Normen
GrEStG 1955 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §1;
GrEStG 1955 §16 Abs2;
GrEStG 1955 §20 Abs3;
GrEStG 1955 §20 Abs5;
GrEStG 1955 §20;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
GrEStG 1955 §4 Abs1;
GrEStG 1955 §4 Abs2;
GrEStG 1955 §4;
GrEStG 1955 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §1;
GrEStG 1955 §16 Abs2;
GrEStG 1955 §20 Abs3;
GrEStG 1955 §20 Abs5;
GrEStG 1955 §20;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
GrEStG 1955 §4 Abs1;
GrEStG 1955 §4 Abs2;
GrEStG 1955 §4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich - in Übereinstimmung mit der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdeführerin gemäß § 28 Abs. 1 Z. 3 VwGG - im wesentlichen folgendes:
Die Beschwerdeführerin - eine Baugesellschaft m.b.H., jedoch kein gemeinnütziger Bauträger im Sinne des § 4 GrEStG 1955 (in der Folge: GrEStG) - hatte auf Grund des Kaufvertrages vom (12./)18. Mai 1981 das Eigentum an einer bebauten Liegenschaft in Wien um den mit S 2,000.000,-- vereinbarten Kaufpreis erworben. Im Hinblick auf den Zustand des betreffenden Gebäudes hatte die Beschwerdeführerin die Absicht, die Bewohner umzusiedeln, das Objekt abzubrechen und einen Neubau zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten zu errichten. Daher hatte die Beschwerdeführerin in der diesen Erwerbsvorgang betreffenden Abgabenerklärung gemäß § 18 GrEStG die besondere Ausnahme von der Besteuerung nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG beantragt. Im Jahre 1984 war der genannte Kaufpreis einvernehmlich - infolge Nichteinhaltung von Vertragsvereinbarungen (nach Übernahme des Objektes hatte sich bei der Bestandsaufnahme dessen desolater Zustand ergeben) - auf S 1,000.000,-- herabgesetzt worden. Die Errichtung von Arbeiterwohnstätten durch die Beschwerdeführerin war unterblieben und sie hatte die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom (26. Jänner/) 2. Februar 1987 an ein dritte Person veräußert. Die Aufgabe des begünstigten Zweckes und die Herabsetzung des Kaufpreises (samt des erwähnten Grundes für diese Herabsetzung) hatte die Beschwerdeführerin der zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz erstmals mit Schreiben vom 11. September 1989 mitgeteilt.
Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob die Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage für den Erwerbsvorgang vom (12./)18. Mai 1981 (im Sinne der angefochtenen Berufungsentscheidung) S 2,000.000,-- beträgt oder (wie die Beschwerdeführerin vermeint) nur S 1,000.000,--.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden.
Daher sind im vorliegenden Fall noch die Bestimmungen des GrEStG maßgebend.
Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen, ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet.
Aufgrund des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG ist beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen.
Gemäß § 4 Abs. 2 3. Satz GrEStG (in der durch Abschnitt VIII des Abgabenänderungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 557, unberührt gebliebenen Fassung) unterliegen die im Abs. 1. Z 1 bis 4 und Z. 7 bezeichnen Erwerbsvorgänge der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wird.
Nach § 10 Abs. 1 GrEStG ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.
Auf Grund des § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG ist Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis ...
Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 GrEStG gehören zur Gegenleistung Leistungen, die der Erwerber des Grundstückes dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt.
Nach § 16 Abs. 1 GrEStG entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist.
Ist die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig, so entsteht auf Grund des § 16 Abs. 2 GrEStG die Steuerschuld mit dem Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung.
Gemäß § 18 Abs. 3 GrEStG ist die Abgabenerklärung nach Abs. 1 binnen zwei Wochen auch dann vorzulegen, wenn
1. die Gegenleistung des Erwerbers durch Gewährung von zusätzlichen Leistungen neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung erhöht wird, ...
5. einer der im § 4 Abs. 2 oder § 9 Abs. 2 angeführten Tatbestände eintritt.
Wird die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt, so wird nach § 20 Abs. 3 GrEStG die Steuer auf Antrag der Herabsetzung entsprechend festgesetzt,
1. wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld stattfindet,
2. wenn die Herabsetzung (Minderung) auf Grund der §§ 932 und 933 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches vollzogen wird.
Auf Grund des § 20 Abs. 5 GrEStG können Anträge nach Abs. 1 bis 4 bis zum Ablauf des Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem das den Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer begründende Ereignis eingetreten ist.
Grundsätzlich entsteht die Steuerschuld für den Erwerb des Grundstückes nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG schon mit dem Abschluß des Verpflichtungsgeschäftes, d.h. mit Abschluß des schuldrechtlichen Vertrages, durch den der Erwerber den Anspruch auf Übereignung des Grundstückes erwirbt (siehe z. B. das - in gleicher Weise wie die in der Folge zitierten Erkenntnisse - gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1992, Zl. 90/16/0156, mit weiterem Hinweis).
Die im § 4 GrEStG geregelten "besonderen" Ausnahmen stellen auf den Verwendungszweck des angeschafften Grundstückes ab, und dienen vor allem bestimmten Förderungszwecken. Da die Steuerschuld z. B. für den Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten erst mit der Nichterfüllung oder Aufgabe des begünstigten Zweckes entsteht, ist die Steuerfreiheit des betreffenden Erwerbsvorganges nur eine vorläufige (siehe z. B. Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, Wien - Stand nach dem 15. Nachtrag Juli 1987, Tz 80 a zu § 4 und Tz 24 zu § 16, mit weiterem Hinweis). Wird das Grundstück, das zur Schaffung u. a. von Arbeiterwohnstätten steuerfrei erworben wurde, nicht innerhalb von acht Jahren zu dem begünstigten Zweck verwendet (Fertigstellung des Bauwerkes) oder wird innerhalb dieses Zeitraumes der begünstigte Zweck aufgegeben, so erfolgt eine Nachversteuerung (siehe z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1981, Zlen 2814, 2909/80, ÖStZB 21/1982, S. 309, und Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, Band II, Wien 1981, S. 75 und 77).
Die Bestimmung des § 4 Abs. 2 begründet daher keinen neuen Steuertatbestand, sondern ist bloß insoweit von Bedeutung, als bei Vorliegen der in ihr genannten Tatbestandselemente eine Ausnahme von der Steuerpflicht gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG nicht in Betracht kommt und damit die Steuerpflicht nach § 1 GrEStG gegeben ist (siehe z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1992, Zl. 90/16/0170, mit weiterem Hinweis).
Die Beschwerdeführerin war zwar nicht verpflichtet, über die Vereinbarung der Herabsetzung des Kaufpreises eine Abgabenerklärung zu erstatten. Eine solche Verpflichtung wäre u. a. schon deshalb auch nicht sinnvoll, weil § 20 GrEStG nur Fälle betrifft, in denen die BEREITS ENTSTANDENE Steuerschuld auf Antrag nicht festgesetzt bzw. eine bereits erfolgte Festsetzung abgeändert wird (siehe z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1989, Zl. 88/16/0030, ÖStZB 14/1989, S. 228, mit weiterem Hinweis).
Schon aus dem klarem Wortlaut des § 4 Abs. 2 dritter Satz GrEStG ergibt sich jedoch, daß unter den dort angeführten Erwerbsvorgängen für den vorliegenden Fall nur der Kaufvertrag vom (12./)18. Mai 1981 gemeint sein kann, und zwar mit dem in diesem Kaufvertrag als vereinbart angeführten Kaufpreis. Denn nur für diesen Kaufvertrag war die besondere Ausnahme von der Besteuerung nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG beantragt gewesen. Das Entstehen der Steuerschuld auf Grund des § 4 Abs. 2 dritter Satz GrEStG kann wohl nicht anders gewertet werden als die Fälle des Entstehens der Steuerschuld gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG (zu dieser Gesetzesstelle siehe z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. April 1972, Zl 1784/71, Slg. Nr. 4375/F, das nur in seinem § 20 Abs. 5 - später 6 - GrEStG betreffenden Teil durch die Aufhebung dieser zuletzt genannten Gesetzesstelle - Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 1986, G 229/85, Slg. Nr. 10.926 - überholt ist, vom 21. Mai 1976,
Zlen 680, 681/75, Slg. Nr 4979/F - mit dem Hinweis, daß der in der Veröffentlichung nicht näher bezeichnete seinerzeitige Erwerbsvorgang der Kaufvertrag vom 22. 9/7. 10. 1971 gewesen war - vom 1. Juli 1982, Zl. 82/16/0047, Slg. Nr. 5699/F, und vom 26. Jänner 1989, Zlen 88/16/0062, 0063, ÖStZB 19/1989, S. 334).
Denn auch im Falle des § 4 Abs. 2 dritter Satz GrEStG ist nach dem Willen des Gesetzgebers die Verwirklichung eines Erwerbsvorganges schon als gegeben anzunehmen, sobald die Parteien in der Außenwelt ihren Willen, ein Rechtsgeschäft abzuschließen (z. B. durch Unterfertigung der Vertragsurkunde), kundtaten, mögen seine Rechtswirkungen (z. B. die durch die Aufgabe des begünstigten Zweckes ausgelöste Steuerschuld) auch erst später eintreten.
Der zu § 16 GrEStG geäußerte gegenteilige Standpunkt von Dorazil-Schwärzler, Das Grunderwerbsteuergesetz2, Wien 1977, S. 378 Abs. 4, vermag den Verwaltungsgerichtshof schon mangels jeder Begründung nicht zu überzeugen. Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle aber noch bemerkt, daß die von Boruttau-Egly-Sigloch, Das Grunderwerbsteuergesetz11, München 1982, S. 1651, Tz 132 a zu § 17, geäußerte Meinung im Hinblick auf die dort als maßgebend bezeichneten allgemeinen Erstattungsvorschriften nicht ohne weiteres auf den österreichischen Rechtsbereich übertragen werden kann.
Der Wortlaut des § 20 Abs. 3 und 5 GrEStG würde z. B. im vorliegenden Fall eine Herabsetzung des Preises nicht erfassen, möge sie durch die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen bedingt sein oder nicht. Diese Auslegung würde nicht nur zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen, sondern kann auch nicht als vom Gesetzgeber gewollt verstanden werden. Offensichtlich hat er bei dieser Regelung nicht an eine Herabsetzung der Gegenleistung VOR Entstehung der Steuerschuld gedacht und daher eine Lücke gelassen, bei der es sich aber um eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung handelt (siehe z. B. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts, Band I8, Wien 1987, S. 24).
Der Verwaltungsgerichtshof ist daher bei gesamtheitlicher Betrachtung der dargestellten Bestimmungen des GrEStG der Auffassung, daß jedenfalls im Zusammenhang mit
§ 4 Abs. 2 GrEStG diese aufgezeigte Lücke in dem § 20 Abs. 3 und 5 GrEStG durch die Erstreckung der für diesen bestimmten Einzeltatbestand getroffenen Regelung auch auf die Fälle, in denen die Herabsetzung der Gegenleistung vor Entstehung der Steuerschuld stattfand, im Wege der Gesetzesanalogie (siehe z. B. a. zuletzt a. O., S. 25) gefüllt wird. Das den Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer begründende Ereignis ist dann mit dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld gleichzusetzen.
Da die Beschwerdeführerin aber auch auf dem Boden dieser Rechtsansicht die erforderliche rechtzeitige Antragstellung unterließ, ist die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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