VwGH 91/15/0037

VwGH91/15/003714.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner, Dr. Mizner, Dr. Fellner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der X-GmbH in Wien, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. Jänner 1991, Zl. GA 11 - 1777/4/90, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §5;
KVG 1934 §2 Z2;
KVG 1934 §9 Abs2 Z1;
KVG 1934 §9 Abs2;
StGG Art2;
VwGG §13 Abs1 Z1;
B-VG Art7 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §5;
KVG 1934 §2 Z2;
KVG 1934 §9 Abs2 Z1;
KVG 1934 §9 Abs2;
StGG Art2;
VwGG §13 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft m.b.H. wurde durch den am 7. Dezember 1978 zwischen der XY-AG und einem weiteren Gesellschafter abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag gegründet. Die XY-AG ist seit Jänner 1979 alleiniger Gesellschafter der Beschwerdeführerin. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrages in der im Streitzeitpunkt geltenden Fassung war Gegenstand des Unternehmens der Beschwerdeführerin

"a) Aufsuchung, Gewinnung, Bezug, Fortleitung und Verteilung von Erdöl und Erdgas, insbesondere in Dänemark.

b) Die Führung von Geschäften aller Art, welche die genannten Gesellschaftszwecke zu fördern geeignet sind.

c) Die Beteiligung an anderen Unternehmen vorgenannter Art."

Am 18.Dezember 1978 hatte die Beschwerdeführerin mit der XY-AG einen Gewinn- und Verlustübernahmevertrag abgeschlossen, dessen wesentliche Bestimmungen wie folgt lauten:

"2. Die Gesellschaft ist in das Unternehmen der XY-AG finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich eingegliedert. Sie hat bei ihrer Geschäfts- und Betriebsführung ausschließlich nach den Anweisungen der XY-AG vorzugehen.

3. Die Gesellschaft führt ihren Betrieb im Innenverhältnis für Rechnung der XY-AG. Die XY-AG übernimmt den sich nach der Bilanz ergebenden Reingewinn oder Reinverlust der Gesellschaft.

4. Im Hinblick darauf, daß in der Anlaufphase und bis auf weiteres aus der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft keine Gewinne, sondern nur Verluste zu erwarten sind, wird die XY-AG entsprechend den Finanzierungserfordernissen der Gesellschaft Akontierungen der voraussichtlich zu erwartenden Ansprüche der Gesellschaft aus der Verrechnung der Verluste leisten. Zum Bilanzstichtag ist jeweils entsprechend dem ermittelten Verlust der Spitzenbetrag festzustellen und auszugleichen."

Die Beschwerdeführerin teilte dem Finanzamt alljährlich (unter Vorlage von Jahresabschlüssen) mit, daß (und mit welchem Betrag) sie der XY-AG ihren Verlust "überrechnet" habe; vom Betrag des übernommenen Verlustes ausgehend setzte das Finanzamt - bis einschließlich 1985 unwidersprochen - jeweils Gesellschaftsteuer von 2 v.H. fest.

Das Jahr 1987 betreffend gab die Beschwerdeführerin dem Finanzamt bekannt, daß der XY-AG im Sinne des abgeschlossenen Ergebnisabführungsvertrages ein Verlust von S 3,937.570,-- überrechnet worden sei. Die Gewinn- und Verlustrechnung der Beschwerdeführerin für das Jahr 1987 weist einen Rohüberschuß (nach Organschaftsabrechnung) von S 84.167,85 aus. Einer "Aufgliederung des Rohüberschusses 1987" zufolge ergibt sich dieser auf Grund eines "Rohverlustes vor Organschaftsabrechnung" von S 3,853.402,57 und des "durch Obergesellschaft abgedeckten Verlustes" von S 3,937.570,42.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 1988 setzte das Finanzamt für die "Verlustübernahme durch Obergesellschaft" gemäß § 2 Z. 2 KVG Gesellschaftsteuer im Betrage von S 78.751,-- (2 v.H. von S 3,937.570,--) fest.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete sich die Beschwerdeführerin gegen die Anwendung des Steuersatzes von 2 v.H. gemäß § 9 Abs. 1 KVG. Sie vertrat die Auffassung, die (eine Leistung im Sinne des § 2 Z. 2 KVG darstellende) Verlustübernahme durch die XY-AG sei gemäß § 9 Abs. 2 KVG dem Steuersatz von 1 v.H. zu unterziehen, weil ohne diese Leistung eine Überschuldung bzw. ein Verlust am Stammkapital eingetreten wäre. Bei der Beschwerdeführerin handle es sich nicht um einen "geborenen Zuschußbetrieb". Zwar liege es in der Natur der Tätigkeit eines Erdölaufsuchungsunternehmens, daß in der ersten Phase nur Aufwendungen erwüchsen, denen vorerst keine Erträge gegenüberstünden; im "Fundfall" könnten aber erfahrungsgemäß beträchtliche Gewinne erzielt werden. Eine Bindung der Gewährung des ermäßigten Steuersatzes an das Vorliegen einer für den Gesellschaftszweck ausreichenden Eigenkapitalausstattung bestehe nicht; § 9 KVG enthalte keine entsprechende Vorschrift. Überdies sei es nicht möglich, im Einzelfall die "für den Gesellschaftszweck ausreichende" Eigenkapitalausstattung festzustellen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend vertrat sie nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1987, Zl. 86/15/0001, die Auffassung, die tatsächliche Durchführung des Gewinn- und Verlustübernahmevertrages zwischen der Beschwerdeführerin und der XY-AG entspreche nicht einer Verlustübernahme. Vielmehr erfolge eine laufende Zurverfügungstellung von Betriebsmitteln, die buchhalterisch in der Form durchgeführt werde, daß die "Verlustabdeckung", das heißt die Organschaftsabrechnung, jedenfalls vor Erstellung der Verlust- und Gewinnrechnung erfolge, sodaß es im gegenständlichen Fall niemals zu einer Überschuldung der Beschwerdeführerin komme. Aus diesem Grunde könne es dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Beschwerdeführerin um einen "geborenen Zuschußbetrieb" handle, oder ob diese lediglich eine extrem lange Anlaufphase zu durchlaufen habe. Wie immer die Tätigkeit der Beschwerdeführerin zu betrachten sei, sei klar ersichtlich, daß sie für ihren Gesellschaftszweck mit zu geringem Kapital ausgestattet worden sei. Dies werde auch im Gewinn- und Verlustübernahmevertrag zum Ausdruck gebracht. Es sei sohin von Anfang an klar gewesen, daß die Beschwerdeführerin einer weiteren Kapitalausstattung bedürfen werde. Wenn die XY-AG es unterlassen habe, ihre Gesellschaft von vornherein mit solchen Gesellschaftsmitteln auszustatten, die für die Anlaufphase voraussichtlich reichten, sondern den Weg von laufenden Kapitalzuführungen gewählt habe, so müsse dies für die Höhe der Steuerpflicht unmaßgeblich bleiben. Die Gewährung des begünstigten Steuersatzes für solche laufenden Kapitalzuführungen würde eine steuerliche Schlechterstellung jener Gesellschaften bedeuten, bei denen von vornherein die nötigen Gesellschaftermittel zugeführt und mit 2 v.H. versteuert würden. Aus § 2 KVG gehe der Wille des Gesetzgebers hervor, jede Verbreiterung der Kapitalgrundlage einer Kapitalgesellschaft der Steuer zu unterziehen. Die Begünstigungsnorm des § 9 Abs. 2 KVG sei daher auf solche Fälle beschränkt, wo aus nicht vorhersehbaren wirtschaftlichen Gegebenheiten (etwa dem Konkurs eines Geschäftspartners) eine einmalige Sanierungsaktion notwendig werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde; die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, daß die zur Deckung der Überschuldung bzw. eines Verlustes am Stammkapital erforderlich gewesenen Leistungen dem ermäßigten Steuersatz unterzogen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdeverfahren ist nicht strittig, daß es sich bei den von der XY-AG bewirkten Zuwendungen an die Beschwerdeführerin um (der Gesellschaftsteuer unterliegende) Leistungen im Sinne des § 2 KVG handelt; in Streit steht, ob auf diese Leistungen der begünstigte Steuersatz nach § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG anzuwenden ist oder nicht. Nach der letztzitierten Vorschrift ermäßigt sich die Steuer auf 1 v.H. bei Leistungen, soweit sie erforderlich sind

a) zur Deckung der Überschuldung einer inländischen Kapitalgesellschaft

b) zur Deckung eines Verlustes (unter anderem) am Stammkapital einer inländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Die belangte Behörde hat die Anwendbarkeit dieser Begünstigungsvorschrift im Beschwerdefall aus zwei Gesichtspunkten verneint:

Erstens komme es niemals zu einer Überschuldung der Beschwerdeführerin, weil die Verlustabdeckung vor Erstellung der Gewinn- und Verlustrechnung erfolge. Die strittigen Leistungen stellten somit keine Verlustübernahme dar; der Beschwerdeführerin würden vielmehr laufend Betriebsmittel zur Verfügung gestellt.

Zweitens sei klar ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin mit einem für ihren Gesellschaftszweck zu geringem Kapital ausgestattet worden sei.

Beide Argumente erweisen sich im vorliegenden Zusammenhang nicht als tragfähig. Der Auffassung der belangten Behörde, es käme niemals zu einer Überschuldung der Beschwerdeführerin, weil die Organschaftsabrechnung vor Erstellung der Gewinn- und Verlustrechnung erfolge, ist folgendes entgegenzuhalten: Der Handelsbilanzgewinn oder -verlust einer Organgesellschaft, deren Gewinn oder Verlust auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrages von der Obergesellschaft übernommen wird, beläuft sich immer auf Null, weil die Gewinnabführung seitens der Organgesellschaft bzw. die Verlustübernahme durch die Obergesellschaft in die Gewinn- und Verlustrechnung der Organgesellschaft eingegangen ist (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1991, Zl. 89/15/0116; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht5, 509). Von diesem Gesichtspunkt ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof im zuletzt zitierten Erkenntnis die Zustimmung des Organträgers zur Zuweisung des Betriebsüberschusses des Organs an eine freie Rücklage als Verzicht auf den Anspruch auf Gewinnabführung gewertet. Daraus folgt, daß im vorliegenden Zusammenhang eine Betrachtungsweise geboten ist, die nicht ohne weiteres an den Gewinn- oder Verlustausweis in der Handelsbilanz, sondern an das Geschäftsergebnis vor Durchführung der Gewinnabführung bzw. der Verlustübernahme anknüpft. Es kann somit nicht davon gesprochen werden, daß schon die aus einem Ergebnisabführungsvertrag folgenden Ansprüche zur Beseitigung einer Überschuldung bzw. eines Verlustes am Stammkapital stets dazu führten, die Sanierungsbegünstigung am Stichtag, also am Tag der Bewirkung der Leistung (vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis vom 14. Jänner 1991, Zl. 89/15/0116, und das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Juni 1991, Zl. 89/15/0012) zu versagen.

Dies folgt - neben den oben dargelegten Erwägungen - weiters aus der Überlegung, daß sich im Gesetz kein Anhaltspunkt dafür findet, Leistungen des Organträgers auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrages, die zur Deckung einer Überschuldung oder eines Verlustes am Stammkapital der Organgesellschaft erforderlich sind, wegen des aus dem Ergebnisabführungsvertrag resultierenden Anspruches des Organs anders zu behandeln als solche Leistungen, die auf Grund eines Anspruches aus einem von Fall zu Fall vor der Bewirkung der Leistung gefaßten Sanierungsbeschlusses erfolgen (vgl. hiezu das ebenfalls zu § 9 Abs. 2 Nr. 1b KVG 1934/1955 ergangene Urteil des BFH vom 6. Mai 1964, BStBl. 1964 III 384).

Der Anspruch auf Verlustausgleich auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrages hindert somit die Anwendung der Begünstigungsvorschrift des § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG nicht (vgl. zu den entsprechenden Vorschriften des deutschen KVG neben der bereits zitierten Rechtsprechung die Urteile des BFH vom 22. April 1959, BStBl. 1959 III 240, und vom 6. Februar 1980, BFHE 130/23, sowie Egly/Klenk, Gesellschaftsteuer Kommentar4, Rz 479; Kinnebrock/Meulenbergh, Kapitalverkehrsteuergesetz5, § 9 Rz 29; Brönner/Kamprad, Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz4, § 7 Rz 27).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt im Hinblick auf die eingangs dargelegten Erwägungen auch nicht die Auffassung der belangten Behörde, im vorliegenden Fall handle es sich nicht um Leistungen im Rahmen der Verlustübernahme, weil die Zuwendungen vor Erstellung der Gewinn- und Verlustrechnung erfolgten. Im übrigen kann es - vom Zweck der Sanierungsbegünstigung ausgehend - keinen Unterschied machen, ob ein bereits eingetretener Verlust am Stammkapital oder eine bereits eingetretene Überschuldung beseitigt wird oder ob die Leistung erfolgt, um eine ohne diese Zuwendung eintretende Überschuldung bzw. einen andernfalls eintretenden Verlust am Stammkapital zu verhindern; in beiden Fällen handelt es sich wirtschaftlich um einen Ersatz verlorengegangenen Stammkapitals (vgl. hiezu das Urteil des BFH vom 27. August 1968, BFHE 93/110, sowie Egly/Klenk, aaO, Rz 463). Dabei ist auch nicht von entscheidender Bedeutung, ob - wie im Beschwerdefall - Vorauszahlungen aus dem Titel der im Ergebnisabführungsvertrag vorgesehenen Übernahme der Verluste geleistet werden.

Von dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1987, Zl. 86/15/0001, zugrundeliegenden Sachverhalt unterscheidet sich der vorliegende Fall insofern, als hier der Organträger zur Übernahme des Verlustes verpflichtet ist, dort hingegen zur Dotierung eines Gebarungsfonds, aus dem die laufenden Betriebsausgaben der Gesellschaft bestritten wurden. Auf die für einen solchen Fall im Vorerkenntnis entwickelten Grundsätze ist somit im Beschwerdefall schon wegen der anderweitigen Widmung der Leistungen des Organträgers nicht zurückzugreifen. Die - ohne tragende Bedeutung für den dort zu lösenden Beschwerdefall - im Vorerkenntnis ausgesprochene Auffassung, daß ein im Gesellschaftsvertrag begründetes Forderungsrecht der Organgesellschaft gegen den Organträger dem Eintritt eines Verlustes (im Sinne der Begünstigungsvorschrift) entgegenstehe, hält der Verwaltungsgerichtshof aus den oben dargelegten Erwägungen nicht aufrecht.

Die belangte Behörde vertritt ferner die Auffassung, die Begünstigung sei für die strittigen Leistungen auch deshalb zu versagen, weil der Organträger die Beschwerdeführerin "für ihren Gesellschaftszweck mit zu geringem Kapital ausgestattet" habe; dabei käme es gar nicht darauf an, ob es sich bei der Beschwerdeführerin um einen "geborenen Zuschußbetrieb" handle.

In diesem Zusammenhang beruft sich die belangte Behörde zwar zu Unrecht auf das erwähnte Erkenntnis vom 23. November 1987, Zl. 86/15/0001; im genannten Erkenntnis hatte der Gerichtshof die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Steuerermäßigung nach § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG bei Leistungen an "geborene Zuschußbetriebe" ausdrücklich offengelassen. Der Gerichtshof hatte jedoch bereits im Erkenntnis vom 2. Mai 1968, Zlen. 1720, 1721/67 dargelegt, es sei zweifellos nicht daran gedacht gewesen, die Steuerermäßigung nach § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG bei laufenden Zuschüssen (Unkostenerstattungen) an geborene Zuschußbetriebe (z.B. Studiengesellschaften u.dgl.) anzuwenden, weil durch diese Zuschüsse nur der Mangel eines für den gesetzten Gesellschaftszweck ausreichenden Eigenkapitals ausgeglichen werden sollte. Im Erkenntnis vom 8. Jänner 1979, Zl. 2032/77, wurde ausgesprochen, der ermäßigte Steuersatz könne nicht angewendet werden, wenn eine Leistung erbracht werden müsse, um eine von vornherein ungenügende Kapitalausstattung zu ergänzen; unter solchen Umständen wäre die Erforderlichkeit der Verlustdeckung zu verneinen.

Der Verwaltungsgerichtshof hält die in den beiden letztzitierten Erkenntnissen vertretene Rechtsauffassung nicht aufrecht. Der Wortlaut der Begünstigungsvorschrift bietet keinen Anhaltspunkt dafür, zur Deckung einer Überschuldung bzw. eines Verlustes am Stammkapital erforderliche Leistungen dann nicht dem ermäßigten Steuersatz zu unterziehen, wenn sie an "geborene Zuschußbetriebe" bzw. (sofern diese unterschiedlich verwendeten Begriffe nicht deckungsgleich sein sollten) an "Betriebe mit für den Gesellschaftszweck nicht ausreichender Kapitalausstattung" erbracht werden. Der Zweck der Vorschrift des § 9 Abs. 2 KVG, Kapitalzuführungen zu begünstigen, durch die verlorenes Gesellschaftskapital ersetzt wird, gebietet eine solche (ergänzende bzw. berichtigende) Auslegung ebenfalls nicht, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern in Ansehung des erwähnten Gesetzeszweckes ein Unterschied darin bestehen sollte, ob eine Überschuldung oder ein Verlust am Stammkapital trotz "dem Gesellschaftszweck entsprechender" Ausstattung mit Stammkapital eintreten oder darauf zurückzuführen sind, daß ein Unternehmen schon wegen seiner Zweckbestimmung nicht in der Lage ist, seine Kosten durch Erzielung eigener Einnahmen aufzubringen. Gesellschafterleistungen an "geborene Zuschußbetriebe" bzw. "Betriebe mit für den Gesellschaftszweck nicht ausreichender Kapitalausstattung" können somit ebenfalls der Begünstigung nach § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG unterliegen, soweit sie zur Deckung einer Überschuldung bzw. eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind (vgl. hiezu die Urteile des BFH vom 21. September 1977, BFHE 124/26, und vom 6. Februar 1980, BFHE 130/23, sowie Egly/Klenk, aaO, Rz 464;

Kinnebrock/Meulenbergh, aaO, § 9 Rz 27; Brönner/Kamprad, aaO, § 7 Rz 26).

Gegen die Auffassung, daß die Begünstigung für Leistungen an Unternehmen, die nicht mit "dem Gesellschaftszweck entsprechendem" Stammkapital ausgestattet sind, nicht in Betracht komme, spricht nicht zuletzt die Erwägung, daß der Lösung der Frage, ob eine bestimmte Kapitalzuführung auch bei Ausstattung der Gesellschaft mit einem "dem Gesellschaftszweck entsprechenden" Stammkapital zur Deckung einer Überschuldung oder eines Verlustes am Stammkapital erforderlich gewesen wäre, in nicht wenigen Fällen die fehlende Bestimmbarkeit eines "dem Gesellschaftszweck" (auch in weiterer Zukunft) "entsprechenden" Stammkapitals entgegenstehen wird.

Auch das Argument, die Gewährung des begünstigten Steuersatzes für Gesellschafterleistungen an Gesellschaften, die mit "für ihren Gesellschaftszweck zu geringem Kapital" ausgestattet worden wären, würde eine steuerliche Schlechterstellung jener Gesellschaften bedeuten, bei denen von vornherein die "nötigen Gesellschaftsmittel" zugeführt worden wären, vermag die Auffassung der belangten Behörde nicht zu tragen.

Es liegt im Wesen des § 9 Abs. 2 KVG, daß Leistungen, die zur Deckung einer Überschuldung oder eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, gegenüber solchen Leistungen begünstigt werden, bei denen dies nicht der Fall ist. Es erscheint auch nicht unsachlich, daß das Gesetz nicht darauf abstellt, ob zur Deckung einer Überschuldung oder eines Verlustes am Stammkapital erforderliche Leistungen bei besserer Kapitalausstattung der Gesellschaft hätten unterbleiben können. Auch unter dem oben erwähnten Gesichtspunkt ist daher eine Auslegung, wonach die Begünstigung für Leistungen an Gesellschaften, die mit "für ihren Gesellschaftszweck zu geringem Kapital" ausgestattet wurden, nicht zum Tragen käme, nicht geboten.

Die von der belangten Behörde für die Verweigerung der Begünstigung der strittigen Leistungen nach § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG herangezogenen Argumente erweisen sich somit vor dem Hintergrund der geänderten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insgesamt nicht als tragfähig. Ausgehend von ihrer nach dem oben Gesagten unzutreffenden Rechtsansicht hat die belangte Behörde nicht geprüft, ob die strittigen Leistungen im Sinne der Begünstigungsvorschrift zur Deckung der Überschuldung bzw. eines Verlustes am Stammkapital der Beschwerdeführerin erforderlich waren. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand auch die - im Beschwerdefall gesondert geltend gemachte - Umsatzsteuer umfaßt.

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