VwGH 91/03/0342

VwGH91/03/03428.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Leukauf, Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der T Gesellschaft m.b.H & Co KG in I, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung, vom 18. Jänner 1991, Zl. 118959/III-25/90, betreffend Bewilligung zur Einspeisung eines Senders in ein Kabelrundfunknetz, zu Recht erkannt:

Normen

BVG Rundfunk Art1 Abs1;
BVG Rundfunk Art1 Abs2;
FG 1949 §3 Abs1;
RundfFSEmpfAnlG 1965 §2 Abs4;
RundfFSEmpfAnlG 1965 §20 Abs1;
RundfFSEmpfAnlG 1965 §21 Abs3;
RundfFSEmpfAnlGNov 1977;
BVG Rundfunk Art1 Abs1;
BVG Rundfunk Art1 Abs2;
FG 1949 §3 Abs1;
RundfFSEmpfAnlG 1965 §2 Abs4;
RundfFSEmpfAnlG 1965 §20 Abs1;
RundfFSEmpfAnlG 1965 §21 Abs3;
RundfFSEmpfAnlGNov 1977;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung zur Einspeisung des Senders "Radio Tirol" auf 88,8 MHz in ihr Kabelrundfunknetz in Innsbruck abgewiesen.

Ferner wurde ausgesprochen, daß die Voraussetzungen für die Einspeisung des genannten Hörfunkprogrammes in das bestehende Kabelrundfunknetz (Antennenanlage) der Beschwerdeführerin nicht vorlägen. Als Rechtsgrundlage der Entscheidung wurde § 3 Abs. 1 des Fernmeldegesetzes in Verbindung mit Art. I Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes vom 10. Juli 1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. Nr. 396, (BVG-Rundfunk) angegeben. In der Begründung ging die belangte Behörde im wesentlichen davon aus, daß die Sendeanlage des Senders "Radio Tirol" zwar außerhalb Österreichs errichtet worden sei, die Zusammensetzung und die Struktur der Programme, die Sprache der Aussendung (Aussendungen in deutscher Sprache), die Herkunft zumindest eines Teiles der Werbeaufträge, die Standortwahl des Senders sowie die Ausrichtung der Antenne, nicht zuletzt jedoch auch die - nach Wissen der Behörde presserechtlich unwidersprochen gebliebene - Darstellung des Senders in den Printmedien aber beweisen würden, daß das Programm ausschließlich oder doch zumindest überwiegend für Österreich bestimmt sei. Es gehe also darum, von Italien aus das vom BVG-Rundfunk in Verbindung mit dem Rundfunkgesetz statuierte Rundfunkmonopol des ORF zu unterlaufen. Dies rechtfertige es aber, die Tätigkeit des Senders als Rundfunk im Sinne des Art. I Abs. 1 des BVG-Rundfunk zu qualifizieren und fernmelderechtlich so zu behandeln, wie VfSlg. 9909/1983 das für einen vergleichbaren Fall vorsehe. Angesichts dessen werde auch deutlich, daß es im vorliegenden Fall keineswegs um die fernmelderechtliche Gleichbehandlung ausländischer Privatprogramme und von Programmen ausländischer öffentlich-rechtlicher Anstalten gehe. Maßgeblich sei allein folgendes:

"Gestützt auf die mehrfach erwähnte VfSlg. 9909/1983 erscheint es geboten, im Rahmen eines fernmelderechtlichen Bewilligungsverfahrens betreffend die Einspeisung eines ausländischen Rundfunkprogrammes dem Gesichtspunkt entscheidende Bedeutung beizumessen, daß es sich dabei evidentermaßen um eine Programmschöpfung handelt, die der Umgehung des BVG Rundfunk dient."

Dem Argument, die Untersagung der Einspeisung dieses Programmes in ein Kabelnetz sei durch die Gesetzeslage nicht gedeckt, weil gemäß § 21 Abs. 3 der Rundfunkverordnung eine Ablehnung der Programmeinspeisung nur in den dort genannten Fällen erlaubt sei, welche im gegenständlichen Falle nicht zum Tragen kämen, sei folgendes entgegenzuhalten:

"Es ist nicht ersichtlich, inwiefern § 21 der (auf der Stufe eines Bundesgesetzes stehenden) Rundfunkverordnung den (gleichfalls im Range eines Bundesgesetzes stehenden) Staatsvertrag (Internationaler Fernmeldevertrag, Nairobi 1982, BGBl. Nr. 593/1989, davor Malaga-Torremolinos 1973, BGBl. Nr. 413/1977) in seiner Geltung berührt haben sollte. So ist sowohl für Österreich als auch für Italien aus dem Internationalen Fernmeldevertrag und insbesondere aus der einen Bestandteil dieses Vertrages bildenden Vollzugsordnung für den Funkdienst die völkerrechtliche Verpflichtung abzuleiten, daß - unter anderem - Sendefrequenzen und Sendeleistungen zu koordinieren sind. Weiters sieht Artikel 30, Abschnitt I, § 1 Abs. 2 der Vollzugsordnung vor, daß die Leistung der Rundfunksendestelle (d.h. die Sendeleistung) im hier maßgeblichen Frequenzbereich "grundsätzlich den Wert nicht überschreiten (darf), der zur wirtschaftlichen Wahrnehmung eines nationalen Funkdienstes guter Qualität innerhalb der Grenzen des betreffenden Landes erforderlich ist". Das gegenständliche Programm wird aber absichtlich zu einem großen Teil nach Österreich abgestrahlt. Wenn sich nun Italien (trotz der Ratifikation des Internationalen Fernmeldevertrages) weigert, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, so kann dies nichts an dem Umstand ändern, daß die vom gegenständlichen, auf italienischem Territorium errichteten Sender nach Österreich ausgestrahlten Sendungen diesem (auf Gesetzesstufe stehenden) Internationalen Fernmeldevertrag widersprechen und daher gesetzwidrig sind."

Da die Bestimmungen der Rundfunkverordnung jene des Internationalen Fernmeldevertrages in ihrer Geltung nicht berührten und die Verwaltung sämtliche dem inländischen Normenbestand angehörenden gesetzlichen Bestimmungen zu beachten habe, hätten die Fernmeldebehörden bei der Entscheidung über Bewilligungsanträge auch diesen Staatsvertrag anzuwenden und gegebenenfalls die Bewilligung zu versagen (VfSlg. 9909/1983 käme bei ähnlicher Problematik zu einem gleichartigen Ergebnis).

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgsetzlich gewährleisteter Rechte. Mit Beschluß vom 30. September 1991, B 242/91, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß Art. I Abs. 1 des BVG-Rundfunk ist Rundfunk die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benützung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels eines Leiters sowie der Betrieb von technischen Einrichtungen, die diesem Zwecke dienen. Art. I Abs. 2 leg. cit. sieht vor, daß die näheren Bestimmungen für den Rundfunk und seine Organisation bundesgesetzlich festzulegen sind. Ein solches Bundesgesetz hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabängigkeit der Personen und Organe, die mit der Besorgung der im Abs. 1 genannten Aufgaben betraut sind, gewährleisten. Ein derartiges Ausführungsgesetz ist bisher nur für den ORF ergangen (Bundesgesetz vom 10. Juli 1974, BGBl. Nr. 397, über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks).

Die Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts folgert aus dieser Rechtslage, daß Rundfunk im Sinne des Art. I Abs. 1 BVG-Rundfunk derzeit nur vom ORF (sonst von niemanden) betrieben werden dürfe (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1983, Slg. Nr. 9909, sowie neben anderen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 1986, Slg. Nr. 12206/A).

Gemäß § 2 Abs. 4 der zufolge Art. I Abs. 1 Z. 7 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1972, BGBl. Nr. 267, auf Gesetzesstufe stehenden Rundfunkverordnung, BGBl. Nr. 333/1965 in der Fassung BGBl. Nr. 345/1977, (RVO) ist zur Errichtung und zum Betrieb einer Antennenanlage eine gesonderte Bewilligung notwendig, wenn

  1. a) sie unter Verwendung von Verbindungsleitungen für mehrere Empfangsanlagen auf verschiedenen Standorten (§ 7 Abs. 2) errichtet wird (Gemeinschaftsantennenanlage) - es sei denn, die Standorte aller Empfangsanlagen befinden sich auf zusammenhängenden Grundstücken und kein Teil der Anlage benützt oder kreuzt einen öffentlichen Weg - oder
  2. b) die Antenne vom Standort der Empfangsanlage bzw. dem Standort der am nächsten liegenden Empfangsanlage mehr als 500 m entfernt ist.

    Bewilligungen zur Errichtung und zum Betrieb einer Antennenanlage dürfen nur unbefristet sein.

    § 20 Abs. 1 RVO sieht vor, daß die Antennenanlage und die in dieser verwendeten Empfangs- und Übertragungseinrichtungen in ihrem Aufbau und ihrer Funktionsweise den zum Zeitpunkt der Errichtung der Antennenanlage anerkannten Regeln der Technik entsprechen müssen. Die empfangenen Signale dürfen nur zeitgleich sowie dem Inhalt nach vollständig und unverändert den Empfangsanlagen zugeführt werden.

    Ein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Antennenanlage darf gemäß § 21 Abs. 3 RVO nur abgelehnt werden, wenn

  1. a) die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 1 nicht vorliegen oder
  2. b) der angestrebte Zweck durch den Anschluß an eine bereits bestehende Gemeinschaftsantennenanlage gemäß § 23 Abs. 1 ohne unnötigen Aufschub und ohne höheren Aufwand erreicht werden kann oder
  3. c) die Übermittlung der Signale der Rundfunk- und Fernsehrundfunksender des Österreichischen Rundfunks an die Empfangsanlagen nicht vorgesehen ist, obwohl dies ohne unverhältnismäßig großen Aufwand möglich wäre.

    Die "integrale", d.h. zeitlich synchrone, vollständige und unveränderte Weiterleitung von Rundfunksendungen über Gemeinschaftsantennenanlagen und Kabel wird als "passiver" oder "unechter" Kabelrundfunk bezeichnet. Zwischen den Parteien des Verwaltungsgerichtshofverfahrens ist es in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre und der Verwaltungspraxis (vgl. zuletzt Holoubek, Rundfunkfreiheit und Rundfunkmonopol, 141 f) nicht strittig, daß der "passive" oder "unechte" Kabelrundfunk nicht Rundfunk im Sinne des Art. I Abs. 1 BVG-Rundfunk ist. Die rechtlichen Grundlagen des "passiven" oder "unechten" Kabelrundfunkes liegen ausschließlich in den mit der Novelle BGBl. Nr. 345/1977 zur RVO getroffenen fernmelderechtlichen Regelungen (vgl. Öhlinger, RfR 1983, 38, und Schäffer, DÖV 1987, 1086). Diese enthalten keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Übermittlung der Aussendungen ausländischer Rundfunksender (vgl. 366 BlgNR XIV. GP, 9 und 10; Schäffer a. a.O).

    Auf dem Boden dieser Rechtslage ist der Beschwerdeführerin beizupflichten, daß die Frage der Bewilligung zum Betrieb "passiven" oder "unechten" Kabelrundfunkes, wie er von ihr angestrebt wird, in der RVO ABSCHLIESSEND geregelt ist. Nach diesen Bestimmungen ist es für die Zulässigkeit des Betriebes einer Antennenanlage aber nicht von Bedeutung, ob es sich bei den "integral" weitergeleiteten Sendungen um Programme ausländischer Sender handelt, die ihrem Inhalt nach ausschließlich oder überwiegend für Österreich bestimmt sind. Der RVO ist auch nicht zu entnehmen, daß die Erteilung einer Bewilligung zum Betrieb einer Antennenanlage abgelehnt werden darf, wenn mit dieser Anlage Signale empfangen werden sollen, welche im Ausland unter Nichteinhaltung des Internationalen Fernmeldevertrages ausgestrahlt werden. Hält man - im Sinne einer zum Inhalt der Gegenschrift erhobenen Stellungnahme des Bundeskanzleramtes - Verfassungsdienst - daran fest, daß passiver Kabelrundfunk nicht unter den Rundfunkbegriff des Art. I Abs. 1 BVG-Rundfunk fällt (wogegen seitens des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken bestehen), dann kann die Einspeisung von Programmen, welchen Inhaltes auch immer, in ein Kabelrundfunknetz nicht als Rundfunk im Sinne des genannten Bundesverfassungsgesetzes angesehen werden. Soll aber solcher Rundfunk nicht betrieben werden, dann scheitert auch die Berufung auf das zum "aktiven" Kabelrundfunk ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1983, Slg. Nr. 9909.

    So gesehen bietet die Rechtslage keine Handhabe, der von der belangten Behörde angenommenen Gefahr einer "Umgehung des BVG-Rundfunk" (bzw. des Rundfunkmonopols des ORF) im Wege einer Versagung der nach § 2 Abs. 4 RVO notwendigen Bewilligung zu begegnen.

    Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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