VwGH 91/03/0325

VwGH91/03/032520.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Dr. R in B, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 3. September 1991, Zl. UVS-3/104/4-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
VStG §25 Abs2;
VStG §51g Abs1;
VStG §51g Abs3 Z1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
VStG §25 Abs2;
VStG §51g Abs1;
VStG §51g Abs3 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. September 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 12. Jänner 1991 in der Zeit gegen 0.20 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw im Bereich der Bushaltestelle "Drei Eichen" der Wiener Straße B1 in Eugendorf in Richtung Salzburg in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Er habe dadurch eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde hätte G.M. auch ohne einen darauf abzielenden Antrag des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernehmen müssen. Der Beschwerdeführer habe seiner Mitwirkungspflicht entsprochen, da er im Verfahren erster Instanz G.M. als Zeugen namhaft gemacht habe.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht. G.M. wurde im erstinstanzlichen Verfahren als Zeuge dafür

namhaft gemacht, daß der Beschwerdeführer den Pkw zum Tatzeitpunkt nicht gelenkt habe. Die Behörde erster Instanz hat den Zeugen auch vernommen, wobei er angegeben hat, daß seinerzeit er mit dem Pkw des Beschwerdeführers gefahren sei. Da am Fahrzeug eine Panne aufgetreten sei - es sei die Belüftung der Windschutzscheibe ausgefallen - habe er am Tatort angehalten und der Beschwerdeführer habe versucht, die Sicherungen am Fahrzeug zu wechseln. In diesem Augenblick sei ein Gendarmeriefahrzeug vorbeigefahren, habe umgedreht und sei zum Anhalteort zurückgekommen. Der Gendarmeriebeamte habe den Beschwerdeführer gefragt, ob es eine Panne gebe und habe auch Alkoholisierungssymptome festgestellt. Er habe den Beschwerdeführer bezüglich des Alkoholkonsums gefragt. Er, der Zeuge, müsse feststellen, daß der Beschwerdeführer das Fahrzeug nicht gelenkt habe und es wäre gar nicht möglich gewesen, bei laufendem Motor die Sicherungen zu wechseln. Der Zeuge sei während des gesamten Vorganges am Beifahrersitz gesessen. Der Grund hiefür sei gewesen, daß es stark regnete und er sich nicht außerhalb des Fahrzeuges habe aufhalten können.

Aus dieser Aussage ergibt sich, daß es sich beim Zeugen G.M. um eine Person handelt, die unmittelbare Wahrnehmungen in bezug auf die im Verfahren allein strittige Frage, ob der Beschwerdeführer den Pkw zum Tatzeitpunkt gelenkt habe, machen kann. Die belangte Behörde durfte daher von der Vernehmung dieses Zeugen nicht mit der Begründung Abstand nehmen, der Sachverhalt sei bereits ausreichend geklärt. Unklar bleibt, welche Bedeutung den Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung ihres Bescheides zukommt, daß G.M. als Zeuge nichts von dem Versuch des Beschwerdeführers erwähnt habe, vor dem Gendarmeriefahrzeug wegzufahren. Sollte damit - was die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift bestreitet - die Annahme untermauert werden, der Beschwerdeführer habe den Pkw gelenkt, so läge eine Verletzung des § 51i VStG vor, demzufolge bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Unabhängigen Verwaltungssenat nur auf das Rücksicht genommen werden darf, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist. Abgesehen davon kann aus dieser Aussage auch kein Schluß in der Richtung gezogen werden, daß der Beschwerdeführer den Pkw gelenkt hat. Vielmehr wäre der Zeuge zu dem Wegfahrversuch des Beschwerdeführers ausdrücklich zu befragen gewesen. Keinesfalls kann aber die Nichterwähnung des Wegfahrversuches dazu führen, G.M. die Eignung als Zeugen abzusprechen. Die belangte Behörde war daher verpflichtet, G.M. zur mündlichen Verhandlung zu laden und als Zeugen zu vernehmen, ohne daß es dazu eines Antrages des Beschwerdeführers bedurfte. Aus § 25 Abs. 2 VStG, der auch für den Unabhängigen Verwaltungssenat gilt, ergibt sich nämlich, daß im Strafverfahren die Behörde auch ohne förmlichen Beweisantrag verpflichtet ist, einen ihr nach der Aktenlage bekannten möglichen Entlastungszeugen zu vernehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1979, Zl. 2721/77 u. a.).

Erst nach der Vernehmung dieses Zeugen hätte die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zu entscheiden gehabt, ob sie den Beschwerdeführer der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung für überführt halten durfte.

Dem Beschwerdeführer ist aber auch zuzustimmen, wenn er bemängelt, daß der Zeuge S. nicht in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, sondern bereits vorher vernommen und seine Aussage in der mündlichen Verhandlung verlesen worden sei.

Die belangte Behörde rechtfertigt dies damit, daß sich dieser Zeuge zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf der Gendarmerieschule in Mödling aufgehalten habe.

Nach § 51g Abs. 3 Z. 1 VStG dürfen Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen sowie die Gutachten der Sachverständigen nur verlesen werden, wenn die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind, ihr Aufenthalt ihr unbekannt ist oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen nicht verlangt werden kann.

Die Tatsache allein, daß sich ein Gendarmeriebeamter zu Ausbildungszwecken in Mödling aufhält, führt ohne Hinzutreten zusätzlicher gravierender Umstände nicht dazu, daß sein persönliches Erscheinen zu einer Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg nicht verlangt werden kann.

Aus den angeführten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Neben dem Schriftsatzaufwand steht im Beschwerdefall lediglich Stempelgebührenersatz für die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung (S 360,--) und für eine Bescheidausfertigung (S 90,--) zu. Das Mehrbegehren war daher abzuweisen.

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