VwGH 91/01/0202

VwGH91/01/020220.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des C in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Oktober 1991, Zl. 4.300.252/4-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, reiste am 11. August 1990 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 13. August 1990, ihm Asyl zu gewähren. Bei der niederschriftlichen Befragung gab er im wesentlichen folgendes an: Am 9. November 1989 seien zwei seiner Brüder aus Rumänien geflüchtet. Er sei daraufhin am 15. November 1989 zur Securitate geladen und über Fluchtumstände befragt worden. Er sei zwei Tage lang andauernd befragt, mißhandelt und wachgehalten worden. Aus demselben Grund sei er von seinem Arbeitsplatz entlassen worden. Vor und nach der Revolution habe er Flugblätter antikommunistischen Inhaltes verteilt. Bei der Verteilung sei er nie erwischt worden. Nach dem Sturz des alten Regimes habe sich für ihn nichts geändert; er sei weiterhin unter Beobachtung gestanden. Er sei sogar des öfteren von Securitatemännern in seiner Wohnung aufgesucht worden, die seine Anwesenheit überprüft hätten. Am 13. Juni 1990 habe er in Bukarest an einer Demonstration teilgenommen. Später habe er erfahren, daß er auf einer Videokassette erkannt worden sei und von der Polizei gesucht werde. Er habe Angst bekommen und sich zur Flucht entschlossen.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers und Darlegung der Rechtslage fest, daß gegen den Beschwerdeführer am 28. September 1990 von der Staatsanwaltschaft Suceava ein Haftbefehl erlassen worden sei. Er werde verdächtigt, in der Zeit vom 20. Februar 1990 bis 7. März 1990 gemeinsam mit drei weiteren Personen Einbruchsdiebstähle im Hotel "Bucovina" verübt und dabei 40.000,-- Lei erbeutet zu haben. Es sei ihm nicht gelungen, glaubhaft zu machen, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung (aus Konventionsgründen) außerhalb seines Heimatlandes befinde. Sein Vorbringen, er sei aus Rumänien geflüchtet, weil er erfahren habe, aus politischen Gründen polizeilich gesucht zu werden, erscheine unglaubwürdig, weil er zuvor angegeben habe, nicht zu wissen, ob und "in welchem Ausmaß" er in Rumänien gesucht werde. Darüber hinaus habe er keine konkreten, seine Person betreffenden Beeinträchtigungen glaubhaft machen können, durch welche er nach der Revolution verfolgt worden sei. Der Umstand, daß er im November 1989 wegen der Flucht seiner Brüder aus Rumänien verhört und mißhandelt worden sei, stehe nicht mehr im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Flucht. Es erscheine unglaubwürdig, daß er sich nunmehr aus Furcht vor dieser Verfolgung außerhalb seiner Heimat befinde. Sein Vorbringen, daß er bei einer Demonstration am 13. Juni 1990 in Bukarest teilgenommen habe und auf einem bei dieser Demonstration angefertigten Videofilm zu sehen sei, was seine polizeiliche Verfolgung zur Folge gehabt habe, sei unglaubwürdig. Er habe in diesem Zusammenhang keine konkreten Schritte und Maßnahmen der Polizei angeben können. Seine auf Informationen von nicht näher bezeichneter dritter Seite beruhende Angst, daß die Polizei ihn suchen könne, könne nicht als wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention qualifiziert werden. Ebensowenig stelle die Tatsache, daß er nunmehr in seiner Heimat aufgrund eines Haftbefehles wegen des Verdachtes, Diebstähle begangen zu haben, behördlich gesucht werde, eine Verfolgung im Sinne der Konvention dar. Diebstahl sei auch in demokratischen Gesellschaften strafbar und behördliche Ermittlungen wegen dieses Tatverdachtes stellten keine Verfolgung im Sinne der Konvention dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die rumänischen Behörden hätten, um "dem Beschwerdeführer handhaft zu werden", den jeder Grundlage entbehrenden Vorwurf erfunden, der Beschwerdeführer habe im Februar und März 1990 im Zuge von Einbruchsdiebstählen 1.000.000,-- Lei erbeutet. Die belangte Behörde habe eine "diesbezügliche Überprüfung" unterlassen; es wäre ein leichtes gewesen, beim Oberlandesgericht Linz Auskunft darüber einzuholen, warum ein Auslieferungsantrag gestellt und aus welchen Versagungsgründen der Beschwerdeführer nicht ausgeliefert worden sei.

Mit diesen Darlegungen verkennt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde die Flüchtlingseigenschaft nicht - etwa unter Berufung auf den Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt F lit. b der Konvention zur Rechtsstellung der Flüchtlinge - wegen der Strafverfolgung des Beschwerdeführers in Rumänien und dem damit im Zusammenhang stehenden Auslieferungsbegehren der rumänischen Behörden verneinte. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Zusammenhang lediglich die - zutreffende und insofern von der Beschwerde gar nicht bekämpfte - Auffassung vertreten, daß eine Strafverfolgung wegen Diebstahls keine Verfolgung im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge darstelle. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren keinen Fluchtgrund in der Richtung geltend gemacht, daß die rumänischen Behörden mit Hilfe "erfundener" Diebstahlsvorwürfe seine Auslieferung betrieben. Es waren daher keine weiteren Ermittlungen im Zusammenhang mit dem den Beschwerdeführer betreffenden Auslieferungsbegehren geboten. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die dem Auslieferungsbegehren zugrundeliegenden Vorwürfe seien von den rumänischen Behörden erfunden worden, wird erstmals in der Beschwerde aufgestellt und verstößt somit gegen das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG). Soweit in der Beschwerde - allerdings ganz allgemein und ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die zuletzt wiedergegebenen neuen Behauptungen des Beschwerdeführers - geltend gemacht wird, offensichtlich auf Grund von Übersetzungsmängeln sei der Sachverhalt in der ersten Befragung des Beschwerdeführers unrichtig und unvollständig dargestellt worden, ist darauf zu verweisen, daß der Beschwerdeführer nach dem Inhalt der Niederschrift vom 19. August 1990 ausdrücklich erklärte, daß ihm deren Inhalt in seiner Muttersprache vorgelesen worden sei und er alles verstanden und nichts hinzuzufügen habe. Auch in der Berufung wird weder behauptet, daß dem bekämpften Bescheid ein nicht ordnungsgemäß oder unvollständig erhobener Sachverhalt zugrundeliege, noch die nunmehr erstmals in der Beschwerde vorgetragene Behauptung aufgestellt, die rumänischen Behörden hätten den Diebstahlsvorwurf erfunden, um "dem Beschwerdeführer handhaft zu werden". Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verstoß gegen Verfahrensvorschriften liegt somit nicht vor.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, im Hinblick auf seine Behauptung, daß er von den rumänischen Behörden mißhandelt worden sei, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, "die behaupteten Folterungen bzw. Spuren davon durch Beiziehung eines Sachverständigen zu ermitteln". Diesen Darlegungen ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zwar (nicht näher beschriebene) Mißhandlungen durch Angehörige der Securitate im November 1989 behauptete, seinen Angaben aber keinerlei Anhaltspunkt dafür zu entnehmen war, daß die Mißhandlungen Spuren hinterlassen hätten, über die im Asylverfahren, das durch den Antrag des Beschwerdeführers vom 13. August 1990 eingeleitet wurde, Befund durch einen Sachverständigen hätte aufgenommen werden können. Abgesehen vom fehlenden zeitlichen Konnex zwischen den behaupteten Verfolgungshandlungen und der Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatstaat waren die Verwaltungsbehörden daher schon mangels Vorliegens von Anhaltspunkten dafür, daß ein Beweis durch Sachverständige zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes beitragen könne, nicht verhalten, die Aufnahme eines Sachverständigenbeweises zu veranlassen.

Die belangte Behörde hat - aus den oben wiedergegebenen Gründen, denen nicht entnommen werden kann, daß ein "förmlicher Beweis" gefordert worden wäre - die Auffassung vertreten, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen außerhalb seines Heimatstaates befinde. Auch der Beschwerde kann nicht entnommen werden, worauf sich deren nicht weiter konkretisierter Vorwurf gründet, die belangte Behörde sei offensichtlich der Meinung, der Asylwerber habe die von ihm aufgestellten Behauptungen förmlich zu beweisen. Der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verstoß gegen Verfahrensvorschriften liegt somit ebenfalls nicht vor.

Die dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit des Inhaltes zugeordneten Darlegungen der Beschwerde, in Rumänien sei zwar eine neue Regierung gebildet worden, jene Personen, die Mißstände aufzeigten, seien aber nach wie vor der Verfolgung durch die Securitate ausgesetzt, sind nicht geeignet, eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde aufzuzeigen. Soweit es sich dabei um neue, im Verwaltungsverfahren nicht aufgestellte Behauptungen handelt, sind diese im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen des Neuerungsverbotes (§ 41 VwGG) unbeachtlich. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, daß Hinweise auf die allgemeine Lage im Heimatstaat des Asylwerbers nicht die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft begründen können (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1991, Zl. 91/01/0136).

Soweit damit jedoch auf die Behauptung des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, nach dem Sturz des alten Regimes habe sich für ihn nichts geändert, er sei weiterhin unter Beobachtung gestanden und des öfteren von Securitatemännern, die seine Anwesenheit überprüft hätten, in seiner Wohnung aufgesucht worden, Bezug genommen werden soll, zeigen die Beschwerdeausführungen ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides auf, weil derartige Maßnahmen nicht jene Intensität erreichen, daß von einer Verfolgung im Sinne der Konvention, die eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage voraussetzt (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0146, und vom 18. März 1992, Zl. 91/01/0192), gesprochen werden könnte.

In der Beschwerde wird zwar behauptet, der Beschwerdeführer habe im Ermittlungsverfahren "konkrete Schritte und Maßnahmen der Sicherheitspolizei angeführt, die als wohlbegründete Furcht vor Verfolgungen im Sinne der Genfer Konvention zu qualifizieren" seien; diesen Ausführungen kann aber nicht entnommen werden, welche im nahen zeitlichen Konnex mit der Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland stehenden Maßnahmen der staatlichen Behörden (vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0164) nach den oben dargelegten Grundsätzen als Verfolgung im Sinne der Konvention hätten gewertet werden können.

Zu den Darlegungen der Rechtsrüge, die wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung werde damit dokumentiert, daß das Heimatland des Beschwerdeführers dessen Rückkehr mit Hilfe eines Auslieferungsbegehrens erzwingen wolle, ist neuerlich darauf zu verweisen, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, die rumänischen Behörden hätten die dem Auslieferungsbegehren zugrundeliegenden Vorwürfe erfunden, gegen das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) verstößt und daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beachten ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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