VwGH 90/19/0521

VwGH90/19/05218.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des W in B, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. September 1990, Zl. 5-212 Fo 10/5-90, betreffend Bestrafung wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Normen

AAV §46;
ASchG 1972 §31;
BArbSchV §19;
BArbSchV §7;
VStG §51 Abs4;
AAV §46;
ASchG 1972 §31;
BArbSchV §19;
BArbSchV §7;
VStG §51 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0109, hingewiesen, mit dem der im Instanzenzug ergangene Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 16. Oktober 1989 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde. Mit diesem Bescheid waren gegen den Beschwerdeführer wegen drei Übertretungen Geldstrafen in der Höhe von je S 2.000,-- verhängt worden, weil er es zur Vertretung nach außen Berufener einer näher genannten Gesellschaft mbH zu verantworten habe, daß am 24. Oktober 1988 bei der Baustelle LKH Feldbach Gerüstlagen in einer Höhe von mehr als 2 m 1) nicht mit einer Fußwehr, 2) nicht mit einer Mittelwehr und 3) nicht mit einer Brustwehr abgesichert gewesen seien. Dadurch habe er zu 1) und

3) Verwaltungsübertretungen gemäß § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) in Verbindung mit den §§ 7 Abs. 1 und 19 Abs. 4 Bauarbeitenschutzverordnung (BArbSchVO) und § 46 Abs. 6 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) und zu 2) gemäß § 31 Abs. 2 lit. p ASchG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 BArbSchVO und § 46 Abs. 6 AAV begangen.

In den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses vom 2. Juli 1990 wurde das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers aus im einzelnen ausgeführten Erwägungen für nicht zielführend erkannt. Der angefochtene Bescheid wurde deshalb wegen (einer von Amts wegen wahrgenommenen) Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil dann, wenn es bei einer einzigen Gerüstlage unterlassen worden sei, die zur Absicherung dienenden und vom Gesetz vorgeschriebenen Wehren aller Art anzubringen, der Tatbestand des § 31 Abs. 2 lit. p ASchG in Verbindung mit § 46 Abs. 6 AAV und § 19 Abs. 4 BArbSchVO nur einmal erfüllt sei, weshalb auch nur eine Verwaltungsübertretung zu verantworten und nur eine Strafe zu verhängen sei. Insofern sei die Rechtslage von der belangten Behörde verkannt worden. Ferner sei als bei der Verhängung der Strafe angewendete Gesetzesbestimmung auch § 33 Abs. 7 ASchG anzuführen.

2. Mit Bescheid vom 11. September 1990 bestätigte der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) das erstinstanzliche Straferkenntnis unter anderem mit der Maßgabe, daß durch die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Übertretung der Tatbestand des § 31 Abs. 2 lit. p ASchG in Verbindung mit den §§ 46 Abs. 6 AAV und 19 Abs. 4 BArbSchVO verwirklicht worden sei und gemäß § 31 Abs. 2 lit. p in Verbindung mit § 33 Abs. 7 ASchG eine Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe neun Tage) verhängt werde.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes aus, der vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochenen Rechtsansicht sei im Spruch Rechnung getragen worden. Der Strafausspruch verstoße nicht gegen das Verbot der reformatio in peius; ein Verstoß gegen dieses Verbot liege nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nämlich nicht vor, wenn die Berufungsbehörde in Abänderung der rechtlichen Subsumtion dasselbe inkriminierte Verhalten, in welchem die Erstbehörde drei Übertretungen erblickt habe, als nur eine Verwaltungsübertretung werte und hiefür keine höhere Strafe festsetze als die Summe der drei von der ersten Instanz verhängten Strafen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

II.

1. Der Beschwerdeführer macht geltend, daß im Spruch des von der belangten Behörde bestätigten erstinstanzlichen Straferkenntnisses jeweils davon die Rede sei, daß "Gerüstlagen" nicht mit den entsprechenden Wehren abgesichert gewesen seien. Ihm hätte nach der Aktenlage nur angelastet werden können, daß bei einer einzigen Gerüstlage sämtliche Wehren gefehlt hätten.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß im erstinstanzlichen Straferkenntnis das Wort "Gerüstlage" in der Mehrzahl gebraucht wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Umstand bereits in dem zitierten Erkenntnis vom 2. Juli 1990 erwähnt, ihm jedoch im Hinblick darauf, daß im Straferkenntnis nicht von drei verschiedenen Gerüstlagen gesprochen werde und das im Akt liegende Foto, das als Beweis für die angezeigte Verwaltungsübertretung gedient habe, nur eine Gerüstlage zeige, bei der alle Wehren fehlen, keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher bei seinen weiteren Ausführungen davon ausgegangen, daß bei einer Gerüstlage alle Wehren gefehlt haben. Dieses Verständnis liegt auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde, weshalb dem Beschwerdeführer nicht mehr strafbare Handlungen angelastet wurden, als von ihm begangen wurden.

2. Der Beschwerdeführer behauptet, durch die Vorgangsweise der belangten Behörde, die Geldstrafe für eine Übertretung in der Höhe der Summe der von der ersten Instanz verhängten drei Geldstrafen zu bemessen, sei gegen das (sich aus § 51 Abs. 4 VStG 1950 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990 ergebende) Verbot der reformatio in peius verstoßen worden, und meint, dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. April 1970, Slg. Nr. 7771/A, auf das sich die belangte Behörde gestützt habe, liege ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde.

Dem Beschwerdeführer, der sich mit dem zitierten Erkenntnis nicht weiter auseinandersetzt, ist zu erwidern, daß sich aus diesem ergibt, daß keine reformatio in peius vorliegt. Wenn die Berufungsbehörde das gesamte, dem Beschwerdeführer im Straferkenntnis erster Instanz angelastete Verhalten ihrerseits als strafbar erkennt und lediglich die rechtliche Subsumtion dahingehend ändert, daß anstelle von drei Verwaltungsübertretungen eine Verwaltungsübertretung angenommen wird, liegt nach dem zitierten Erkenntnis kein Verstoß gegen das genannte Verbot vor, wenn die verhängte Strafe nicht höher ist als die Summe der von der ersten Instanz insgesamt verhängten Strafen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von dieser in dem zitierten Erkenntnis näher begründeten Rechtsansicht abzugehen.

3. Soweit der Beschwerdeführer meint, es fehlten Feststellungen, daß das Gerüst benützt worden oder zur Benützung vorgesehen gewesen und fertiggestellt worden sei, und in diesem Zusammenhang ergänzt, "diese Gerüstlage könnte genausogut zum Abstellen von Material vorgesehen sein bzw. kann der Aufbau dieser Gerüstlage noch nicht abgeschlossen sein", ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich dabei - abgesehen von der mangelnden Bestimmtheit seiner Behauptungen - um im Grunde des § 41 VwGG unzulässige Neuerungen handelt. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren ausreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt darzulegen, und bisher nie behauptet, das Gerüst sei noch nicht fertiggestellt gewesen oder ausschließlich zur Lagerung von Material vorgesehen gewesen, weshalb die belangte Behörde keine Veranlassung hatte, Ermittlungen in dieser Richtung durchzuführen und Feststellungen zu treffen. Inwieweit er dadurch in seinen Verteidigungsrechten beschränkt worden sein soll, daß ihm die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung (als ersuchte Behörde) mit Schreiben vom 8. Februar 1989 die Durchführung des Verfahrens gemäß § 41 Abs. 3 VStG ohne weitere Anhörung angedroht hat, falls er die Stellungnahme an die Bezirkshauptmannschaft Feldbach nicht fristgerecht erstatte, ist nicht erkennbar, zumal er in der Folge die Stellungnahme - wenn auch verspätet - erstattet und auch die Berufung eingebracht hat.

4. Aus den dargelegen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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