VwGH 91/12/0024

VwGH91/12/002419.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden VizepräsidentDr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herbert, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des Dr. NN in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 15. November 1990, Zl. 248.504/4-III/19/90, betreffend Vorrückungsstichtag (Anrechnung von Vordienstzeiten gemäß § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956), zu Recht erkannt:

Normen

GehG 1956 §12 Abs3;
GehG 1956 §12 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Professor (Lehrer der Verwendungsgruppe L1) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, das am 1. Juni 1988 begründet wurde. Vorher (ab 1. Jänner 1987) war er Vertragsbediensteter des Bundes an der Fremdenverkehrsschule der Wiener Handelskammer, die nach Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses seine Dienststelle wurde.

Anläßlich seiner Ernennung bestimmte der Stadtschulrat für Wien mit Bescheid vom 22. Februar 1990 den 1. März 1971 als Vorrückungsstichtag.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er vorbrachte, der erstinstanzliche Bescheid erledige die Anträge nicht abschließend, ohne daß aus dem Spruch erkenntlich wäre, welcher Teil als zurück- oder abgewiesen anzusehen sei. Aus dem Beiblatt, auf das die Begründung des Bescheides verweise, sei eine materielle Entscheidung in der Richtung zu erkennen, daß vom Antrag des Beschwerdeführers jene Zeiten nur im halben Ausmaß angerechnet worden seien, die dort mit "h" bezeichnet seien, doch sei die Abweisung nicht begründet worden. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens stützte der Beschwerdeführer seine Berufung insbesondere auf die Z. 7 seines Antrages im Erhebungsbogen, nachdem er mit Erledigung der belangten Behörde vom 9. Juli 1990 aufgefordert worden war, seine Berufung zu konkretisieren und zu detaillieren. Dieser Antrag des Beschwerdeführers vom 27. November 1989 lautet:

"Mit Rücksicht auf die ursprüngliche LAPr. (alte A) und der mittlerweile abgeschlossenen Zusatzqualifikationen, die in Kürze zur faktischen Ergänzung führen werden (alte B) und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß ich für ein entsprechendes Fach (Staatsbürgerkunde) eingesetzt werde, womit das öffentliche Interesse bescheinigt ist, stelle ich den Antrag, gemäß § 12 Abs. 3 GG 6 Semester aus den Zeiten vor dem 1.2.76 voll voranzusetzen."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. In der Bescheidbegründung wurden nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer sei ab Beginn des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses (1. Juni 1988) in den kaufmännischen Unterrichtsgegenständen "Betriebswirtschaftslehre des Reisebüros" und "Fremdenverkehrslehre" verwendet worden. Seine Verwendung habe für das Schuljahr 1987/88 6 Wochenstunden des erstgenannten Unterrichtsgegenstandes und 18 Wochenstunden des zweitgenannten, im Schuljahr 1988/89 12 Wochenstunden des erstgenannten und 18 Wochenstunden des zweitgenannten Unterrichtsgegenstandes umfaßt. Im Schuljahr 1989/90 habe der Beschwerdeführer 6 Wochenstunden "Betriebswirtschaftslehre des Reisebüros", 16 Wochenstunden "Fremdenverkehrslehre", 6 Wochenstunden "Rechnen und Kalkulation" sowie 2 Wochenstunden "Staatsbürgerkunde" unterrichtet. Die Ernennungserfordernisse habe der Beschwerdeführer durch Ablegung der Reifeprüfung am 18. Juni 1963 sowie durch Ablegung der Lehrbefähigungsprüfung für das Lehramt an mittleren und höheren kaufmännischen Schulen (Fachgruppe A) vom 14. Mai 1976 für die Verwendungsgruppe L1, Dienstzweig Nr. 18 der Lehrerdienstzweigeordnung (§ 188 Abs. 1 BDG 1979 und Anlage 1 zu diesem Gesetz in der damals geltenden Fassung) erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 komme es bei der Beurteilung der Voraussetzungen auf den Zeitpunkt der Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis an. Der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Ernennung ausschließlich in kaufmännischen Fächern eingesetzt worden. Erst im Schuljahr 1989/90 habe er darüber hinaus zwei Stunden Staatsbürgerkunde unterrichtet. Da der Beschwerdeführer erst im Laufe des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund im Gegenstand Staatsbürgerkunde eingesetzt worden sei, komme seinen an der Wirtschaftsuniversität betriebenen Studien keine besondere Bedeutung für seine dienstliche Tätigkeit zu. Selbst wenn man der Argumentation des Beschwerdeführers folge, wäre für ihn nichts zu gewinnen, weil der Gegenstand "Staatsbürgerkunde" nur im Ausmaß von zwei Wochenstunden gegenüber dem sonstigen Beschäftigungsausmaß von achtundzwanzig Wochenstunden in den Hintergrund träte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Im vorliegenden Fall ist ausschließlich strittig, ob die Studienzeiten des Beschwerdeführers an der Hochschule für Welthandel Wien vor dem 1. Februar 1976 im Ausmaß von sechs Semestern gemäß § 12 Abs. 3 erster Satz des Gehaltsgesetzes 1956, bei Festsetzung des Vorrückungsstichtages zur Gänze anzurechnen sind oder nicht.

Nach dieser Gesetzesstelle können Zeiten gemäß § 12 Abs. 1 lit. b, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, mit Zustimmung des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Finanzen im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof hiezu in ständiger Rechtsprechung erkennt, kommt einer Vortätigkeit besondere Bedeutung dann zu, wenn sie für einen Verwendungserfolg ursächlich ist, der anderenfalls nur in einem beträchtlich geringerem Ausmaß eingetreten wäre. Diese Prüfung ist auf den Zeitpunkt der Anstellung des Beamten und auf die Tätigkeit abzustellen, die der Beamte bei Eintritt des Dienstes auszuüben hatte (vgl. u.a. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1973, Zl. 1183/72, Slg. N.F. Nr. 8393/A, vom 15. April 1985, Zl. 84/12/0145).

Da die Anrechnung nach § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 einerseits möglichst am Beginn des Dienstverhältnisses erfolgen soll, andererseits aber doch ein gewisser Beobachtungszeitraum notwendig sein kann, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß der Beurteilung der Frage der besonderen Bedeutung für die erfolgreiche Verwendung grundsätzlich nicht mehr als der Zeitraum eines halben Jahres nach Beginn des Dienstverhältnisses zugrundezulegen ist. Dadurch ist der Behörde ein angemessener Zeitraum eingeräumt, um die Einsetzbarkeit und die Qualität der Leistung des Beamten dahin zu prüfen, ob im öffentlichen Interesse vom Ermessen positiv Gebrauch zu machen ist (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1988, Zl. 87/12/0035, und vom 23. September 1991, Zl. 90/12/0118).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist im Beschwerdefall die Vollanrechnung von Zeiten, die für die juridische Ausbildung des Beschwerdeführers Bedeutung hatten, wie sie der Beschwerdeführer in seinem Antrag angestrebt hat, ausgeschlossen. Nach dem unbestrittenen und durch die Aktenlage bestätigten Sachverhalt, hat der Beschwerdeführer innerhalb des ersten halben Jahres nach Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses keine Unterrichtsleistung in dem juridischen Fach "Staatsbürgerschaftskunde" erbracht.

Der Unterrichtsgegenstand "Fremdenverkehrslehre" ist aber nicht als juridisches Fach anzusehen, was sich schon aus der Fachbezeichnung allein begrifflich ergibt. Dies wird durch die Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 10. August 1982, BGBl. Nr. 519, mit der die Verordnung über die Lehrpläne für Höhere technische und gewerbliche Lehranstalten und ihre Sonderformen geändert wurde, sowie die Festsetzung der Lehrverpflichtungs-Gruppen neuer Unterrichtsgegenstände erfolgte, bestätigt.

Der Gegenstand Fremdenverkehrslehre wird nach der Anlage zu dieser Verordnung (BGBl. S.2313 Punkt 14) wie folgt bestimmt:

"14. FREMDENVERKEHRSLEHRE

Bildungs- und Lehraufgabe:

Entwicklung des Verständnisses für die Grundlagen sowie für die kulturelle, soziale, politische und wirtschaftliche Bedeutung des Fremdenverkehrs.

Vermittlung von Kenntnissen über die Einrichtungen, Betriebe und Organisationen der Fremdenverkehrswirtschaft auf kommunaler, regionaler, überregionaler und internationaler Ebene.

Anleitung zum Lösen von Aufgaben und Setzen von Maßnahmen

der Fremdenverkehrspolitik.

Lehrstoff:

IV. JAHRGANG (2 Wochenstunden):

Grundlagen des Fremdenverkehrs: Begriffe, Entwicklung, Motive, Arten und Formen.

Voraussetzungen für den Fremdenverkehr: Natur, Kultur, Infra- und touristische Suprastruktur.

Aufgaben, Ziele, Betriebe und Einrichtungen der Fremdenverkehrswirtschaft, Kooperation.

Kulturelle, soziale, wirtschaftliche und politische Bedeutung des Fremdenverkehrs.

Fremdenverkehrsort, Fremdenverkehrsregion: rechtliche Grundlagen, Organisation, Verwaltung, Einrichtungen und Aufgaben, Marketing.

V. JAHRGANG (2 Wochenstunden):

Städtetourismus: Bedeutung und Stellung im österreichischen

Fremdenverkehr, rechtliche Grundlagen, Heilvorkommen. Kurort:

Voraussetzungen, Organisation und Verwaltung, Einrichtungen, Marketing.

Kongresse und kulturelle Veranstaltungen im Tourismus:

Einrichtungen, Organisation und Verwaltung. Ausflugsverkehr.

Rechtliche Grundlagen des Fremdenverkehrs auf Bundes- und Landesebene. Fremdenverkehrspolitik: Aufgaben, Ziele, Maßnahmen. Öffentiche und private Fremdenverkehrseinrichtungen auf überregionaler und internationaler Ebene.

Fremdenverkehrsförderung. Fremdenverkehrsstatistik. Aus- und Weiterbildung, Arbeitsmarkt. Entwicklungstendenzen und Probleme des nationalen und internationalen Fremdenverkehrs."

Weder aus der Bildungs- und Lehraufgabe dieses Gegenstandes noch nach dem Lehrstoff handelt es sich demnach um ein "juridisches Fach", wie der Beschwerdeführer vermeint. Auch wenn unter anderem die rechtlichen Grundlagen des Fremdenverkehrs zu unterrichten sind, so handelt es sich dennoch im wesentlichen nicht um einen juridischen Gegenstand, weil durch die Darstellung von "rechtlichen Grundlagen" eines Faches dieses nicht als "juridisches" anzusehen ist.

Wenn auch dem Beschwerdeführer in diesem eingegrenzten Umfang seine juristischen Kenntnisse bei der Vermittlung des Lehrinhaltes zugute kommen mögen, so ist daraus für ihn nichts zu gewinnen, weil diese eingeschränkte Bedeutung nicht als "besondere Bedeutung" im Sinne des § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 nach den Grundsätzen der dargestellten Judikatur anzuerkennen ist.

Geht man von dieser Rechtslage aus, so erweist sich auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers als unbegründet, weil nicht zu erkennen ist, daß die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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