Normen
KDV 1967 §30 Abs1 Z1;
KDV 1967 §30 Abs1 Z2 litc;
KDV 1967 §30 Abs1 Z3;
KDV 1967 §30 Abs1;
KDV 1967 §31a Abs2;
KDV 1967 §31a;
KDV 1967 §34;
KDV 1967 §35;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §69 Abs1 litb;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;
KDV 1967 §30 Abs1 Z1;
KDV 1967 §30 Abs1 Z2 litc;
KDV 1967 §30 Abs1 Z3;
KDV 1967 §30 Abs1;
KDV 1967 §31a Abs2;
KDV 1967 §31a;
KDV 1967 §34;
KDV 1967 §35;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §69 Abs1 litb;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 2. August 1991 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die ihm erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G "zeitlich auf ein halbes Jahr eingeschränkt, und zwar gerechnet ab Ausstellung des ärztlichen Gutachtens bis 20.9.1991".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides sowohl auf das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte amtsärztliche Gutachten vom 20. März 1991 (samt einem ihm zugrundeliegenden Befund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie) als auch auf das Gutachten ihres Amtssachverständigen vom 13. Juli 1991, die übereinstimmend zur Auffassung gelangt seien, daß im Hinblick auf das Alter des Beschwerdeführers eine amtsärztliche Kontrolle alle sechs Monate "unabdinglich" sei, bezogen. Die Behörde könne sich bei ihrer Entscheidung nur auf die Gutachten der Sachverständigen verlassen, da die Lösung medizinischer Fragen nicht von Laien beantwortet werden könne. Die von den ärztlichen Sachverständigen erstellten Gutachten seien widerspruchsfrei, in sich schlüssig und übereinstimmend. Da die Möglichkeit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit der möglichen Folge des Wegfalls der körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bei Personen, die das 80. Lebensjahr überschritten haben, nicht ausgeschlossen werden könne, liege es daher im Interesse der Verkehrssicherheit, die Lenkerberechtigung zu befristen und die positive Beurteilung der Eignung zum Lenken über den betreffenden Zeitraum hinaus vom Ergebnis einer Nachuntersuchung abhängig zu machen. Damit hat aber die belangte Behörde - wie der Beschwerdeführer richtig erkannt hat - die Rechtslage verkannt.
Die von der belangten Behörde angewendete Bestimmung des § 73 Abs. 1 KFG 1967 räumt die Möglichkeit ein, eine aufrechte Lenkerberechtigung durch Befristungen einzuschränken, wenn die geistige und körperliche Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind. Ob dies der Fall ist, ist gemäß § 75 Abs. 2 in Verbindung mit § 67 Abs. 2 KFG 1967 zu beurteilen, wobei bejahendenfalls das ärztliche Gutachten gemäß § 69 Abs. 1 lit. b leg. cit. "bedingt geeignet" für die entsprechenden Gruppen zu lauten und Befristungen anzuführen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 89/11/0215, im Anschluß an die Wiedergabe der insoweit maßgeblichen Gesetzesmaterialien zur 7. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 631/1982, durch die die Möglichkeit einer derartigen Befristung geschaffen wurde (1093 Blg. NR XXV. GP, Seite 31), ausgeführt, daß die in Rede stehende Regelung des § 73 Abs. 1 KFG 1967 auf Fälle abstelle, in denen eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muß, dies bedeute, daß jedenfalls objektive Anzeichen für das Bestehen einer "Krankheit" vorliegen müssen, um unter Hinweis auf ihre "Natur" die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung begründen zu können, und dann aber, wenn nach dem ärztlichen Gutachten eine "Krankheit" nicht objektivierbar ist, schon begrifflich nicht von der Gefahr einer relevanten Verschlechterung derselben die Rede sein könne. Unter einer "Krankheit" im dargestellten Sinne ist zwar nicht nur eine psychische Krankheit oder geistige Behinderung (§§ 30 Abs. 1 Z. 1, 31 KDV 1967), die fehlende nötige Gesundheit (§§ 30 Abs. 1 Z. 2 lit. c, 34 KDV 1967) oder die mangelnde Freiheit von Gebrechen (§§ 30 Abs. 1 Z. 3, 35 KDV 1967), sondern insbesondere auch das Fehlen der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit oder der nötigen Bereitschaft zur Verkehrsanpassung (§§ 30 Abs. 1 zweiter Satz, 31a KDV 1967), bei denen es im erstgenannten Fall um den Mangel der geistigen und körperlichen Eignung, im zweitgenannten Fall lediglich um den Mangel der geistigen Eignung geht (vgl. dazu u. a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1991, Zl. 90/11/0143), zu verstehen. Das fortgeschrittene Lebensalter mit der Möglichkeit des Eintrittes einer solchen "Krankheit" stellt aber demnach für sich allein keinen hinreichenden Grund für eine Befristung der Lenkerberechtigung dar. Dafür spricht auch § 67 Abs. 2 letzter Satz KFG 1967 in Verbindung mit § 31a Abs. 1 KDV 1967, wonach der Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle im Hinblick auf das Lebensalter erforderlich sein kann, es aber einer derartigen Untersuchung mit dem abschließenden ärztlichen Gutachten gar nicht bedürfte, wenn es unabhängig vom Bestehen einer solchen "Krankheit" nur auf ein bestimmtes Lebensalter ankäme.
Die belangte Behörde hat das Vorliegen einer solchen "Krankheit" beim (82jährigen) Beschwerdeführer nicht angenommen, und es stünde eine derartige Feststellung auch nicht im Einklang mit den Verfahrensergebnissen. Der amtsärztliche Sachverständige der Erstbehörde hat zwar (beruhend auf dem psychiatrisch-neurologischen Befund) die Ansicht vertreten, daß beim Beschwerdeführer der "Verdacht auf hirnorganisch bedingte Entwicklung in Richtung Altersstarrsinn mit Einschränkung der geistig-psychischen Flexibilität" gegeben sei; doch wurde diesbezüglich - abgesehen davon, daß diese Aussage im Gutachten vom 13. Juli 1991 keinen Niederschlag gefunden und sich im übrigen die belangte Behörde gar nicht darauf gestützt hat - nur eine Vermutung ausgesprochen, wozu noch kommt, daß hiebei nicht begründet wurde, inwieweit sich eine solche "Krankheit" auf das Fahrverhalten des Beschwerdeführers im Sinne des § 30 Abs. 1 KDV 1967 auswirken würde. Im Gutachten vom 13. Juli 1991 wurde folgende Beurteilung abgegeben: "Herr B befindet sich in einem für sein Alter sehr rüstigen körperlichen und geistigen Zustand. Sowohl bei der amtsärztlichen Untersuchung wie auch im testpsychologischen Befund ... ergibt sich kein Hinweis auf einen Intelligenzdefizit bzw. eine Verlangsamung der Reaktionen, die das Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließen würden. Die Leistungsfähigkeit lag beim Test im Normbereich. Die visuelle Merkfähigkeit war altersentsprechend, bei Unsicherheitsgefühlen in der Testsituation gute Kontrolle und Organisation der Denkprozesse, gute Ganzheitserfassung und gute Formwahrnehmung. Kein Hinweis auf Merkfähigkeits- oder Gedächtnisstörungen. Trotz des zur Zeit sehr guten Befindens und der guten Testergebnisse ist es auf Grund des Alters empfehlenswert, die ... halbjährigen Kontrollen durchzuführen, da sich in diesem Alter der Gesundheitszustand und das psychische Befinden relativ rasch ändern können." Dadurch, daß die belangte Behörde auf Grund dessen eine Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers ausgesprochen hat, hat sie die bestehende Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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