VwGH 91/05/0239

VwGH91/05/023921.1.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) des SD,

2) des MK, 3) des KB, 4) des MB, 5) des PN, 6) des SA, 7) des HK, 8) des MA, 9) des AK, 10) des ME, 11) des SK in L, alle vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. November 1991, Zl. R/1-V-91081, betreffend ein baupolizeiliches Auftragsverfahren (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §113;
BauRallg;
MRG §30 Abs2 Z15;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §113;
BauRallg;
MRG §30 Abs2 Z15;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit der Begründung des angefochtenen Bescheides erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 23. Jänner 1991 der HS und der JS einen baupolizeilichen Auftrag zum Abbruch von Gebäuden auf deren Liegenschaft. Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 13. Mai 1991 mangels Parteistellung als unzulässig zurück.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die NÖ Landesregierung der Vorstellung der Beschwerdeführer keine Folge. Die Gemeindeaufsichtsbehörde teilte die Auffassung der Gemeindebehörden, daß den Beschwerdeführern im baupolizeilichen Auftragsverfahren als Bestandnehmern (Mietern) Parteistellung nicht zukomme. Der Achtbeschwerdeführer sei auch durch ein Kaufanbot an die frühere Liegenschaftseigentümerin, selbst wenn dieses Anbot angenommen worden sei, nicht außerbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft geworden, sodaß auch aus diesem Titel eine Parteistellung nicht gegeben sei. Auf Grund der Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes, welches nicht Entscheidungsgrundlage für die Baubehörde sei, könne eine Parteistellung im Bauauftragsverfahren nicht begründet werden.

In der Beschwerde wird eingeräumt, daß der Verwaltungsgerichtshof "bislang" entschieden habe, daß Mietern im "Abbruchsverfahren" keine Parteistellung zukomme. Die Beschwerdeführer erachteten jedoch diese Entscheidungen für nicht zutreffend, weil das rechtliche Interesse der Mieter in einem Gebäude, das von einem Abbruchverfahren betroffen sei, darin liege, daß sie je nach Rechtslage entweder auf Grund der Bestimmung des § 1112 ABGB wegen Untergangs der Bestandsache "geräumt" oder auf Grund der Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z. 14 des Mietrechtsgesetzes gekündigt werden könnten. Der Unterschied zwischen diesen beiden Bestimmungen liege darin, daß bei einer Kündigung nach dem Mietrechtsgesetz die Verpflichtung des Vermieters bestehe, dem Mieter Ersatz zu beschaffen. Damit der Mieter seine Rechte, die ihm nach dem ABGB und/oder nach dem Mietrechtsgesetz zustehen, wahren könne, sei es notwendig, daß dieser im Verwaltungsverfahren zumindest die Stellung als Beteiligter erhalte und Akteneinsicht nehmen könne, was ihm als unbeteiligte Person verwehrt sei. Seien ihm diese Möglichkeiten genommen, so seien ihm auch sämtliche Einwendungen im Zivilverfahren abgeschnitten. Die Beschwerdeführer seien zusammenfassend der Ansicht, daß schon auf Grund der Möglichkeiten der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen und Ersatzbeschaffungsansprüchen ein Grundrecht der Mieter bestehe, daß ihnen gemäß § 8 AVG auf Grund rechtlichen Interesses Parteistellung oder zumindest Beteiligtenstellung zukomme. Der Vermieter sei auch zur baurechtlich zulässigen und bautechnisch möglichen Wiederherstellung des Mietgegenstandes verpflichtet, ein Anspruch auf Wiederherstellung sei nach dem Mietrechtsgesetz durchzusetzen. Der nunmehr auf Grund des zweiten Wohnrechtsänderungsgesetzes neu formulierte § 30 Abs. 2 Z. 15 des Mietrechtsgesetzes sehe die Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der Mieter vor und in diesem Zusammenhang erlange die Parteistellung dieser Mieter im Verwaltungsverfahren eine neue Bedeutung.

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu. Nach der ständigen Rechtsprechung von Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof kommt Bestandnehmern in einem baubehördlichen Verfahren betreffend die Abtragung der in Bestand genommenen Baulichkeit keine Parteistellung zu. Besonders deutlich hat dies der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 10. Oktober 1966, Slg. Nr. 5358, und vom 30. November 1967, Slg. Nr. 5627, zum Ausdruck gebracht. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 8. Februar 1965, Slg. N.F. Nr. 6579/A, vom 27. Mai 1986, Zl. 86/05/0061, BauSlg. Nr. 693, u.a.). Auch nach den im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des § 113 der NÖ Bauordnung 1976 ist ein baupolizeilicher Auftrag ausschließlich an den Eigentümer der Baulichkeit zu richten, Bestandnehmern wurde keine Parteistellung eingeräumt. Wer aber Parteistellung in einem Verfahren nach der Bauordnung besitzen soll, bestimmt allein der hiefür zuständige Landesgesetzgeber, diese Frage kann entgegen der Meinung der Beschwerdeführer auf Grund des § 8 AVG allein nicht entschieden werden (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1972, Slg. Nr. 6908, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Februar 1969, Slg. N.F. Nr. 7507/A). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gewinnen ja die im § 8 AVG verwendeten Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, wonach allein die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. Juli 1973, Slg. N.F. Nr. 8444/A). An dieser Rechtslage haben auch die Kündigungsbeschränkungen des § 30 des Mietrechtsgesetzes keine Änderung herbeigeführt, mag auch die Rechtsstellung des Mieters im Kündigungsverfahren verbessert worden sein. Im übrigen dürften die Beschwerdeführer verkennen, daß ein baupolizeilicher Abtragungsauftrag einer Beseitigung bestehender Baugebrechen, die Anlaß für den Abbruchauftrag waren, nicht entgegensteht, ja die Eigentümer der Baulichkeit auf Grund eines privatrechtlichen Titels sogar zur Wiederherstellung des Mietgegenstandes verpflichtet werden können. Auch vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen, aus welchen Gründen den Beschwerdeführern mangels Akteneinsicht im baubehördlichen Auftragsverfahren sämtliche Einwendungen in einem Zivilverfahren abgeschnitten sein sollen. Daß aber das Recht auf Akteneinsicht nach § 17 AVG ein Recht der Parteien ist, welches den Bestandnehmern im baupolizeilichen Auftragsverfahren nicht zusteht, ergibt sich eindeutig aus der zitierten Gesetzesstelle.

In der Beschwerde wird zwar behauptet, die Beschwerdeführer seien außerbücherliche Eigentümer der Liegenschaft, jedoch wurde diese Behauptung nicht näher begründet. Es kann daher in diesem Zusammenhang nur darauf hingewiesen werden, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend davon ausgegangen ist, daß eine Durchbrechung des grundbücherlichen Eintragungsgrundsatzes hier nicht gegeben ist, wurde doch im Verwaltungsverfahren nach der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich ein Kaufangebot behauptet. Selbst wenn aber ein Kaufvertrag zustande gekommen sein sollte, könnte der Käufer nicht zu Recht als Eigentümer der Liegenschaft angesehen werden, liegt doch hier keine Ausnahme vom grundbücherlichen Eintragungsgrundsatz vor.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiters Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Damit erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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