VwGH 91/12/0243

VwGH91/12/024316.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des J in R, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. August 1991, Zl. PersR-526598/2-1991/Ob, betreffend Anrechnung von Zeiten für die Ruhegenußbemessung gemäß § 9 des Pensionsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §52;
AVG §60;
PG 1965 §9 Abs1;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §52;
AVG §60;
PG 1965 §9 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der am 6. März 1935 geborene Beschwerdeführer steht als wirklicher Amtsrat in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Oberösterreich. Über sein Ansuchen vom 10. Februar 1986 wurde er mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Juni 1986 gemäß § 75 Abs. 1 der als Landesvorschrift geltenden Dienstpragmatik in Verbindung mit § 45j des ebenfalls als Landesvorschrift geltenden Gehaltsüberleitungsgesetzes mit Ablauf des 30. Juni 1986 in den zeitlichen Ruhestand versetzt.

Mit Schreiben vom 1. Juli 1991 beantragte der Beschwerdeführer seine Versetzung in den dauernden Ruhestand ab 2. Juli 1991. Darüber hinaus stellte er jedoch den Antrag, unter Anwendung des § 9 des Pensionsgesetzes 1965 in der derzeit geltenden Fassung "zur bereits ermittelten Gesamtdienstzeit von 32 Jahren noch drei weitere Jahre ab 2. Juli 1988 (Versetzung in den zeitlichen Ruhestand) anzurechnen und den sich aus der bisherigen Minderzahlung ergebenden Differenzbetrag von S 55.398,-- samt stufenweisen Zinsen an ihn zur Auszahlung zu bringen".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer "mit sofortiger Wirkung" in den dauernden Ruhestand versetzt (Spruchpunkt I) und sein Antrag auf Zurechnung von drei Jahren zur ruhegenußfähigen Landesdienstzeit abgewiesen (Spruchpunkt II). In der Begründung zum Spruchpunkt II wurde von der belangten Behörde folgendes ausgeführt:

"Sie suchten am 10. Februar 1986 um Versetzung in den zeitlichen Ruhestand unter Anwendung des § 9 Pensionsgesetz bei der Festsetzung der Ruhegenußbemessungsgrundlage an. Sie begründeten den Antrag mit gesundheitlichen Gründen, die bewirkten, daß Sie Ihren Dienstposten nicht mehr ordnungsgemäß versehen könnten. Die Dienstbehörde holte daraufhin ein amtsärztliches Gutachten der Abteilung Sanitätsdienst des Amtes der Landesregierung ein. Das Resümee des Gutachtens lautete darauf, daß eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen nicht gerechtfertigt sei. Bei der Erstellung des Gutachtens wurden auch Befunde eines Facharztes für Orthopädie und eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie eingeholt. Die Dienstbehörde setzte sich mit der Frage Ihrer Dienstfähigkeit jedoch pflichtgemäß selbst auseinander und gelangte zu einem abweichenden Ergebnis; Sie wurden auf Grund dessen mit Bescheid vom 10. Juni 1986 gemäß § 75 Abs. 1 der Dienstpragmatik in Verbindung mit § 45j des Gehaltsüberleitungsgesetzes, beide in der als Landesvorschrift geltenden Fassung, in den zeitlichen Ruhestand versetzt. Wenn auch die amtsärztlichen Feststellungen gerade noch eine Versetzung in den Ruhestand begründen konnten, so war ihnen doch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß Sie zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden wären; die Anwendung des § 9 Abs. 1 des als landesgesetzliche Vorschrift geltenden Pensionsgesetzes war daher nicht am Platz. Diese Umstände wurden Ihnen am 21. Mai 1986, als Sie sich telefonisch in der Personalabteilung nach dem Stand Ihrer Angelegenheit erkundigten, mitgeteilt. Sie erklärten in diesem Gespräch ausdrücklich, daß Sie im Falle Ihrer Versetzung in den zeitlichen Ruhestand das Ansuchen um Zurechnung von Jahren gemäß § 9 des Pensionsgesetzes zurückziehen. Der Inhalt des Gespräches wurde in einem Aktenvermerk festgehalten. Eine besondere Form für die Erklärung ist nicht erforderlich; dazu ist auf § 13 AVG hinzuweisen. Auf Grund dessen hatte sich der Bescheid auf diesen Teil Ihres Antrages nicht mehr zu beziehen. Über fünf Jahre unternahmen (Sie) nichts, um dieses Anliegen zu verfolgen. Ein Schreiben entsprechend der Kopie, die Sie nunmehr vorlegen, und in dem Sie in äußerst widersprüchlicher Weise Ihre Erklärung vom 21. Mai 1986 kommentieren, ist weder bei der Personalabteilung und noch bei dem Beamten, an den es persönlich gerichtet war, eingelangt. Es konnte daher nicht berücksichtigt werden und gibt heute keinen Anlaß zu einer neuen Verfügung.

Die von Ihnen jetzt erst vorgelegten Facharztbefunde aus den Jahren 1985 und 1986 ergeben keinen Grund, neuerlich in die Sache einzugehen. Abgesehen davon, daß Sie sie, wenn es Ihnen seinerzeit dienlich erschienen wäre, jederzeit vorlegen hätten können, hat die Amtsärztin, die seinerzeit das Gutachten erstellte, ohnehin Befunde einschlägiger Fachärzte eingeholt und berücksichtigt."

Gegen den Spruchpunkt II dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 lit. a der 8. Ergänzung zum

O.Ö. Landesbeamten-Pensionsgesetz, LGBl. Nr. 333/1986, gelten ab 1. März 1985 für Landesbeamte Art. I Z. 1, 2, 4-6, 8-39, 45-49 und 52 sowie Art. II Abs. 1-4 der 8. Pensionsgesetznovelle, BGBl. Nr. 426/1985, sinngemäß.

§ 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 in der Fassung des Art. I Z. 4 der 8. Pensionsgesetznovelle lautet:

"Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm seine oberste Dienstbehörde aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre, zu seiner ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen."

Da der Beschwerdeführer bereits in seinem Antrag auf Versetzung in den zeitlichen Ruhestand um Anwendung des § 9 Pensionsgesetz bei der Festsetzung der Ruhegenußbemessungsgrundlage angesucht hatte, wurde nicht nur um amtsärztliche Feststellung ersucht, ob die Versetzung des Beschwerdeführers in den zeitlichen Ruhestand medizinischerseits gerechtfertigt erscheine, sondern auch um Prüfung, ob der Beschwerdeführer tatsächlich zu einem zumutbaren Erwerb unfähig sei. Am 5. Mai 1986 gab die Amtsärztin Dr. Z dazu folgende Stellungnahme ab:

"Herr wirkl. Amtsrat J erschien am 3.4.1986 und am 2.5.1986 auf Vorladung zur amtsärztlichen Untersuchung. Zusätzlich wurden die Befunde eines Facharztes für Orthopädie (Dr. M, W) und eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie (Dr. S, W) eingeholt.

Bei Herrn J finden sich deutliche degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit entsprechenden Beschwerden (Lumbalgie mit Ischialbeschwerden, Zervicobrachealgie, Kopfschmerzen), ein Knicksenkfuß, eine Beinverkürzung, Übergewicht sowie eine Psycholabilität.

Auf Grund des Befundes des Facharztes für Orthopädie sind eine Gewichtsreduktion, das Tragen eines Schuhausgleiches bei entsprechenden Schuhen sowie vor allem regelmäßige physikalische Maßnahmen erforderlich. Am 24.4.1986 wurde auch telefonische Rücksprache mit dem Facharzt für Orthopädie gehalten. Nach seiner Auskunft wurde ein physikotherapeutisches Behandlungsprogramm erstellt, welches unbedingt in Anspruch genommen werden sollte.

Auf Grund der vorhandenen Veränderungen sind sicher Beschwerden vorhanden und regelmäßige physikotherapeutische (Massagen, Bestrahlungen, ...), die bis jetzt nicht durchgeführt worden waren, werden erforderlich sein. Eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand ist aus gesundheitlichen Gründen jedoch nicht gerechtfertigt, was auf telefonische Anfrage auch vom Facharzt für Orthopädie bestätigt wurde."

Eine konkrete medizinische Auseinandersetzung, welche Bedeutung bzw. Behinderung durch die festgestellten Gesundheitsschäden gegeben ist, die Grundlage für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seiner Versetzung in den zeitlichen Ruhestand hätte sein können, enthält diese Stellungnahme nicht; ganz abgesehen davon, daß das Gutachten insgesamt den vom Verwaltungsgerichtshof bereits in ständiger Judikatur entwickelten Kriterien (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1984, Zl. 81/10/0098, vom 9. Dezember 1983, Zl. 82/02/0027) nicht entspricht. Die entgegen dem medizinischen Kalkül von der belangten Behörde ausgesprochene Versetzung des Beschwerdeführers in den zeitlichen Ruhestand ändert aber nichts daran, daß die Frage nach der Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz unbeantwortet geblieben ist. Die belangte Behörde hätte vielmehr auf Grund eines nachvollziehbaren und schlüssigen Sachverständigengutachtens festzustellen gehabt, welche Erwerbstätigkeiten (Berufe) der Beamte auf Grund der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch hätte ausüben können. Dies setzte aber eine berufskundliche Beurteilung voraus und müßte ausreichend, das ist in einer die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglichenden Art und Weise, begründet werden (vgl. hg. Erkenntnisse vom 20. September 1988, Zl. 86/12/0114 und Zl. 88/12/0021). Dabei ist von jenem Zustand auszugehen, der beim Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung bestanden hat (vgl. hg. Erkenntnisse vom 30. Oktober 1985, Zl. 85/01/0167 und vom 29. Februar 1988, Zl. 87/12/0170).

Die Behörde hat jedoch ein Eingehen auf die konkreten Darlegungen des Beschwerdeführers zu seinem Leidenszustand mit dem Hinweis abgelehnt,

1. es läge bereits ein ausreichendes amtsärztliches Gutachten vor - was im aufgezeigten Sinne unzutreffend war - und

2. der Beschwerdeführer habe sein Ansuchen auf Anwendung des § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 zurückgezogen. Auch der Beschwerdeführer geht auf dieses von der belangten Behörde herangezogene zweite Argument weitwendig und unter Beifügen weiterer Urkunden ein.

Festzustellen ist zunächst dazu, daß die Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG grundsätzlich amtswegig vorzunehmen ist. Die Behörde hätte daher - unabhängig von einer allfälligen Zurückziehung des Antrages - von Amts wegen das Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 9 Pensionsgesetz zu prüfen und bei deren Vorliegen eine den Rechtsanspruch des Beschwerdeführers zu bejahende Entscheidung zu fällen gehabt.

Da die belangte Behörde aus den dargelegten Gründen ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens war auszusprechen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden kann (vgl. hg. Erkenntnisse vom 20. September 1983, Zl. 83/07/0182 und vom 17. April 1985, Zl. 83/01/0314).

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