VwGH 91/10/0232

VwGH91/10/023230.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 30. Juli 1991, Zl. 8.1 Ke 11/86, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteilige Parteien: 1) Agrargemeinschaft OLU II, z.H. A in LU; 2) S in L;

  1. 3) Besitzgemeinschaft R, z.H. G in L; 4) M in L;
  2. 5) Besitzgemeinschaft R, z.H. R in G; 6) W in L;
  3. 7) Agrargemeinschaft OLU I, z.H. S in L; 8) M in L; 9) MU in L; 10) AU in L; 11) G in N), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2 impl;
AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §19 Abs2;
ForstG 1975 §19 Abs4;
ForstG 1975 §19 Abs5;
ForstG 1975 §19 Abs6;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2 impl;
AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §19 Abs2;
ForstG 1975 §19 Abs4;
ForstG 1975 §19 Abs5;
ForstG 1975 §19 Abs6;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 30. Juli 1991 sprach die Bezirkshauptmannschaft Murau gemäß §§ 17 und 18 des Forstgesetzes 1975 (in der Folge: ForstG) aus, daß "den nachstehenden Waldeigentümern" - diese sind in der Begründung namentlich angeführt und nunmehr mitbeteiligte Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - die Bewilligung, Waldboden im Ausmaß von 53,3797 Hektar entsprechend dem mit einem Sichtvermerk versehenen Lageplan zum Zwecke der Ausübung des Wintersportes (Aufstiegshilfen und Abfahrtspisten bzw. Schiwege) unter Vorschreibung von zwei Auflagen zu roden.

Nach der Begründung habe die K-GmBH & Co KG am 3. Juni 1991 um die Rodungsbewilligung der bereits benutzten Waldgrundstücke zum Zwecke der Ausübung des Wintersportes im Schizentrum K-Berg angesucht. Bei der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 1991 sei festgestellt worden, daß den K-Bergbahnen mit Bescheid vom 12. Dezember 1975 und 21. November 1979 die befristete Rodung von Waldboden im Ausmaß von 41,66 Hektar erteilt worden sei. Da die Befristung abgelaufen sei und sich seit dieser Zeit in der gesamten Anlage Änderungen bzw. Erweiterungen ergeben hätten, sei ein neues Bewilligungsverfahren notwendig. Die endgültige Waldflächenbenützung für Pisten- bzw. Aufstiegshilfen und notwendige Betriebsgebäude sei aus dem beiliegenden Lageplan ersichtlich. Insgesamt bestünde die K-Bergseilbahnanlage aus:

"1. Sektion I - Sessellift (geplante Gondelbahnen) und Abfahrtspiste

  1. 2. Sektion II- Sessellift und Gondelbahn sowie Piste
  2. 3. Sektion III- Doppelschlepplift und Abfahrtspisten zur Sektion II bzw. R-Lift.
  3. 4. R-Lift - Schlepplift und Sesselbahn sowie die notwendige Abfahrtspisten und Verbindungsstrecken zur Sektion III
  4. 5. R-Lift (T-Lift) mit Abfahrtspiste, Verbindungsstrecke von Sektion II - Bergstation und Schiweg zur R-Lift - Talstation bzw. zur Abfahrtspiste der Sektion II."

Die beanspruchte Gesamtfläche ergebe sich daraus, daß zur befristeten Rodungsfläche im Ausmaß von 41,66 Hektar für die Abfahrt der Sektion I Waldflächen im Ausmaß von 10,2 Hektar sowie durch die Neuanlage des R-Liftes Waldflächen im Ausmaß von 1,54 Hektar beansprucht worden seien. Das Wintersportgebiet K-Berg habe nunmehr das erforderliche Größenausmaß erreicht, damit dem Fremdenverkehr ein ideales Sportzentrum zur Verfügung gestellt werden könne. In der Zukunft richteten sich die Aktivitäten in Richtung qualitativer Verbesserung, um mit anderen Wintersportzentren konkurrieren zu können. Die Bezirkshauptmannschaft Murau gebe in diesem Zusammenhang bekannt, daß sie weiteren Rodungsansuchen ablehnend gegenüberstehe.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 170 Abs. 8 ForstG gestützte Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft.

1.3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet. Die mitbeteiligten Parteien haben sich am Verfahren nicht beiteiligt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Die Forstbehörde kann aber gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt. Nach Abs. 3 können öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet sein.

Gemäß § 17 Abs.4 ForstG hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interesse im Sinne des Abs. 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen; ferner sind unter diesen Voraussetzungen die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

Nach § 19 Abs. 2 ForstG sind zur Einbringung eines Antrages auf Rodungsbewilligung berechtigt:

  1. a) der Waldeigentümer,
  2. b) die zur Wahrnehmung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2 Zuständigen,
  3. c) in den Fällen des § 20 Abs. 2 auch die Agrarbehörde,
  4. d) in den Fällen von Rodungen für Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung, Verteilung und Speicherung von Energieträgern die Unternehmungen, die solche Anlagen betreiben, soweit zu ihren Gunsten enteignet werden kann oder Leitungsrechte begründet werden können, vorbehaltlich der Zustimmung des gemäß lit. b Zuständigen,
  5. e) in den Fällen von Rodungen für Eisenbahnzwecke die Inhaber von Konzessionen gemäß § 17 des Eisenbahngesetzes, BGBl. Nr. 60/1957."

2.2. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten hat den gegenständlichen Antrag auf Rodungsbewilligung die K-GmbH & Co KG gestellt (vgl. das an die Bezirkshauptmannschaft Murau gerichtete Schreiben vom 3. Juni 1991). Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Rodungsbewilligung den Waldeigentümern erteilt. Diese haben jedoch einen Antrag nach § 19 Abs. 2 lit. a ForstG nicht gestellt; sie wurden im übrigen auch der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 1991 nicht beigezogen. An sie erfolgte jedoch die Zustellung des angefochtenen Bescheides.

Da die belangte Behörde somit die Rodungsbewilligung ohne Antrag des zur Antragstellung nach dem Forstgesetz Legitimierten erteilt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

2.3.1. Der Vollständigkeit halber sei auch darauf hingewiesen, daß die beschwerdeführende Amtspartei der belangten Behörde vorwirft, die gegenständliche Entscheidung lasse sowohl jegliche Auseinandersetzung mit einem öffentlichen Interesse an dem gegenständlichen Rodungsprojekt als auch mit den öffentlichen Interessen an der Walderhaltung und folglich jegliche Interessensabwägung vermissen.

2.3.2. Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

In einem Rodungsverfahren hat die Behörde zunächst zu klären, ob ein öffentliches Interesse an einer anderen - nämlich der von der Partei im Antrag angegebenen - Verwendung der betreffenden Waldfläche besteht. Zur Feststellung des öffentlichen Interesses an einer anderen Verwendung (im Beschwerdefall: Winterfremdenverkehr) ist es zunächst erforderlich, fachlich fundierte Äußerungen der für die Angelegenheit des Fremdenverkehrs und der Raumordnung zuständige Stellen der Gemeindeaufsichtsbehörde oder sonst eine von entsprechendem Fachwissen getragene Stellungnahme einzuholen, die fallbezogen eine verläßliche Beurteilung, ob das betreffende öffentliche Interesse vorliegt, in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise ermöglicht (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 23. Juli 1987, Zl. 87/10/0091). Aus der Bejahung des öffentlichen Interesses an einer anderen Verwendung der in Rede stehenden Waldfläche folgt allerdings nicht, daß schon deswegen die begehrte Rodungsbewilligung erteilt werde müßte. Vielmehr hat die Behörde daran anschließend im Rahmen der vom Gesetz vorgesehenen Interessenabwägung in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise zu untersuchen, ob die öffentlichen Interessen jene an der Walderhaltung überwiegen (vgl. z.B das Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 91/10/0001).

Eine Klärung dieser Fragen ist von der belangten Behörde nicht vorgenommen worden. Selbst ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift vermögen die fehlenden Erörtungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen (vgl. das Erkenntnis vom 22. Juni 1973, Zl. 628/73).

2.4. Aufgrund dieser Erwägungen ergibt sich, daß die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG (vgl. etwa das Erkenntnis vom 7. November 1983, Zl. 83/10/0038) aufzuheben war.

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