VwGH 91/13/0254

VwGH91/13/025422.1.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Sch OHG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, ihr gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom 28. Oktober 1991, Zl. 6/3 - 3241/91-05, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie Gewerbesteuerzerlegung für die Jahre 1985 bis 1987 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führt zu dessen Begründung aus, daß die bei ihrem Rechtsvertreter beschäftigte und mit der Postaufgabe beauftragte Kanzleiangestellte am 20. Dezember 1991 die Aufgabe der Beschwerde zur Post vergessen habe. Dazu sei es gekommen, weil diese Bedienstete im Zuge vorweihnachtlich erforderlich gewordener Überstunden am beabsichtigten Postaufgabeort Westbahnhof so knapp vor Abfahrt ihres Zuges erst angekommen sei, daß sie an die aufzugebende Sendung ungeachtet der nachdrücklichen Erinnerung des Rechtsvertreters der Antragstellerin an die Bedeutung der Postaufgabe an diesem Tag nicht mehr gedacht habe; derlei sei der betroffenen Bediensteten bislang nicht unterlaufen.

Die Behauptungen der Wiedereinsetzungswerberin können im Hinblick auf die schriftliche Erklärung der Kanzleiangestellten Heike K. und die Ablichtung der Telefaxmitteilung des Rechtsvertreters der Antragstellerin an deren steuerliche Vertreterin als bescheinigt angesehen werden. Ausgehend von diesem Sachverhalt ist der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus folgenden Erwägungen berechtigt:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 656 f zitierte Judikatur). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmung des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann.

Im vorliegenden Fall ist bescheinigt, daß der Rechtsvertreter der Antragstellerin seiner Angestellten die Wichtigkeit der Postaufgabe der Beschwerde an dem in Betracht kommenden Tag ausdrücklich eingeschärft hatte, wobei der Kanzleiangestellten ein Versäumnis der dann eingetretenen Art bislang nicht unterlaufen war. Ein als grobes Verschulden zu qualifizierendes Fehlverhalten, welches der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegenstünde, kann in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles nicht erkannt werden.

Dem Antrag war daher stattzugeben.

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