VwGH 91/09/0228

VwGH91/09/022820.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des XY in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Landesschulrat für Niederösterreich vom 18. November 1991, Zl. I/Disz.-4447/1-1991, betreffend Einleitungsbeschluß, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §105 Z1;
BDG 1979 §123;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §105 Z1;
BDG 1979 §123;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Fachlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist die Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt Z. Der angefochtene Bescheid hat folgenden Wortlaut:

"Beschluß

Die Disziplinarkommission beim Landesschulrat für Niederösterreich, Senat III für Leiter und Lehrer an technischen Lehranstalten, hat am 4. November 1991 durch Vortr. HR Dr. W als Senatsvorsitzenden sowie Dir. Dr. H und Dir. Dipl. Ing. R als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates beschlossen, gegen FL XY, geb. n1.nn.19nn, wegen des Verdachtes der Begehung von Dienstpflichtverletzungen, gem. § 123 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 i.d.g.F., ein Disziplinarverfahren einzuleiten.

FL XY wird vorgeworfen, im Mai und Juni dieses Jahres Dienstaufträge nicht befolgt sowie Schüler, entgegen seiner Verpflichtung zur Aufsichtsführung, unbeaufsichtigt in der Klasse gelassen zu haben.

Begründung

Die FL XY angelasteten Dienstpflichtverletzungen gründen sich auf den Bericht der Direktion der Höheren technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt Z vom 26.6.1991, welche als Disziplinaranzeige zu werten ist.

Im Hinblick auf die konkrete und schlüssige Darstellung der Vorkommnisse war gem. § 123 BDG 1979 die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu beschließen."

Weiters enthält der angefochtene Bescheid noch eine Rechtsmittelbelehrung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, daß nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 123 BDG 1979 in Verbindung mit § 91 leg. cit. ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet (die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen) wird, durch unrichtige Anwendung der zitierten Normen in ihrem Zusammenhang mit § 118 BDG 1979, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§ 105 BDG 1979 iVm §§ 37, 39, 60 AVG) verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, daß es sich bei dem Schreiben der Direktion der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt Z vom 26. Juni 1991, auf das die belangte Behörde den Einleitungsbeschluß stützt, nicht um eine Disziplinaranzeige handle. Die nach der Begründung des angefochtenen Bescheides in diesem Schreiben angeblich erfolgte konkrete und schlüssige Darstellung der Vorkommnisse genüge keinesfalls der Begründungspflicht. Insbesondere könnten im Hinblick auf die Fassung des angefochtenen Bescheides nur Vermutungen darüber angestellt werden, welche Nichtbefolgung von Dienstaufträgen dem Beschwerdeführer angelastet werden sollten. Was den Vorwurf der Verletzung der Verpflichtung zur Aufsichtsführung betreffe, werde weder erörtert, welchen Umfang diese Verpflichtung habe, noch woraus sie hervorgehe, noch ob oder welche Rechtfertigungsgründe der Beschwerdeführer hiefür gegeben habe. Damit sei auch in dieser Beziehung die Annahme eines ausreichenden Verdachtes nicht gedeckt. Hinzu komme, daß der Beschwerdeführer vor Verfahrenseinleitung überhaupt nicht gehört worden sei. Auch wenn dies nicht ausnahmslos und immer erforderlich sei, so lasse doch das bereits genannte Schreiben vom 26. Juni 1991 so viele Fragen offen, daß eine Anhörung unverzichtbar gewesen wäre.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Ermittlungen der Disziplinarbehörde vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens das Ziel, zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Die Disziplinarkommission muß bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebensowenig muß im Einleitungsbeschluß das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung ist in erster Linie darin gelegen, dem beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, was insbesondere für die Frage einer allfälligen Verjährung von ausschlaggebender Bedeutung ist. Für den Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 kommen die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 und 2 AVG insofern zur Anwendung, als er - neben der Rechtsmittelbelehrung - einen Spruch und eine Begründung zu enthalten hat. Im Spruch des Einleitungsbeschlusses ist das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen zu beschreiben. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Einleitungsbeschlusses ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung ergibt (vgl. insbesondere Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zl. 90/09/0192, und die dort weiters angegebenen Judikaturhinweise).

Den dargelegten Erfordernissen wird der angefochtene Einleitungsbeschluß in keiner Weise gerecht.

Dem Einleitungsbeschluß ist insbesondere nicht zu entnehmen hinsichtlich welcher konkreter Handlungen der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung besteht. Weiters wäre die belangte Behörde im Hinblick auf die in den §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG 1950 festgelegte Begründungspflicht verhalten gewesen, den Grund für die Einleitung des Disziplinarverfahrens sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht darzulegen. Sie unterließ jedoch jede Begründung und beschränkte ihre Ausführungen auf einen Hinweis auf einen datumsmäßig bezeichneten Bericht, der als Disziplinaranzeige zu werten sei.

Da dem angefochtenen Bescheid eine hinlängliche Präzisierung der dem Beschwerdeführer angelasteten Dienstpflichtverletzungen ebenso fehlt wie eine inhaltiche Begründung, ist der angefochtene Bescheid, insbesondere auch deshalb, weil der genannte Mangel den Verwaltungsgerichtshof daran hindert, die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes zu überprüfen, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen eingehen zu können (vgl. im Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1987, Zl. 87/09/0193).

Die Entscheidung selbst konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat erfolgen, weil die behandelte Rechtsfrage durch die bisherige Judikatur klargestellt ist.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Damit erübrigt sich ein Abspruch über die beantragte aufschiebende Wirkung.

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