VwGH 91/14/0119

VwGH91/14/01198.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 22. April 1991, Zl 226/2-10/Zö-1991, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §245 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §245 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 11. Oktober 1987 verstarb der Vater des Beschwerdeführers. In den Jahren 1988 und 1989 wurde der Gewerbebetrieb des Vaters des Beschwerdeführers einer abgabenbehördlichen Prüfung betreffend die Jahre 1985 bis 1987 unterzogen, welche zu Abgabennachforderungen in Höhe von rund S 65.000,-- führte. Mit Eingabe vom 23. November 1989 begehrte der Beschwerdeführer eine Nachsicht hinsichtlich des aushaftenden Abgabenrückstandes. Dies mit der Begründung, er hätte als Folge einer Fehleinschätzung des Wertes einer zum Nachlaß gehörenden Eigentumswohnung und in völliger Unkenntnis der sich aus der abgabenbehördlichen Prüfung ergebenden Nachforderung an eine positive Verlassenschaft geglaubt und das Erbe seines Vaters mit einer unbedingten Erbserklärung angetreten. Wie sich aus einer dem Nachsichtsansuchen angeschlossenen Aufstellung ergebe, erleide der Beschwerdeführer aus der Verlassenschaft insgesamt jedoch einen nicht unbeträchtlichen finanziellen Schaden in Höhe von rund S 58.000,-- zuzüglich der drohenden Abgabenschuld, welchen er aus seinen Bezügen aus nichtselbständiger Arbeit abzudecken hätte.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid wurde das Nachsichtsansuchen abgewiesen. Durch die Abgabe einer unbedingten (gemeint wohl: bedingten) Erbserklärung solle die Inanspruchnahme des Erben mit dem Wert des übernommenen Nachlasses beschränkt werden. Der Beschwerdeführer hätte jedoch eine unbedingte Erbserklärung abgegeben. Derjenige, der eine unbedingte Erbserklärung abgebe, verzichte auf den vom Gesetzgeber eingeräumten Schutz. Welche Überlegungen dem Beschwerdeführer letztendlich zur Abgabe der unbedingten Erbserklärung bewogen hätten, sei für das gegenständliche Verfahren bedeutungslos; es zähle lediglich, daß eine solche abgegeben worden wäre. Eine Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben führe nicht zur Unbilligkeit, nur weil die wirtschaftlichen Hoffnungen fehlgeschlagen seien. Der Unbilligkeitstatbestand stelle auf die Einhebung ab und sei nicht geeignet, Folgen zu beseitigen, die bei Inanspruchnahme einer durch ein anderes Gesetz ohnedies eingeräumten Begünstigung nicht eingetreten wären. Dazu komme noch, daß eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit des Einzelfalles eben dann nicht gegeben sei, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen sei, die alle von dem betreffenden Gesetz erfaßten Abgabepflichtigen in gleicher Weise treffe. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer auf Grund von Fehleinschätzungen des tatsächlichen Wertes der zum Nachlaß gehörenden Eigentumswohnung und der Unkenntnis der abgabenrechtlichen Nachforderung letztendlich nur Mühe und Auslagen gehabt hätte, vermöge für sich allein gleichfalls keine Unbilligkeit zu begründen.

In der Beschwerde wird "rechtswidrige Anwendung der Ermessensbefugnis § 20 BAO" und die "Verletzung der Vorschriften über das Parteiengehör" geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides "gemäß § 42 Abs 2 lit a VwGG" beantragt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit sich der Beschwerdeführer im so umschriebenen Beschwerdepunkt in seinem Recht auf richtige Anwendung der Ermessensbefugnis gemäß § 20 BAO verletzt erachtet, ist ihm folgendes zu erwidern: Eine im Rahmen der Erledigung eines Nachsichtsansuchens zu treffende Ermessensentscheidung der Behörde hat gemäß § 236 BAO zur Voraussetzung, daß die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die Frage der Beurteilung der Unbilligkeit der Einziehung ist sohin (noch) keine Ermessensfrage. Erst die Bejahung der Konkretisierung dieses Tatbestandsmerkmales kann in weiterer Folge zur Ermessensentscheidung führen (vgl Stoll, BAO, Handbuch, S 583, und die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde keine Ermessensentscheidung getroffen, sondern das Nachsichtsansuchen mangels Unbilligkeit, somit aus Rechtsgründen, abgewiesen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, in seinem Recht auf richtige Anwendung der "Ermessensbefugnis" im Sinne des § 20 BAO verletzt worden zu sein, weil der angefochtene Bescheid im Sinne der Kommentierung von Stoll zu dieser Norm nicht sach- oder lebensgerecht sei, geht daher im Umfang dieses Beschwerdepunktes ins Leere.

Aber auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften wird vom Beschwerdeführer zu Unrecht gerügt: Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausführt, daß er in seinem Schreiben vom 26. Februar 1991 für die Beibringung von Unterlagen um eine Frist von mindestens vier Wochen ersuchte, und die Berufungsentscheidung der belangten Behörde "bereits" am 22. April 1991 erging, "ohne über diese Frist abzusprechen", ist darauf hinzuweisen, daß ein Ansuchen um Verlängerung der Frist zur Vorlage bestimmter Unterlagen als in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehenes Anbringen einer Entscheidungspflicht nicht unterliegt und zudem zwischen dem Ansuchen auf Gewährung der Frist und der Berufungsentscheidung ohnehin ein wesentlich längerer Zeitraum als die erbetenen vier Wochen, nämlich rund acht Wochen, lag. Den Umstand, daß um eine Frist von "mindestens" vier Wochen ersucht wurde, mußte die Behörde aber nicht zum Anlaß nehmen, mit der Berufungsentscheidung über die beantragten vier Wochen hinaus zuzuwarten. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, daß die Unterlagen, für deren Vorlage die Fristverlängerung erbeten worden war, nach der Aktenlage auch mit der Vorhaltsbeantwortung vom 29. April 1991 nicht vorgelegt wurden.

Da somit die gerügten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.

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