, in welchem die Aufhebung des Konkurses erfolgt sei (Beschluß des KG Leoben vom 26. Juni 1986) neu zu laufen begonnen. Die Einhebungsverjährung ende daher erst mit 31. Dezember 1991. Der Haftende könne so lange in Anspruch genommen werden, als das Einhebungsrecht gegenüber dem Hauptschuldner nicht verjährt sei. Hiezu berief sich die belangte Behörde ausdrücklich auf das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1981, Zl. 2644/80 Slg. N.F. 5.600/F.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, nicht für eine schon verjährte Abgabenschuld haften zu müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 238 BAO bestimmt in seinen Absätzen 1 und 2 folgendes:

"(1) Das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahme, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Bescheides gemäß §§ 201 und 202 unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen."

Insoweit sich die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis Slg. N.F. 5.600/F zu stützen sucht, ist ihr bloß einzuräumen, daß die Inanspruchnahme eines Haftenden wegen der Akzessorietät der Haftung voraussetzt, daß das Einhebungsrecht der Behörde gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht verjährt ist. Nichts anderes wurde in dem zitierten hg. Erkenntnis ausgesagt. Daraus ergibt sich aber nur, daß die Geltendmachung der Haftung nicht mehr möglich wäre, wenn das Einhebungsrecht gegenüber dem Hauptschuldner bereits verjährt ist. In dem zitierten hg. Erkenntnis ist jedoch zur Frage der Wirkung der Unterbrechung der Verjährung, insbesondere zum Problem, ob Unterbrechungshandlungen, die nur gegenüber dem Hauptschuldner gesetzt werden, auch zum Nachteil des Haftenden wirken, nichts ausgesagt.

Mit dieser - hier streitentscheidenden - Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner vom Beschwerdeführer zu Recht zitierten Judikatur schon wiederholt befaßt. Der Verwaltungsgerichthof vertritt dazu (im Einklang mit der Lehre; vgl. Stoll, BAO-Handbuch 593, 594) in ständiger Rechtsprechung - auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Auffassung, daß eine nur gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern gerichtete Unterbrechungshandlung dem davon nicht betroffenen anderen Gesamtschuldner nicht zu schaden vermag. Auch gegenüber einem Haftenden (hier dem Beschwerdeführer) kommt einer nur gegen den Hauptschuldner (hier gegenüber der Gesellschft m.b.H. & Co. KG) gesetzten Unterbrechungshandlung keine Wirksamkeit zu (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 28. September 1965, Zl. 18/65, vom 1. Juli 1964, Zl. 1861/63, Slg. N.F. 3117/F und vom 17. Dezember 1963, Zl. 1446/62, Slg. N.F. 2994/F).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß die am 16. Mai 1983 gegenüber der KG vorgenommene Forderungsanmeldung im Konkurs den Lauf der Einhebungsverjährung nur gegenüber dem Hauptschuldner der Abgabe unterbrochen hat (die Verjährung begann gemäß § 9 Abs. 1 KO - welcher Vorschrift gegenüber § 238 Abs. 2 BAO als lex specialis der Vorrang zukommt - anders als es die belangte Behörde vermeint, mit Ablauf des Tages von neuem zu laufen, an dem der Beschluß über die Aufhebung des Konkurses rechtswirksam geworden ist und nicht erst mit Ablauf des Jahres 1986), nicht aber gegenüber dem Beschwerdeführer. Diesem gegenüber wurde die Abgabenbehörde erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist des § 238 Abs. 1 BAO (die betreffend die Umsatzsteuer 2/1983 mit 31. Dezember 1988 geendet hatte) tätig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, weshalb ein Eingehen auf die übrigen Beschwerdeargumente entbehrlich ist. Die Entscheidung konnte mit Rücksicht auf die durch die oben zitierte hg. Judikatur klargestellte Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft überflüssigen Stempelgebührenaufwand.

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