VwGH 91/13/0227

VwGH91/13/02275.8.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde der Dr. E, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VII, vom 3. Juni 1991, Zl. 6/4 - 4236/90-09, betreffend Einkommensteuer 1988, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1438;
ABGB §1440;
EStG 1972 §19 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs3;
RAO 1868 §19 Abs3;
ABGB §1438;
ABGB §1440;
EStG 1972 §19 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs3;
RAO 1868 §19 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Rechtsanwältin. Sie ermittelte den Gewinn aus ihrer selbständigen Arbeit im Streitjahr nach § 4 Abs. 3 EStG 1972. Im Zuge einer die Jahre 1986 bis 1988 betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung im Unternehmen der Beschwerdeführerin wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin, welche sowohl den Fremdgeldverkehr als auch den Geldverkehr der eigenen Kanzlei auf ihren betrieblichen Bankkonten abzuwickeln pflegt, einen am 28. Oktober 1988 von einem Treuhandkonto auf ihr betriebliches Bankkonto eingegangenen Betrag von S 550.000,-- lediglich im Umfang eines Teilbetrages von S 300.000,-- als Honorar, mit dem Restbetrag von S 250.000,-- jedoch als Fremdgeld verbucht hatte. Aus dem Umstand, daß die betroffenen Klienten, ein Ehepaar, der Beschwerdeführerin am 26. Mai 1988 und am 27. Juli 1988 die schriftliche Ermächtigung erteilt hatten, ihr gesamtes Honorar, das auch den Restbetrag von S 250.000,-- mitumfaßt hatte, aus einem auf einem Treuhandkonto erliegenden Betrag abzudecken, folgerte der Prüfer den Zufluß auch des als Fremdgeld verbuchten Teilbetrages von S 250.000,-- mit dem Zeitpunkt der Überweisung des gesamten Treuhandgeldes auf das betriebliche Bankkonto der Beschwerdeführerin. Daß diese Klienten am 5. Oktober 1988 bei der Rechtsanwaltskammer um Überprüfung des Honorars der Beschwerdeführerin ersucht haben, könne am Zeitpunkt des Zufließens nichts mehr ändern.

Das Finanzamt erließ, der Auffassung des Betriebsprüfers folgend, im wiederaufgenommenen Verfahren Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für das Jahr 1988, in denen es den als Fremdgeld gebuchten Betrag von S 250.000,-- einnahmenerhöhend berücksichtigte und ihn im Streitjahr auch der Umsatzsteuer unterzog.

Gegen den Einkommensteuerbescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie geltend machte, bis zum Abschluß der Honorarüberprüfung durch die Rechtsanwaltskammer über den als Fremdgeld gebuchten Betrag nicht verfügungsberechtigt gewesen zu sein. Sie habe die auf dem Treuhandkonto eingelangte Kaufpreissumme über Auftrag ihrer Klienten zunächst als Parteiengeld auf ihr gemischtes Giro- und Parteiengeldkonto überwiesen. Ihre sodann gelegten Honorarnoten seien nach Grund und Höhe von den Klienten bestritten worden, welche bei der Rechtsanwaltskammer eine Prüfung der Honorarnoten verlangt hätten. Über Anraten des für Kostenfragen zuständigen Kammeranwaltes habe sie daraufhin nur den von den Klienten unbestritten gebliebenen Betrag als Honorar vereinnahmt und den Restbetrag von S 250.000,-- als Parteiengeld verzinst liegen lassen. Bis zum Abschluß der Überprüfung durch die Rechtsanwaltskammer im Februar 1989 habe sie über dieses Geld nicht verfügt und es erst zu jenem Zeitpunkt in ihren Büchern als Honorar vereinnahmt, als ihr Bescheid durch die Rechtsanwaltskammer zugegangen sei, daß diese Honorarforderung gerechtfertigt sei. Wenn sie es aus Gründen ihrer Standesehre unterlassen habe, den strittigen Betrag gemäß § 19 Abs. 3 RAO gerichtlich zu erlegen, könne dies angesichts der von ihr gepflogenen säuberlichen buchhalterischen Trennung von Fremd- und Eigengeldern auf ihren Konten nichts daran ändern, daß sie wirtschaftlich über den umstrittenen Betrag nicht verfügungsberechtigt gewesen sei; mit einer tatsächlichen Verfügung über diesen Betrag hätte sie sich eines Standesvergehens schuldig gemacht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte die Behörde aus, daß auf Grund des Schreibens der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 24. Februar 1987 (gemeint offenbar: "1989") feststehe, daß die Klienten der Beschwerdeführerin dieser am 26. Mai 1988 schriftlich ihr Einverständnis erteilt hätten, das gesamte Honorar aus einem auf einem Treuhandkonto erliegenden Betrag abzudecken. Dieses Einverständnis sei darüber hinaus mit dem Wissen erfolgt, daß von der Beschwerdeführerin bis zu diesem Zeitpunkt Honorare im Betrage von rund S 950.000,-- verzeichnet worden seien. Sei nun die Beschwerdeführerin ermächtigt gewesen, zur Begleichung ihrer Honorarforderungen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung über den Treuhandbetrag zu verfügen, also auch eine Überweisung auf ihr betriebliches Girokonto vorzunehmen, so müsse von einem Zufluß im Sinne der steuerrechtlichen Vorschriften bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Zustimmungserklärung ausgegangen werden. Diese Zustimmungserklärung der Klienten der Beschwerdeführerin habe dieser nämlich die rechtliche Dispositionsbefugnis über den Gesamtbetrag der auf dem Treuhandkonto erliegenden Summe eingeräumt, sodaß sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung über dieses Geld verfügen habe können. Seien doch die Tatbestandsmerkmale eines steuerlich beachtlichen Zuflusses auch dann schon als erfüllt anzusehen, wenn der präsumtive Empfänger der Leistung in die Lage versetzt sei, den Leistungserfolg selbst ohne weiteres Zutun des im übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen. Daß die von der Beschwerdeführerin gelegte Honorarnote schließlich von ihren Klienten nicht anerkannt worden sei, könne an der Tatsache des bereits erfolgten Zuflusses nichts mehr ändern. Hätte die Beschwerdeführerin nach dem Ergebnis der Überprüfung ihrer Honorarnote durch die Rechtsanwaltskammer einen Teil der ihr zugegangenen Gelder wieder zurückgewähren müssen, so hätte dieser Umstand lediglich einen Abfluß bewirkt, auf den bereits erfolgten Zufluß aber nicht mehr Auswirkung nehmen können. Anders wäre der Sachverhalt lediglich zu beurteilen gewesen, wenn die Beschwerdeführerin den bestrittenen Betrag im Jahre 1988 gemäß § 19 Abs. 3 RAO gerichtlich hinterlegt hätte, in welchem Falle die Beschwerdeführerin die tatsächliche wirtschaftliche Verfügungsmöglichkeit aufgegeben hätte, sodaß der Betriebseinnahme von ursprünglich S 550.000,-- eine in späterer Folge betrieblich veranlaßte Ausgabe in Höhe von S 250.000,-- gegenübergestanden wäre. Einer solchen gerichtlichen Hinterlegung könne der Ausweis des strittigen Betrages als Parteiengeld in den Aufzeichnungen der Beschwerdeführerin aber nicht gleichgehalten werden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 1. Oktober 1991, B 860/91-3, die Behandlung der Beschwerde jedoch ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. In ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Beschwerdeergänzung beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und zur Beschwerdeergänzung eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie schon im Verwaltungsverfahren vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, die belangte Behörde hätte den umstrittenen Betrag im Jahre 1988 zu Unrecht als Betriebseinnahme behandelt, weil dieser Geldposten bis zur Beendigung des Honorarüberprüfungsverfahrens der Rechtsanwaltskammer in ihren Büchern als Fremdgeld geführt worden sei, was zum Ausweis dieses Betrages als durchlaufenden Posten nach dem hg. Erkenntnis vom 14. November 1990, 90/13/0104, ausreichen müsse. Daß ihre Klienten zunächst damit einverstanden gewesen seien, daß sie ihr Honorar aus dem Parteiengeld abdecke, könne an der Qualifikation des als Fremdgeld gebuchten Betrages als durchlaufender Posten deswegen nichts ändern, weil ihre Klienten dieses Einverständnis nun einmal nachträglich zurückgezogen und ein Überprüfungsverfahren eingeleitet hätten. Daraus gehe hervor, daß ihre Klienten eben nicht leistungsbereit im Sinne der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung gewesen seien, sondern den als Fremdgeld gebuchten Teilbetrag für sich beansprucht hätten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis vom 14. November 1990, 90/13/0104, ausgesprochen hat, sind Gelder, welche ein Rechtsanwalt für seinen Klienten übernimmt, auch dann als durchlaufende Posten anzusehen, wenn der Rechtsanwalt eine von den eigenen Mitteln gesonderte Verwahrung des durchlaufenden Betrages nicht vornimmt, soferne nur die Tatsache der Vereinnahmung im Namen und für Rechnung des Klienten als erwiesen angesehen werden kann, was etwa der Fall ist, wenn Aufzeichnungen vorliegen, welche die entsprechenden Beträge exakt festhalten. Daß diese Voraussetzungen bei der Beschwerdeführerin vorgelegen haben, bestreitet die Behörde nicht; sie vermeint aber, die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Buchung des umstrittenen Teilbetrages als Fremdgeld könne nichts daran ändern, daß dieser Betrag nach Lage des Falles als vereinnahmtes Honorar und damit Betriebseinnahme anzusehen sei. Diesem Standpunkt der Behörde ist insoweit beizutreten, als es für die Eigenschaft eines auf dem betrieblichen Konto eines Rechtsanwaltes erliegenden Betrages auf die Art der Verbuchung als Fremd- oder Eigengeld für sich allein gewiß nicht ankommt.

Streitentscheidend ist damit die Frage, ob der von der Beschwerdeführerin als Fremdgeld gebuchte Betrag von S 250.000,-- tatsächlich, wie die Behörde meint, als vereinnahmtes Honorar angesehen werden kann. Die Behörde leitet diese ihre rechtliche Beurteilung aus dem Umstand ab, die Klienten der Beschwerdeführerin hätten ihr Einverständnis erklärt, daß die Beschwerdeführerin ihr gesamtes Honorar aus einem auf einem Treuhandkonto erliegenden Betrag abdecke. Für die Beurteilung der Richtigkeit dieser behördlichen Schlußfolgerung fehlen allerdings rechtserhebliche Feststellungen im angefochtenen Bescheid.

Bedarf es zur Wirksamkeit der Aufrechnung nach Lehre und Rechtsprechung einer auf Herbeiführung der Aufrechnungswirkungen gerichteten Willenserklärung (vgl. Rummel in Rummel, Rz. 11 und 12 zu § 1438 ABGB mit weiteren Nachweisen), so setzt die Beurteilung des Erklärungswertes der von den Klienten der Beschwerdeführerin erteilten "Ermächtigungen" zur Verwendung ihnen zustehender Beträge als Honorar unerläßlich die Kenntnis zum einen des Wortlautes dieser Erklärungen und zum anderen des der Beschwerdeführerin bekannten Informationsstandes ihrer Klienten zum Zeitpunkt der Abgabe deren Erklärungen voraus. Nur dann, wenn die Klienten der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt ihrer Bekundungen über den Gesamtbetrag der auf sie zukommenden Honorarforderung aufgeklärt gewesen wären, hätte die Beschwerdeführerin diese Bekundungen ihrer Mandanten als Aufrechnungserklärung im Sinne des § 1438 ABGB verstehen dürfen, was verneinendenfalls auch noch für den Fall gegolten hätte, daß den "Ermächtigungen" der Mandanten ihrem Erklärungswert nach der unbedingte rechtsgeschäftliche Wille zu entnehmen war, mit ihren Ansprüchen aus der Verwahrung ihrer Gelder durch die Beschwerdeführerin gegen deren Honorarforderung auch in Unkenntnis ihrer Höhe aufzurechnen. Andernfalls hätten die von den Klienten abgegebenen Erklärungen für die Beschwerdeführerin nur die Einladung bedeuten können, ihrerseits entgegen der Bestimmung des § 1440 zweiter Satz ABGB mit ihren Honoraransprüchen gegen die Ansprüche der Klienten aus der Verwahrung ihrer Gelder aufzurechnen. Hatte die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der am 28. Oktober 1988 erfolgten Überweisung des Betrages auf ihr betriebliches Konto aber von der Tatsache der Bestreitung ihrer Forderung durch ihre Klienten schon Kenntnis, wie sie dies in ihrer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde vorgebracht hat, mußte sich der Versuch einer damit erfolgten Aufrechnung durch die Beschwerdeführerin schon aus dem Grunde des § 19 Abs. 3 RAO in Verbindung mit § 1440 zweiter Satz ABGB abgesehen davon verbieten, daß es der Aktenlage nach an einem Hinweis für eine von der Beschwerdeführerin abgegebene Aufrechnungserklärung fehlt.

Ließen Wortlaut und Verständnishintergrund der von den Klienten der Beschwerdeführerin erteilten Ermächtigungen ein Verständnis rechtsgeschäftlichen Aufrechnungswillens nicht zu, dann könnte der aus der Gelderverwahrung erfließende Anspruch der Mandanten der Beschwerdeführerin auch nicht untergegangen sein. Daraus folgte, daß die Beschwerdeführerin in diesem Fall den umstrittenen Betrag mit Recht als Fremdgeld gebucht und die von der Judikatur geforderte rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. Oktober 1988, 84/13/0044, und vom 20. Juni 1990, 89/13/0202) nicht erlangt hätte. Sollte die Honorarforderung der Beschwerdeführerin im strittigen Umfang nicht, wie dargestellt, im Aufrechnungswege untergegangen sein, so hätte sie mit Sicherheit ab Kenntnis der Bestreitung ihrer Honorarforderung durch ihre Klienten vom Vorhandensein der Leistungsbereitschaft ihrer Schuldner nicht mehr ausgehen können. Sie hätte den Betrag von S 250.000,-- zu Recht als durchlaufenden Posten angesehen.

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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