VwGH 91/04/0199

VwGH91/04/019922.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des N in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Juni 1991, Zl. IIa-90.151/3-90, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §58 Abs2;
GewO 1973 §366 Abs1 Z3 idF 1988/399;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §44a Z1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
GewO 1973 §366 Abs1 Z3 idF 1988/399;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §44a Z1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 20. September 1990 entschied die Bezirkshauptmannschaft wie folgt:

"Der Beschuldigte N, K, hat es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Kunsttischlerei und Lüftungsanlagenbau M GesmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft in der Zeit vom 12.2.1990 bis 20.3.1990 in E, eine Tischlerei (ca 250 m2 Grundfläche, bestehend aus Bank- und Maschinenraum, Lackierraum, Büros und Späneheizung) ohne rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung in Betrieb hatte, obwohl durch den Betrieb dieser Tischlerei die ca. 50 m entfernt wohnenden Nachbarn durch Lärm und Geruch belästigt werden konnten."

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe zehn Tage) verhängt wurde.

Über die dagegen erhobene Berufung erkannte der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 6. Juni 1991 dahingehend, daß der Berufung teilweise Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf S 7.000,-- (Ersatzarreststrafe sieben Tage) herabgesetzt werde. Im übrigen werde der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 berichtigt, sodaß dieser nunmehr lautet:

"Der Beschuldigte N ist als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Kunsttischlerei und Lüftungsanlagenbau M GesmbH. dafür verantwortlich ..."

Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens unter anderem ausgeführt, entgegen diesem ergebe sich aus den abgelichteten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft, daß die (Firma) "Kunsttischlerei und Lüftungsanlagenbau M GesmbH" ursprünglich das Tischerleigewerbe mit Standort in G angemeldet gehabt habe. Als gewerberechtlicher Geschäftsführer sei mit Wirksamkeit vom 25. November 1985 der Beschuldigte zur Kenntnis genommen worden. Der Erstbehörde sei in der Wiedergabe des Firmenwortlautes nur ein Tippfehler "passiert", der im Spruch habe berichtigt werden können. Weiters ergebe sich (entgegen dem Berufungsvorbringen), daß eine erste Verfolgungshandlung mit dem Ladungsbescheid vom 22. März 1990 (sie habe die wesentlichen Tatbestandsmerkmale einer Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 enthalten) gesetzt worden sei; dieser sei dem Beschwerdeführer am 29. März 1990 zugestellt worden. Selbst wenn man aber davon ausgehe, daß erst das Straferkenntnis eine taugliche Verfolgungshandlung darstelle, sei die Frist des § 31 VStG dennoch dadurch gewahrt, daß binnen sechs Monaten nach der letzten strafbaren Handlung, das heiße am 20. März 1990, eine Verfolgungshandlung gesetzt worden sei. Es liege daher keine Verfolgungsverjährung vor. Das betreffende Berufungsvorbringen sei aktenwidrig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes im wesentlichen vor, gemäß § 31 VStG sei die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist, in diesem Falle sechs Monate, von der Behörde keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorgenommen worden sei. Zu einer solchen Verfolgungshandlung zähle auch die Ladung des Beschuldigten, es sei aber bereits in der Ladung selbst die Tat, die dem Beschuldigten zur Last gelegt werde, kurz und deutlich zu bezeichnen. Im Sinne dieser Bestimmung bedürfe es in der Ladung bereits der Konkretisierung des Vorwurfes im Sinne des § 44a VStG, also insbesondere der Anführung der "als erwiesen angenommenen" Tat, der Anführung der Verwaltungsvorschrift, die durch eine solche Tat verletzt sei und anderes mehr. So sei unter anderem in einer näheren Beschreibung erforderlich, wodurch das Gewerbe unbefugt ausgeübt worden sei, es zähle dazu auch die Anführung der örtlich gebundenen Einrichtungen usw. Im Sinne dieser Gesetzesstelle genüge es auch nicht, diese Angaben in der Begründung des Straferkenntnisses anzuführen. Im Ermittlungsverfahren erster Instanz sei dem Beschwerdeführer ein konkreter Vorwurf insbesondere hinsichtlich der angeblich in Betrieb genommenen Betriebsanlage nie gemacht worden. Bei seiner Einvernahme sei von ihm lediglich angegeben worden, woraus die Betriebsanlage bestehe. Feststellungen dazu, welche Maschinen tatsächlich in Betrieb gewesen seien, insbesondere aber auch, welche Auswirkungen auf welche konkreten Anrainer dadurch zu befürchten seien, enthalte weder das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 20. September 1990 noch der bekämpfte Bescheid vom 6. Juni 1991. Damit sei der Beschwerdeführer als Beschuldigter aber in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt worden, es sei ihm nicht möglich gewesen, konkret zu einzelnen detaillierten Vorwürfen Stellung zu nehmen. Eine die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung setze aber voraus, daß innerhalb der Sechsmonatsfrist entsprechende Verfolgungshandlungen gesetzt würden, wozu insbesondere dem Beschuldigten konkrete Vorwürfe vorzutragen seien. Ein Vorwurf in dieser Form habe innerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung zu erfolgen, und der Spruch eines Straferkenntnisses habe auch detailliert und konkret den Vorwurf aufzuzeigen. Selbst wenn man zu Unrecht unterstelle, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 20. September 1990 entspreche diesem Erfordernis, so sei die Frist für die Verfolgungsverjährung bereits abgelaufen gewesen. Die Zustellung dieses Straferkenntnisses sei am 28. September 1990 erfolgt, also zu einem Zeitpunkt, als seit Abschluß der unterstellten strafbaren Handlung bereits mehr als sechs Monate vergangen gewesen seien. Lediglich das Datieren des Straferkenntnisses innerhalb des Verfolgungs- und Verjährungszeitraumes genüge nicht, eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung zu bewirken, und es wäre das Strafverfahren somit richtigerweise einzustellen gewesen, weshalb das Berufungserkenntnis seinem Inhalt nach rechtswidrig sei.

Die Beschwerde erweist sich im Hinblick auf folgende Überlegungen im Ergebnis als berechtigt:

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Nach Abs. 2 beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, unterbricht eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf ALLE DER BESTRAFUNG ZUGRUNDELIEGENDE SACHVERHALTSELEMENTE bezogen hat (vgl. hiezu u. a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Oktober 1978, Slg. N.F. Nr. 9664/A und das Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 89/04/0266). Dabei ist zur Beantwortung der Frage, ob Verjährung im Sinne des § 31 Abs. 1 VStG eingetreten ist, von der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z. 1 VStG auszugehen (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 89/04/0266) und das dem Beschuldigten zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z. 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z. 2 VStG näher zu konkretisieren und individualisieren (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 88/04/0049).

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 schuldig erkannt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan hat, muß ein Schuldspruch nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973, um das Erfordernis des § 44a Z. 1 VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahin zulassen, ob die vorliegende Betriebsanlage die im § 74 Abs. 2 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet und daher genehmigungspflichtig ist (vgl. sinngemäß dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 90/04/0216).

Mit Ladungsbescheid vom 22. März 1990, zugestellt am 29. März 1990, wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es "als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Kunsttischlerei und Lüftungsanlagenbau M GesmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft weiterhin in der Zeit vom 12.2. bis 20.3.1990, in E, eine Tischerlei ohne rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung in Betrieb hatte".

In Ansehung der zitierten Bestimmungen der §§ 31 Abs. 1 und 32 Abs. 2 VStG sowie im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann daher der Ladungsbescheid vom 22. März 1990 - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht als eine die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung angesehen werden.

Die belangte Behörde führt in ihrer Begründung weiter aus, "selbst wenn man davon ausginge, daß erst das Straferkenntnis eine taugliche Verfolgungshandlung darstellt, wäre die Frist des § 31 VStG 1950 dadurch gewahrt, daß binnen sechs Monaten nach der letzten strafbaren Handlung, d.h. am 20.3.1990, eine Verfolgungshandlung gesetzt wurde". Eine Begründung für diese Annahme gibt die belangte Behörde nicht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Jänner 1991, Zl. 90/09/0089, dargetan hat, genügt für die Qualifikation als Verfolgungshandlung nicht das Vorliegen eines behördeninternen Vorganges, sondern es muß dieser noch innerhalb der Verjährungsfrist in irgendeiner Weise nach außen in Erscheinung getreten sein. Eine Verfolgungshandlung - im vorliegenden Fall das Straferkenntnis vom 20. September 1990 - schließt die Verfolgungsverjährung dann aus, wenn sie innerhalb der Verjährungsfrist abgefertigt (z.B. zur Post gegeben) worden ist (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Juli 1990, Zl. 90/17/0221).

Der angefochtene Bescheid enthält diesbezüglich jedoch keinerlei Ausführungen. Das bloße Datum des Straferkenntnisses besagt nichts darüber, wodurch und wann das Straferkenntnis in irgendeiner Weise nach außen in Erscheinung getreten, z.B. zur Post gegeben wurde. Es ist daher aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen, weshalb die belangte Behörde davon ausging, daß eine die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung vorliege.

Was die von der belangten Behörde in der Gegenschrift vorgebrachte Äußerung betrifft, "daß eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung auch die Akteneinsicht des Vertreters des Beschuldigten in Verbindung mit der Aufforderung, sich zu rechtfertigen, darstellt", so ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, inwiefern eine die Verfolgungsverjährung ausschließende Verfolgungshandlung tatsächlich vorlag, zumal - wie oben dargestellt - Voraussetzung für eine taugliche Verfolgungshandlung ist, daß die Tat hinsichtlich aller der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben ist. Abgesehen davon hätte die belangte Behörde entsprechende Ausführungen bereits in die Begründung des angefochtenen Bescheides aufnehmen müssen; die in der Gegenschrift enthaltenen Ausführungen können die fehlende Erörterung und die unterlassene Begründung nicht ersetzen (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 86/07/0237).

Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

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