VwGH 90/06/0129

VwGH90/06/012923.1.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Mag. E in G, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 5. Juli 1990, Zl. A 17-K-4.523/1990-6, betreffend Baueinstellung, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
BauRallg;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einem Bericht der Behörde erster Instanz über eine am 11. April 1989 durchgeführte Erhebung wurde im wesentlichen festgehalten, daß die verfügte Baueinstellung auf der Liegenschaft G, X-Straße 7, weiterhin nicht eingehalten werde. Nun würden die Fundamente des sich im ersten Hof befindlichen ostseitigen Hauses untergraben und teilweise bis auf eine Tiefe von ca. zwei Metern unterbetoniert. Im zweiten Hof (südseitig) würden ebenfalls schon Untergrabungen beim westseitigen Haus (Wohnobjekt) durchgeführt. Der Aushub im zweiten Hof weise zur Zeit eine Länge von ca. 7,5 Metern und eine Tiefe von ca. 1,5 Metern auf.

Im Amtsbericht über die am 18. April 1989 auf der Baustelle G, X-Straße 7, Grundstücke Nr. n1 und n2, EZ n3, KG G, von der Baubehörde erster Instanz vorgenommenen Erhebung wurde in der Hauptsache dargestellt, daß im Hof des Hauses X-Straße 7a Bauarbeiten ohne behördliche Bewilligung von einer näher bezeichneten Firma durchgeführt würden. Es würden im zweiten Hof an der Westseite Fundamentunterfangungsarbeiten auf einer Länge von ca. 8 Metern durchgeführt. Weiters würden im sogenannten "Keller 2" des Hoftraktes im südwestlichen Eck die Fundamente ebenfalls untergraben und unterbetoniert (auf drei Seiten).

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 21. April 1989 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 70a Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (BO), in der Fassung LGBL. Nr. 14/1989, aufgetragen, auf den Grundstücken Nr. n1 (Baufläche) und n2 (Baufläche) die Bauarbeiten zur Unterfangung der Fundamente der auf den genannten Grundstücken bestehenden Gebäude unverzüglich einzustellen und bis zur Wiederherstellung des ursprünglichen und konsentierten Zustandes die untergrabenen Gebäudefundamente so abzusichern, daß die Standfestigkeit der Gebäude gewährleistet und jede Gefährdung von Personen oder Sachen mit Sicherheit ausgeschlossen sei. Zur Begründung wurde nach der Wiedergabe des § 57 Abs. 1 lit. c BO und des § 70a Abs. 1 BO im wesentlichen ausgeführt, daß im Gegenstandsfall Bauveränderungen vorgenommen würden, die jedenfalls von Einfluß auf die Festigkeit der Gebäude und damit verbunden auf die Sicherheit von Personen sein könnten, dies deshalb, da es bei freigeschachteten Gebäudefundamenten zwangsläufig zu Umlagerungen von Gebäudelasten auf die nicht freigelegten und untergrabenen Fundamente komme, wobei durch deren zusätzliche Beanspruchung die Gefahr von Setzungen der Gebäude gegeben und bei einer Überlastung der Fundamente oder des Bodens die Standfestigkeit der Gebäude gefährdet sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, daß es sich bei den vorgenommenen Bauarbeiten um Sanierungsarbeiten in Erfüllung des gesetzlichen Auftrages des § 70 Abs. 2 BO handle. Sie sei zur unverzüglichen Vornahme von Sanierungsarbeiten nach Notwendigkeit verpflichtet. Im gegenständlichen Fall hätten die im Bescheid vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen nur durch die Unterfangung der Fundamente durchgeführt werden können. Wenn eine Gefährdung von Personen und eine Beeinträchtigung der Standsicherheit zu befürchten sei, dann könne diese Befürchtung nur aufgrund des Auftrages zur Einstellung der Bauarbeiten, nicht jedoch wegen der vorgenommenen Sanierungsarbeiten bestehen. Die Beschwerdeführerin beabsichtige weder einen Umbau noch eine Bauveränderung noch eine Änderung des Verwendungszweckes des Gebäudes im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. c BO. Daher sei der Auftrag zur Einstellung der Bauarbeiten nicht rechtmäßig.

Mit dem namens der belangten Behörde vom Magistrat Graz ausgefertigten Berufungsbescheid vom 15. Juni 1989 wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und die Entscheidung der Behörde erster Instanz bestätigt. Zur Begründung wurde in Ergänzung zu derjenigen der erstinstanzlichen Behörde in deren Bescheid vom 21. April 1989 im wesentlichen ausgeführt, daß der Eigentümer eines Gebäudes, der beabsichtige, Baugebrechen zu beseitigen, um seiner Instandhaltungspflicht zu genügen, hiefür trotzdem um eine Baubewilligung ansuchen müsse. Nur bei drohender Einsturzgefahr sei der Eigentümer ermächtigt, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen ohne Bewilligung durchzuführen. Aber selbst das Vorliegen drohender Einsturzgefahr - die im konkreten Fall sicherlich nicht gegeben gewesen und auch gar nicht behauptet worden sei - vermöge die erforderliche Baubewilligung nicht zu ersetzen. Der Eigentümer sei in diesem Fall dann verpflichtet, um die nachträgliche baubehördliche Bewilligung der durchgeführten Bauarbeiten anzusuchen.

Mit dem hg. Erkenntnis vom 26. April 1990, Zl. 89/06/0160, AW 89/06/0060, wurde dieser Bescheid der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde infolge der gemäß Art. 139 Abs. 6 letzter Satz B-VG auf den damaligen Beschwerdefall zurückwirkenden Aufhebung des präjudiziellen § 19 Abs. 4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben.

Mit Schreiben vom 15. Juni 1990 hielt die Behörde erster Instanz fest, daß mit 19. Februar 1990 ein Ansuchen um Bewilligung zur "Sanierung und Trockenlegung der Fundamente und des Kellermauerwerkes" der sich in G, X-Straße 7 und 7a, befindlichen Gebäude bei der erstinstanzlichen Behörde eingebracht worden sei. Das Ansuchen sei bisher nicht erledigt worden, scheine jedoch bewilligungsfähig zu sein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und die Entscheidung der Behörde erster Instanz bestätigt. Die belangte Behörde führte ihre Begründung wie in ihrem Bescheid vom 15. Juli 1989 aus und legte überdies in der Hauptsache dar, daß zwar während eines Antrages um nachträgliche Bewilligung für einen konsenslosen Bau ein Abbruchauftrag zulässig, die Vollstreckung des Auftrages jedoch erst nach rechtmäßiger Abweisung oder Zurückweisung des Bauansuchens möglich sei. Der nunmehrige Ersatzbescheid sei als Sitzungsstück nach § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz beschlossen worden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 57 Abs. 1 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung (BO) in der Fassung LGBL. Nr. 12/1985 bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde Gebäude, Bauwerke und Anlagen (§ 25 Abs. 3 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974) wie Bauveränderungen..., die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestaltung und die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluß sein können....

Gemäß § 70a Abs. 1 erster und zweiter Satz BO in der Fassung LGBL.Nr. 14/1989 ist bei Bauarbeiten, die ohne die erforderliche Bewilligung ausgeführt werden, die Baueinstellung zu verfügen. Vorschriftswidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, sind zu beseitigen.

Gemäß § 71 Abs. 2 BO kann gegen Bescheide der Behörde erster Instanz die Berufung an den Gemeinderat eingebracht werden.

Gemäß Art. II Abs. 2 lit. A Z. 2 EGVG 1950 findet unter anderem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 auf das behördliche Verfahren der Organe der Städte mit eigenem Statut Anwendung.

Zur Bestimmung des § 57 Abs. 1 lit. c BO hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt, daß es bei den darin genannten Bauveränderungen nicht darauf ankommt, daß sie hinsichtlich ALLER in der genannten Gesetzesstelle bezeichneten Umstände von Einfluß sein können; es genügt vielmehr, daß auf die Bauführung EINES der aufgezählten Kriterien (Einflußmöglichkeit auf Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit, äußere Gestaltung oder gesundheitliche Verhältnisse) zutrifft. Ferner kommt es auch nicht darauf an, daß die Bauführung hinsichtlich der genannten Umstände von nachteiligem Einfluß ist, sondern es genügt, daß die abstrakte Möglichkeit eines Einflusses besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1991, Zl. 91/06/0110, AW 91/06/0030, mit weiteren Nachweisen). Die Bewilligungspflicht wird bereits durch die Möglichkeit eines Einflusses ("sein können") ausgelöst (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. März 1988, Zl. 86/06/0192, BauSlg.Nr. 1082, und vom 28. Juni 1990, Zl. 89/06/0050, 0145 und 0200). Es ist somit die abstrakte Gefahr, welche die Bewilligungspflicht begründet, von einer konkreten Gefahr, die ein bestimmtes Bauprojekt herbeizuführen geeignet ist, und die Ablehnung des Bauansuchens nach sich ziehen muß, zu unterscheiden (vgl. das zur insoweit gleichgelagerten Tiroler Bauordnung 1978 ergangene

hg. Erkenntnis vom 11. September 1986, Zl. 84/06/0151, Bau Slg.Nr. 738).

Daß das Bauvorhaben nach Ansicht der Beschwerdeführerin nur der Erhaltung der Substanz dient und nach den Angaben der Beschwerdeführerin bislang keinerlei Setzungsrisse oder ähnliche Folgen der Sanierungsarbeiten aufgetreten sind, die konkrete Bauführung somit bisher die Festigkeit und Sicherheit nicht beeinflußt haben, ist im Baubewillungsverfahren zu prüfen und ermöglicht ihre Bewilligung (vg. die zur insoweit gleichartigen Tiroler Bauordnung 1978 ergangenen

hg. Erkenntnisse vom 3. April 1986, Zl. 85/06/0180, BauSlg.Nr. 645, und vom 11. September 1986, Zl. 84/06/0151, BauSlg.Nr. 738), kann sie jedoch nicht ersetzen. Auch im Auftrag zur Vornahme dieser Arbeiten kann die erforderliche Bewilligung nicht ersetzen.

Wie die Verwaltungsbehörden zutreffend dargelegt haben, kommt es infolge Unterfangungen der gegenständlichen Art und Größe bei freigeschachteten Gebäudefundamenten notwendigerweise zu Umlagerungen von Gebäudelasten auf die nicht freigelegten und untergrabenen Fundamente; da die Fundamente zusätzlich belastet werden, besteht die Gefahr von Setzungen des Objektes. Die Überlastung der Fundamente oder des Bodens gefährdet die Standfestigkeit. Es besteht daher kein Zweifel, daß die Arbeiten zur Unterfangung der Fundamente Bauveränderungen im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. c BO darstellen, die auf die Festigkeit und Sicherheit von Einfluß sein können.

Da die Arbeiten zur Unterfangung der Fundamente gemäß § 57 Abs. 1 lit. c BO einer bauhördlichen Bewilligung bedurft hätten, diese aber zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (noch) nicht vorgelegen ist, ist die auf § 70a Abs. 1 BO beruhende Baueinstellung zu Recht verfügt worden.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sind § 70 Abs. 2, § 73 und § 73 Abs. 2 BO im Verwaltungsverfahren nie angewendet worden, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend angeführt hat. Daher war auf die von der Beschwerdeführerin behauptete Unzulässigkeit der Anwendung dieser Normen nicht näher einzugehen.

Weiters rügt die Beschwerdeführerin, daß der angefochtene Bescheid unüberprüfbar sei, weil diesem nicht zu entnehmen sei, in welcher Sitzung der belangten Behörde diese Entscheidung gefällt worden sei; daher sei der angefochtene Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Die belangte Behörde war jedoch nach § 71 Abs. 2 BO zur Entscheidung über die Berufung zuständig. Weder das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950, das gemäß Art. II Abs. 2 lit. A Z. 2 EGVG 1950 auf das behördliche Verfahren der Organe der Städte mit eigenem Statut - wie hier - anzuwenden ist, noch die im Beschwerdefall ebenfalls anzuwendende BO sieht die Bekanntgabe, in welcher Sitzung der belangten Behörde der Entwurf für den angefochtenen Bescheid beschlossen wurde, im Bescheid vor. Der angefochtene Bescheid wurde daher von der zuständigen Behörde erlassen. Daß ein Beschluß überhaupt nicht zustande gekommen ist, behauptet ja nicht einmal die Beschwerdeführerin. Darüber hinaus ergibt sich aus den Verwaltungsakten, daß der Beschluß der belangten Behörde über die Annahme des Entwurfes des Berufungsbescheides am 5. Juli 1990 gefaßt worden ist.

Es war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers

BGBl. Nr. 104/1991.

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