VwGH 89/12/0018

VwGH89/12/001816.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des A in P, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. November 1988, Zl. 102 691/14-II/2/88, betreffend Aberkennung der Dienstzulage nach § 73b des Gehaltsgesetzes 1956, zu Recht erkannt:

Normen

BEinstG §2 Abs1;
BEinstG §7;
GehG 1956 §3;
GehG 1956 §73b;
VwRallg;
BEinstG §2 Abs1;
BEinstG §7;
GehG 1956 §3;
GehG 1956 §73b;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle war in dem im Beschwerdefall maßgebenden Zeitpunkt die Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsabteilung. Er war hier als Wagenkommandant beim Verkehrsunfallkommando im Schichtdienst, Dienstplan A, eingeteilt. Bei einem am 5. September 1985 im Dienst erlittenen Unfall (bei der Festnahme eines alkoholisierten Fahrzeuglenkers) zog sich der Beschwerdeführer eine Distorsion des rechten Handgelenkes mit knöcherner Absprengung des rechten Handkahnbeines zu.

Aus sachlichen (mehrere Beanstandungen), aber auch aus gesundheitlichen Erwägungen wurde der Beschwerdeführer am 1. Jänner 1986 als "Sonder-VKI" bei der Verkehrserziehungsgruppe im Tagdienst verwendet. Nach der Aktenlage erklärte sich der Beschwerdeführer mit der neuen Verwendung einverstanden.

Mit Bescheid vom 15. September 1986 stellte das Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland (im folgenden kurz: LIA) auf Grund eines vom Beschwerdeführer im Jänner dieses Jahres gestellten Antrages fest, daß er ab 1. Jänner 1986 dem Kreis der begünstigten Invaliden (§ 2 Abs. 1 Invalideneinstellungsgesetz) angehöre. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 50 v.H. Das LIA ging dabei von folgenden Gesundheitsschädigungen aus:

"Art der Gesundheitsschädigung: Position in Höhe

den Richt- der MdE:

sätzen:

1. Obstruktive Emphysembronchitis gZ III/a/284 30 v.H.

Unterer Rahmensatz, der derzeitigen Lungenfunktionsstörung

entsprechend.

2. Z.n.Ulnarer Seitenbandläsion

rechts mit knöcherner Absprengung

des rechten Handkahnbeines gZ I/c/58 30 v.H.

(Gebrauchsarm)

Oberer Rahmensatz, der Funktionsstörung.

3. Chronische Pharyngitis und Laryngitis

mit Heiserkeit VII/d/673 20 v.H.

Pleurale Adhäsionen sind nicht feststellbar gewesen. Die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit beträgt somit fünfzig von Hundert (50 v.H.), weil Leiden 1. im Zusammenwirken mit den übrigen Leiden um 2 Stufen erhöht wird."

Laut Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Wien/Verkehrsabteilung vom 28. Jänner 1987 wurde dem Beschwerdeführer (nach Bekanntwerden dieser Entscheidung des LIA) ab sofort das Leisten von Nebendiensten (insbesondere Überwachungsdienste bei Botschaften etc.) im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand untersagt.

Am 18. Mai 1987 stellte der Chefarzt der Bundespolizeidirektion Wien folgenden "polizeichefärztlichen Befund und Gutachten" aus:

"GrInsp. A 3. wurde vom Gefertigten polizeifachärztlich untersucht.

Bei dem Untersuchten findet sich als Dauerfolge nach dem Dienstunfall v. 5.9.1985 eine deutliche Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes sowie eine chronische Instabilität des Daumengrundgelenkes. Es ist daher eine deutliche Kraftabschwächung und eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Daumen-Zeigefinger-Spitzgriff festzustellen.

Der Untersuchte ist für die Dauer eines Jahres bef.o.A."

In einem Aktenvermerk vom 22. Mai 1987 wurde festgehalten, daß der Beschwerdeführer laut chefärztlichem Gutachten vom 18. Mai 1987 nur mehr bedingt exekutivdienstfähig OHNE Außendienst sei.

Im Auftrag der Dienstbehörde erster Instanz (Bundespolizeidirektion Wien-Generalinspektorat der Sicherheitswache) brachte die Verkehrsabteilung laut Niederschrift vom 27. Mai 1987 das Gutachten und die neuerlich geänderte dienstliche Verwendung dem Beschwerdeführer zur Kenntnis. Der Beschwerdeführer gab folgende Erklärung ab:

"Ich nehme zur Kenntnis, daß meine dienstliche Verwendung ausschließlich als S-VKI innerhalb der Schulverkehrsgärten C oder B zu erfolgen hat."

In einer weiteren Niederschrift vom 11. Juni 1987 bestätigte der Beschwerdeführer, daß ihm das polizeifachärztliche Gutachten und der Befund vom 18. Mai 1987 vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht worden seien.

Laut Niederschrift vom 27. Juli 1987 gab der Beschwerdeführer - in Ergänzung zur Niederschrift vom 27. Mai 1987 betreffend seine Verwendung als "S-VKI ohne Außendienst" folgende Erklärung ab:

"Am 25.05.1987 wurde mir von Obstl S erklärend zur im Betreff angef. NS aufgetragen, daß ich meinen Dienst im jeweiligen Schulverkehrsgarten (im Regelfall ist dies der Verkehrsgarten C) in Zivilkleidung anzutreten habe. Im geschlossenen Verkehrsgarten wird der Dienst in Uniform geleistet. Weiters wurde ich beauftragt, für den Fall daß ich zum Einschreiten außerhalb des Verkehrsgartens aufgefordert werden sollte, ich über Telefon vom Verkehrsgarten aus den ID bzw. das zust. BezPol-Koat zu verständigen habe. Da ich auf Grund des chefärztlichen Gutachtens nur bedingt exekutivdienstfähig, ohne Außendienst, erklärt wurde, habe ich keinesfalls selbst einzuschreiten. Die Richtigkeit des Vorstehenden wird von mir bestätigt."

Bereits zuvor hatte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Juli 1987 der Dienstbehörde um "Ausstellung eines Bescheides" ersucht, da ihm auf Grund seiner im Dienst erlittenen Invalidität "Gebühren gekürzt bzw. eingestellt" worden seien.

Mit Bescheid vom 14. September 1987 setzte das LIA auf Grund des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages vom 7. September 1987 das Ausmaß der MdE ab 1. September 1987 mit 70 v.H. fest. Das LIA begründete seine Entscheidung unter Hinweis auf ein ärztliches Sachverständigengutachten vom Juli 1987 im wesentlichen damit, daß das erstgenannte Leiden (obstruktive Emphysembronchitis) auf Grund einer höhergradigen Ventilationsstörung mit einer MdE mit 50 v.H. einzuschätzen gewesen sei. Außerdem beruht dieser Bescheid auf zwei weitere (bisher nicht anerkannte) Gesundheitsschädigungen. Die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit betrage 70 v.H., weil die führende MdE wegen teilweiser Leidensüberschneidung um zwei Stufen erhöht werde.

Am 9. November 1987 erstellte der Polizeichefarzt nach Untersuchung des Beschwerdeführers folgenden polizeichefärztlichen Befund und Gutachten:

"Aufgrund der M.d.E. von 70 v.H. ist der Untersuchte bleibend exekutivdienstunfähig, JEDOCH FÜR DEN KANZLEIDIENST IN DER VERWALTUNG GEEIGNET. Er ist in der Lage, leichte Arbeiten zu verrichten. Der Mangel der vollen physischen Eignung ist auf eine im Dienst erlittene gesundheitliche Schädigung zurückzuführen."

In der Folge stellte die Dienstbehörde erster Instanz mit Bescheid vom 16. Dezember 1987 auf Grund des oben erwähnten Antrages des Beschwerdeführers vom 15. Juli fest, dem Beschwerdeführer gebühre ab 1. Juni 1987 nicht die Dienstzulage gemäß § 73b des Gehaltsgesetzes 1956 (GG) (weitere Feststellungsbescheide vom gleichen Tag betreffen die Nichtgebührlichkeit der pauschalierten Aufwandsentschädigung nach § 20 Abs. 1 GG sowie der pauschalierten Gefahrenzulage nach § 19b GG; sie sind jedoch nicht Gegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens).

Die Dienstbehörde erster Instanz begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, auf Grund des dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Gutachtens des Polizeichefarztes vom 18. Mai 1987 betreffend seine bedingte Exekutivdienstfähigkeit (ohne Außendienst) sei am 25. Mai 1987 vom Dienstvorgesetzten des Beschwerdeführers verfügt worden, daß der Beschwerdeführer seinen Dienst als Sonderverkehrsinspektor ausschließlich innerhalb der Schulverkehrsgärten C oder B zu versehen habe. Weiters sei ihm die Weisung erteilt worden, den Dienst im jeweiligen Verkehrsgarten in Zivilkleidung anzutreten und sich, selbst im Falle der Aufforderung, jeden polizeilichen Einschreitens zu enthalten. Im (zweiten) Gutachten des Polizeichefarztes vom 9. November 1987 sei der Beschwerdeführer auf Grund der vom LIA festgestellten MdE von 70 v.H. als bleibend exekutivdienstunfähig befunden worden. Auf Grund dieses Gutachtens sei von der Dienstbehörde die Feststellung getroffen worden, daß der Beschwerdeführer ab 9. November 1987 bleibend exekutivdienstunfähig sei. Da der Beschwerdeführer jedoch "für den Kanzleidienst in der Verwaltung" und "in der Lage, leichte Arbeiten zu verrichten" tauglich befunden worden sei, werde er ab 10. November 1987 im Kasernkommando der X-Kaserne im Kanzleidienst verwendet. Mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz sei dem Beschwerdeführer mit Wirkung ab 1. Oktober 1982 auf Grund seiner damaligen Verwendung die Dienstzulage gemäß § 73b GG zuerkannt worden. Auf Grund des (ersten) polizeichefärztlichen Gutachtens vom 18. Mai 1987, in dem die bedingte Exekutivdienstfähigkeit ohne Außendienst festgestellt worden sei und auf Grund der daraufhin von der Dienstbehörde getroffenen Feststellung, daß der Beschwerdeführer ab 18. Mai 1987 bedingt exekutivdienstfähig und im Außendienst nicht zu verwenden sei, sei die als Voraussetzung nach § 73b Abs. 1 GG für die Zuerkennung dieser Dienstzulage geforderte Exekutivdiensttauglichkeit von diesem Tag an nicht mehr gegeben. Die genannte Dienstzulage sei daher mit dem auf die Feststellung folgenden Monatsersten einzustellen gewesen.

In seiner unter anderem gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, der erstinstanzliche Bescheid gehe davon aus, daß er mit chefärztlichem Befund und Gutachten vom 9. November 1987 für bleibend exekutivdienstunfähig befunden worden sei. Dieses Gutachten sei dem Beschwerdeführer bisher nicht zur Kenntnis gebracht worden. Außerdem sei er seiner Meinung nach nach wie vor exekutivdienstfähig, habe er doch Ende Mai 1987 bei einem Übungsschießen mit der Dienstpistole alle Übungen erfolgreich absolviert. 1986 (also ebenfalls nach seinem Dienstunfall im Jahre 1985) habe er freiwillig die Sturmgewehrausbildung erfolgreich absolviert. Davon abgesehen seien sowohl die Tätigkeit als Sonderverkehrsinspektor als auch der Kanzleidienst im Kasernkommando Y Verwendungen, die nach § 73b Abs. 3 GG einen Anspruch auf die Dienstzulage gemäß § 73b Abs. 1 leg. cit. begründeten.

Unabhängig von der Art der (jeweils) von ihm verrichteten Dienste habe er gemäß § 7 des Invalideneinstellungsgesetzes Anspruch auf die Dienstzulage nach § 73b GG, da ihm sein Entgelt aus dem Grund der Invalidität nicht gemindert werden dürfe und er zum Kreis der begünstigten Invaliden gehöre.

Die belangte Behörde führte ein Ermittlungsverfahren durch, in dem sie dem Beschwerdeführer (im Wege über die Dienstbehörde erster Instanz) Parteiengehör zum Gutachten vom 9. November 1987 gewährte. In seiner Stellungnahme vom 27. Juni 1988 bemängelt der Beschwerdeführer, es liege kein taugliches Gutachten im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. In rechtlicher Hinsicht brachte der Beschwerdeführer zu einer ihm mitgeteilten Rechtsansicht vor, seiner Meinung nach könne aus den Bestimmungen der §§ 73b Abs. 4 und 74 Abs. 1 Z. 2 GG nicht geschlossen werden, daß das GG eine lex specialis zu § 7 des Invalideneinstellungsgesetzes sei. Die genannten Bestimmungen des GG fänden nämlich seiner Meinung nach nur auf jene Beamte Anwendung, die nicht zum Kreis der begünstigten Invaliden gehörten. Die Auslegung, daß öffentlich-rechtliche Bedienstete und insbesonders Exekutivdienstbeamte im Falle ihrer Invalidität in geringerem Ausmaß geschützt sein sollten (als behinderte Arbeitnehmer in einem anderen Dienstverhältnis) sei durch das Gesetz nicht gedeckt.

In der Folge erstellte der Polizeichefarzt ein weiteres (drittes) Gutachten. In diesem Gutachten vom 19. August 1988 stellte er unter Hinweis auf einen vom Beschwerdeführer vorgelegten Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin (erstellt während des Kuraufenthaltes des Beschwerdeführers in Bad Gleichenberg in der Zeit vom 25. Juli bis 16. August 1988) Dr. K. fest, der Beschwerdeführer leide nach wie vor an hochgradiger Beeinträchtigung der gesamten Atemwege (Pharyngolaryngitis, Tracheobronchitis) mit konsekutiver Rechtsherzbelastung. Dadurch sei die gesamte Leistungsfähigkeit der Atmungsorgane hochgradig beeinträchtigt. Der Beschwerdeführer müsse deshalb auch ständig medikamentös behandelt werden. Außerdem bestehe nach wie vor eine Bewegungseinschränkung des rechten Daumens und des rechten Handgelenks, eine deutliche Kraftabschwächung im Bereich des rechten Unterarmes sowie eine Sensibilitätsstörung der sogenannten Fingergabel rechts (Griff mit Daumen und Zeigefinger). Dem Beschwerdeführer sei nach wie vor vom LIA eine 70-prozentige MdE zugemessen. Wegen dieser vielfachen gesundheitlichen Beeinträchitgungen sei der Beschwerdeführer nicht exekutivdienstfähig, das heiße, es seien ihm alle möglicherweise vorkommenden körperlichen Anstrengungen, die im Rahmen eines Exekutivdienstes notwendig sein könnten, nicht mehr zumutbar. Der Beschwerdeführer sei jedoch für den Kanzleidienst in der Verwaltung geeignet.

Auch an diesem ihm im Rahmen des Parteiengehörs mitgeteilten Gutachten bemängelte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 6. September 1988, er enthalte keine Feststellungen, welche konkreten Tätigkeiten er noch bzw. nicht mehr verrichten könne. Die im Gutachten getroffenen diesbezüglichen Aussagen seien zu allgemein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. November 1988 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab, änderte jedoch den Spruch dahingehend ab, daß dem Beschwerdeführer die ihm seinerzeit zuerkannte Dienstzulage gemäß § 73b Abs. 1 GG mit Wirksamkeit vom 1. Juni 1987 aberkannt werde.

In der Begründung führte die belangte Behörde zunächst aus, warum sie den Spruch neu gefaßt habe (Unzulässigkeit eines Feststellungsbescheides bei Möglichkeit der Erlassung eines Rechtsgestaltungsbescheides). In der Sache selbst habe die Dienstbehörde erster Instanz aber zutreffend entschieden. Hiefür seien im wesentlichen die polizeichefärztlichen Gutachten vom 18. Mai 1987 (bedingte Exekutivdiensttauglichkeit ohne Außendienst und die darauf aufbauende Dienstverwendung des Beschwerdeführers in bestimmten Schulverkehrsgärten) und vom 9. November 1987 (bleibende Exekutivdienstunfähigkeit und die seit 10. November 1987 bis zum Zeitpunkt der Dienstzuteilung des Beschwerdeführers zum Bundesministerium für Landesverteidigung erfolgte Verwendung des Beschwerdeführers im Kanzleidienst im Kasernkommando-X-Kaserne) maßgebend gewesen. Unzweifelhaft könne darauf (sowie auf das ergänzende Gutachten vom 19. August 1988) angesichts der erhobenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Bereich der rechten Hand des Beschwerdeführers (deutliche Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes sowie chronische Instabilität des Daumengrundgelenkes) und der daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen (deutliche Kraftabschwächung und Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Daumen-Zeigefinger-Spitzgriff) die Feststellung der eingeschränkten bzw. völlig fehlenden Exekutivdienstfähigkeit gestützt werden. Durch die Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit des Gebrauchsarmes des Beschwerdeführers sei nämlich seine Fähigkeit zur Bewältigung der mit exekutiven Außendienstleistungen verbundenen mannigfaltigen Aufgabenstellungen zweifellos eingeschränkt worden. Am schwersten wiege hiebei die solcherart mögliche, nicht im erforderlichen Ausmaß auszuschließende Beeinträchtigung im Fall des Gebrauches der Dienstwaffe. Diese Feststellungen könnten auch nicht durch den Verweis des Beschwerdeführers auf die erfolgreiche Ablegung des Übungsschießens mit der Dienstpistole im Mai 1987 bzw. der Absolvierung der Sturmgewehrausbildung im Jahr 1986 entkräftet werden. Die während eines Übungsschießens dokumentierte bzw. im Zuge einer Ausbildung erworbene Fähigkeit zur Handhabung einer Schußwaffe lasse nur einen bedingten Schluß auf die Beherrschbarkeit der Waffe während eines realen Einsatzes zu. Während es dem Beschwerdeführer im Rahmen des Schulungs- bzw. Übungsbetriebes durchaus möglich gewesen sei, Beeinträchtigungen auf Grund der Funktionsstörungen seiner rechten Hand weitgehend zu überspielen, erscheine eine Umsetzung der erlernten bzw. übungsweise aufgefrischten Fertigkeiten in einem wirklichen Einsatzfall wegen der zusätzlich zu berücksichtigenden besonderen psychischen Situation, in der sich jeder Wachebeamte dabei befinde, nicht im erforderlichen Ausmaß gewährleistet. Wegen des Gefahrenmomentes, das jedem Schußwaffengebrauch innewohnte, und der daraus abgeleiteten Notwendigkeit, jeden Risikofaktor möglichst auszuschalten, müsse daher dem Leiden des Beschwerdeführers entsprechend hohes Gewicht beigemessen werden. Da die angeführte Funktionsstörung im Bereich der rechten Hand für die Feststellung der Exekutivdienstuntauglichkeit ausreichten, seien die sonstigen Leiden des Beschwerdeführers (insbesondere Beeinträchtigung der Atemwege) nicht berücksichtigt worden.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers reiche die im chefärztlichen Gutachten enthaltene Umschreibung der Funktionsstörung der rechten Hand des Beschwerdeführers für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob Exekutivdienstunfähigkeit gegeben sei oder nicht, aus, ohne daß es der Aufzählung von Tätigkeiten im Sachverständigenbeweis bedürfe, die der Beschwerdeführer noch oder nicht mehr verrichten könne. Es sei wohl offenkundig, daß ein Exekutivbeamter die volle Funktionsfähigkeit beider Hände (jedenfalls aber des Gebrauchsarmes) aufweisen müsse, da neben der Beherrschbarkeit der Dienstwaffe die Anwendung von Brachialgewalt (z.B. bei der Festnahme, der Bewachung oder dem Transport von Personen) zum zentralen Aufgabenbereich eines Exekutivbeamten gehörten. Die Umschreibung der Funktionsstörung im Bereich des Gebrauchsarmes im polizeichefärztlichen Gutachten habe der Beschwerdeführer nicht bestritten; er habe auch selbst die infolge des Gutachtens vom 18. Mai 1987 getroffene Feststellung seiner bloß bedingten Exekutivdienstfähigkeit ursprünglich widerspruchslos zur Kenntnis genommen und seine Auffassung erst nach der daraufhin erfolgten Einstellung der Dienstzulage geändert.

Habe aber der Wegfall der Exekutivdienstfähigkeit für den gegenständlichen Zeitraum angenommen werden dürfen, sei eines der beiden Tatbestandsmerkmale, an die § 73b GG den Anspruch auf Dienstzulage knüpfe, weggefallen. Es sei daher nicht mehr entscheidungswesentlich gewesen, ob die vom Beschwerdeführer seither erbrachten Tätigkeiten der Richtverwendung nach § 73b Abs. 2 GG entsprochen hätten oder eine dieser gleichzuhaltende Verwendung (im Sinne des Abs. 3 leg. cit.) darstellten.

Der Hinweis auf § 7 des Invalideneinstellungsgesetzes gehe gleichfalls ins Leere. Der Sinn dieser Bestimmung liege nämlich offenkundig darin, eine Entgeltsminderung eines begünstigten Invaliden nur dann auszuschließen, wenn dieser einen Arbeitsplatz innehabe, mit dem der gleiche Aufgabenbereich verbunden sei, wie mit einem entsprechenden Arbeitsplatz eines nicht behinderten Beamten und der begünstigte Invalide lediglich eine auf Grund der Behinderung sich zwangsläufig ergebende Minderleistung in quantitativer Hinsicht zu vertreten habe. Die Zuerkennung der Dienstzulage nach § 73b Abs. 1 GG, die zwingend an die Exekutivdiensttauglichkeit gebunden sei, könne daher niemals auf § 7 des Invalideneinstellungsgesetzes gestützt werden. § 73b GG sei im Verhältnis zu § 7 des Invalideneinstellungsgesetzes die lex specialis.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 73b Abs. 1 und 4 des Gehaltsgesetzes 1956 lauten:

"§ 73b. (1) Dem exekutivdiensttauglichen Wachebeamten der Verwendungsgruppe W 2, der eine in der Anlage 1 Z. 12.3 zum BDG 1979 angeführte Grundausbildung erfolgreich absolviert hat und ständig mit der Wahrnehmung der Aufgaben einer im Abs. 2 angeführten Richtverwendung oder einer gemäß Abs. 3 gleichzuhaltenden Verwendung betraut ist, ist für die Dauer der Betrauung mit dieser Verwendung eine ruhegenußfähige Dienstzulage von 482 S (Anmerkung: Höhe der Zulage zum 1. Juni 1987) zuzuerkennen. Diese Dienstzulage ist auch dem exekutivdiensttauglichen Wachebeamten der Verwendungsgruppe W 1 zuzuerkennen. Die Zuerkennung bedarf der Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen.

...

(4) Die im Abs. 1 angeführte Dienstzulage ist auch dann der Bemessung des Ruhegenusses zugrunde zu legen, wenn sie der Beamte bis zum Beginn einer Dienstunfähigkeit bezogen hat, die für seine Versetzung in den Ruhestand maßgebend war."

§ 7 des Behinderteneinstellungsgesetzes (die Umbenennung erfolgte durch die Novelle, BGBl. Nr. 721/1988) lautet:

"Das Entgelt, das dem im Sinne dieses Bundesgesetzes beschäftigten begünstigten Behinderten gebührt, darf aus dem Grunde der Behinderung nicht gemindert werden."

Nach § 2 Abs. 1 BEinstG sind begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.

Behinderung im Sinne des Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder psychischen Zustand beruht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 3 Abs. 1 BEinstG).

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Dienstzulage nach § 73b GG durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie in seinem Recht, nach § 7 BEinstG keine Entgeltseinbuße wegen Invalidität zu erleiden, und der Vorschrift über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG; §§ 37, 39 und 60 AVG) verletzt.

Unter dem Gesichtpunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, es sei unbestritten, daß er Behinderter im Sinne des BEinstG sei. Im Hinblick auf die Zielrichtung des Gesetzes und der Bestimmung über den Kündigungsschutz (§ 8) sei davon auszugehen, daß § 7 BEinstG eine entgeltmindernde Verwendung ebenfalls unzulässig mache. Unklar bleibe, wodurch sich der Beschwerdefall von dem von der belangten Behörde selbst als unzulässig erklärten Fall der Bezugskürzung unterscheide. Abgesehen davon, bestehe ein Widerspruch zur von der belangten Behörde gewählten Argumentation, die die Frage ausgeklammert habe, ob seine Verwendung zum Exekutivdienst gehöre oder nicht und ausschließlich darauf abgestellt habe, daß er für den Exekutivdienst nicht tauglich sei. Da diese Annahme wiederum ausschließlich auf seiner Behinderung beruhe, begründe sich die Bezugskürzung allein auf diese und nicht auf Verwendungsfragen. Der Beschwerdeführer werde daher nur wegen angenommener Folgen seiner Behinderung besoldungsrechtlich schlechter behandelt als gleichartig Beschäftigte.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Eine ausdrückliche Bestimmung, wonach öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse vom Anwendungsbereich des BEinstG ausgenommen sein sollen, ist im BEinstG nicht enthalten. Sie kann aus diesem Gesetz auch nicht im Wege der Auslegung abgeleitet werden. Das BEinstG geht daher grundsätzlich davon aus, daß es auch auf öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse Anwendung findet. Einschränkungen können sich freilich aus den das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis regelnden Vorschriften (Dienst- und Besoldungsrecht) ergeben. Eine solche eingeschränkte Anwendbarkeit des BEinstG ist z.B. dann gegeben, wenn es an ein Institut anknüpft, das im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis nicht oder nur in einem eingeschränkten Umfang vorkommt.

In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof die Anwendbarkeit des § 8 BEinstG auf das definitive (öffentlich-rechtliche) Dienstverhältnis zum Bund mangels einer gesetzlichen Kündigungsmöglichkeit desselben verneint (vgl. dazu das Erkenntnis vom 20. April 1972, Zl. 2326/1971 = Slg. N.F. Nr. 8215 A), hingegen für das provisorische Dienstverhältnis wegen dessen Kündbarkeit (vgl. z.B. § 10 BDG 1979) bejaht (vgl. dazu das Erkenntnis vom 21. September 1987, Zl. 86/12/0209 = Slg. N.F. Nr. 12.539 A).

Wendet man diese Überlegungen auf § 7 BEinstG an, so ergibt sich - unter dem Gesichtspunkt des Beschwerdefalles - folgendes:

Die Verwendung des Begriffes "Entgelt" in § 7 BEinstG schließt für sich allein - ungeachtet der hievon abweichenden Bezeichnung der Entgeltsansprüche des Beamten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gegenüber seinem Dienstgeber (vgl. z.B. § 3 GG 1956) - dessen Anwendbarkeit im Besoldungsrecht öffentlich-rechtlicher Bediensteter nicht aus.

§ 7 BEinstG können auch nicht die Bestimmungen der §§ 38 Abs. 1 Z. 2, 73b Abs. 4 sowie 74 Abs. 1 Z. 2 GG 1956 als leges speciales entgegengehalten werden.

Nach § 38 Abs. 1 Z. 2 GG 1956 gebührt dem Beamten des Höheren Dienstes bei Bundespolizeibehörden und den Sicherheitsdirektionen auch dann die Exekutivdienstzulage, wenn er infolge eines in seinem Dienst erlittenen Dienstunfalles nicht mehr in diesem Dienst verwendet werden kann. Gleiches gilt nach § 74 Abs. 1 Z. 2 GG 1956 für den Anspruch eines Wachebeamten auf Wachedienstzulage. § 73b Abs. 4 GG 1956 sieht vor, daß die im Abs. 1 leg. cit. angeführte Dienstzulage - sie gebührt dem exekutivdiensttauglichen Wachebeamten einer bestimmen Verwendungsgruppe für die Dauer der Betrauung mit bestimmten im Gesetz aufgezählten Richtverwendungen oder diesen gleichzuhaltenden Verwendungen - auch dann der Bemessung des Ruhegenusses zugrundezulegen ist, wenn sie der Beamte bis zum Beginn einer Dienstunfähigkeit bezogen hat, die für seine Versetzung in den Ruhestand maßgebend war.

Diesen Zulagenregelungen ist gemeinsam, daß sie Beamte in einer bestimmten Verwendung betreffen, die typischerweise mit einem höheren Risiko als dies bei sonstigen Verwendungen der Fall ist, verbunden ist. Da die genannten Zulagen jeweils nur für die Dauer bestimmter Verwendungen gebühren, bezwecken die dargestellten Regelungen einen Ausgleich für das erhöhte Risiko durch (dienstbedingte) Ereignisse die anspruchsbegründende Verwendung zu verlieren.

Demgegenüber hindert § 7 BEinstG nicht eine (allenfalls gesundheitlich sogar gebotene) Verwendungsänderung des behinderten Beamten, mit der - wie bei jedem gesunden Beamten auch - kein Zulagenanspruch (hier nach § 73b GG 1956) mehr verbunden ist. Insoweit gehen also die oben genannten Bestimmungen des GG 1956 über die Schutzwirkung des § 7 BEinStG hinaus; dennoch verbleibt ein Anwendungsbereich des § 7 BEinstG: der Wegfall der Exekutivdiensttauglichkeit kann für sich allein (ohne Rücksicht auf die Verwendung) wegen dieser Bestimmung nicht zur Einstellung der Zulage nach § 73b GG 1956 führen, wenn er auf die Behinderung des Beamten zurückzuführen ist.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist im Beschwerdefall davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer ab 1. Jänner 1986 dem Kreis der begünstigten Behinderten nach § 2 BEinstG angehörte, er bis zum 31. Mai 1987 auf Grund seiner Verwendung eine (bescheidförmig zuerkannte) Dienstzulage nach § 73b GG 1956 bezog und ihm die belangte Behörde (im Instanzenzug) diese Zulage mit Wirkung vom 1. Juni 1987 im wesentlichen mit der Begründung aberkannte, es mangle dem Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt an der (vollen) Exekutivdiensttauglichkeit, weil er nach dem Gutachten des Polizeichefarztes vom 18. Mai 1987 nur mehr bedingt exekutivdiensttauglich sei. Ob die seither erfolgten Verwendungen des Beschwerdeführers (insbesondere die im Verkehrskindergarten) der Richtverwendung nach § 73b Abs. 2 oder einer dieser gleichzuhaltenden Verwendung (im Sinne des § 73b Abs. 3 GG 1956) entsprochen haben, hat die belangte Behörde nicht untersucht.

Im Beschwerdefall besteht unbestritten zwischen den zur Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten führenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Einschränkung bzw. dem Verlust der Exekutivdiensttauglichkeit des Beschwerdeführers ein Zusammenhang; es kann daher dahingestellt bleiben, ob es zulässig war, daß die Dienstbehörde nur eine gesundheitliche Beeinträchtigung (nämlich die Funktionsstörungen im Bereich der rechten Hand) herausgegriffen hat, um darauf die bedingte Exekutivdiensttauglichkeit des Beschwerdeführers zu stützen.

Wird aber - wie im Beschwerdefall die belangte Behörde angenommen hat - die Exekutivdiensttauglichkeit auf Grund einer Gesundheitsschädigung eingeschränkt, die auch für die Anerkennung als begünstigter Behinderter bedeutsam war bzw. fällt jene aus diesem Grund weg, so führt diese in der Person des Beamten gelegene Behinderung für sich allein wegen § 7 BEinstG nicht zum Wegfall des Zulagenanspruches, wenn nicht feststeht, daß die (allenfalls aus diesem Grund) geänderte Verwendung des Beamten keinen Zulagenanspruch mehr begründet:

denn gerade gegen eine derartige Minderung des "Entgeltes" aus dem Grund der Behinderung soll § 7 BEinstG (wie oben näher dargetan wurde) schützen.

Dazu kommt im Beschwerdefall, daß die Dienstbehörde der Verwendungsänderung des Beschwerdeführers vom 25. Mai 1987 dessen bedingte Exekutivdiensttauglichkeit zugrundegelegt hat, § 73b GG seinem Wortlaut nicht zwischen den verschiedenen Arten einer Exekutivdiensttauglichkeit unterscheidet und auch die ab diesem Zeitpunkt vom Beschwerdeführer (weiterhin) bei der Verkehrsabteilung (jedenfalls bis zum Kanzleidienst im Zentralkommando) ausgeübte dauernde Tätigkeit nicht von vornherein als eine den Anspruch auf Beibehaltung der zuerkannten Dienstzulage nicht begründende Verwendung angesehen werden kann.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der im Beschwerdefall auf Grund ihres Art. III Abs. 2 zur Anwendung gelangenden Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

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