VwGH 89/08/0195

VwGH89/08/019520.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der C in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. Juni 1989, Zl. 5-226 Do 41/2-89, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse in Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:

Normen

ArbVG §24 Abs2;
ASVG §49 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
GesindeO Wr 1911 §1 Abs1 impl;
GesindeO Wr 1911 §1 Abs1;
GesindeO Wr 1911 §6 Abs1 impl;
GesindeO Wr 1911 §6 Abs1;
HausgehilfenG 1920 §28 impl;
HausgehilfenG 1920;
HGHAngG §1 Abs3;
HGHAngG;
MindestlohntarifV Hausgehilfen Hausangestellte Leoben §2;
MindestlohntarifV Hausgehilfen Hausangestellte Leoben §3 Z9;
ArbVG §24 Abs2;
ASVG §49 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
GesindeO Wr 1911 §1 Abs1 impl;
GesindeO Wr 1911 §1 Abs1;
GesindeO Wr 1911 §6 Abs1 impl;
GesindeO Wr 1911 §6 Abs1;
HausgehilfenG 1920 §28 impl;
HausgehilfenG 1920;
HGHAngG §1 Abs3;
HGHAngG;
MindestlohntarifV Hausgehilfen Hausangestellte Leoben §2;
MindestlohntarifV Hausgehilfen Hausangestellte Leoben §3 Z9;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Begehren auf Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. November 1988 verpflichtete die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen in der Höhe von S 1.145,40 für die von ihr in der Zeit vom 1. November 1987 bis 31. März 1988 als Kindermädchen beschäftigte B.. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß B. nach dem im maßgeblichen Zeitraum geltenden, vom Einigungsamt Leoben festgesetzten Mindestlohntarif für Hausgehilfen und Hausangestellte Anspruch auf einen monatlichen Bruttobarlohn von S 5.661,-- gehabt habe. Da B. in die Hausgemeinschaft der Beschwerdeführerin aufgenommen worden sei und sich der Wert der vollen freien Station auf S 2.160,-- belaufe, sei bei der Beitragsbemessung von einem Anspruchslohn im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG von S 7.821,-- auszugehen gewesen. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 1964, Zl. 879/64 (SozM III E, 327 = VwSlg. 6540/A) gebühre mangels einer Festsetzung des Mindestausmaßes an Arbeitszeit im Mindestlohntarif einer in die Hausgemeinschaft aufgenommenen Hausgehilfin das im Mindestlohntarif festgesetzte Entgelt auch dann, wenn ihre Arbeitskraft nur zu einem Bruchteil beansprucht werde.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch wandte die Beschwerdeführerin ein, B. sei im maßgeblichen Zeitraum bei ihr als Kindermädchen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden mit Verpflegung und Wohnung tätig gewesen. Ihr monatlicher Gesamtarbeitsverdienst habe S 4.990,-- (vereinbarter monatlicher Bruttobarlohn S 2.830,-- und Sachbezug S 2.160,--) betragen. Entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Partei sei im Falle eines Teilzeitarbeitsverhältnisses einer Hausgehilfin eine Aliquotierung des (im Mindestlohntarif festgesetzten) monatlichen Bruttobarlohnes zulässig. Zum Begründungselement, eine Aliquotierung sei mangels einer Festsetzung eines Mindestausmaßes an Arbeitszeit im Mindestlohntarif nicht möglich, sei zunächst erwähnt, daß in keinem einzigen Kollektivvertrag ein Mindestausmaß an Arbeitszeit festgesetzt und dennoch im Falle von Teilzeitbeschäftigungen eine Aliquotierung möglich sei und ausnahmslos anerkannt werde. Die Kollektivverträge beinhalteten das Ausmaß der Normalarbeitszeit, begrenzten sie damit nach oben hin, ohne jedoch die Vereinbarung einer niedrigeren Arbeitszeit (Teilzeit) auszuschließen. Für Hausgehilfen sei diese Normalarbeitszeitfestsetzung durch das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz 1962, BGBl. Nr. 235, in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung (HGHAngG) erfolgt; ein Vereinbarungsverbot für eine niedrigere Arbeitszeit enthalte das Gesetz nicht. Der Mindestlohntarif baue nun in seinen Monatsentgelten zweifellos auf der im Gesetz enthaltenen Regelfall-Normalarbeitszeit auf, ohne dies expressis verbis auszusprechen. Bei einer Abweichung von der Regelfall-Normalarbeitszeit sei daher auch die gebührende Mindestentlohnung entsprechend anzupassen, zumal dieser Anpassung keine Bestimmung des Mindestlohntarifes entgegenstehe. Abgesehen davon könnte der Mindestlohntarif eine solche Bestimmung auch gar nicht wirksam enthalten, ohne gesetzwidrig zu sein; ein Mindestlohntarif dürfe nämlich nur die Festsetzung von Mindestentgelten und von Mindestbeträgen für den Ersatz von Auslagen zum Gegenstand haben

(VfSlg. 5291/1966). Der so gezogene Rahmen für den Inhalt von Mindestlohntarifen gestatte nicht, sonstige Arbeitsbedingungen, insbesondere ein Mindestausmaß von Arbeitszeit, zu regeln. Es sei auch nicht die geringste Absicht des "Tariflohnverordners" erkennbar, den Bruttobarlohn unabhängig von den geleisteten Arbeitsstunden festsetzen zu wollen, also eine Hausgehilfin, die z.B. 10 Stunden wöchentlich arbeite, gleich zu entlohnen wie eine mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 55 Stunden. Die im konkreten Fall vorgenommene Aliquotierung sei daher berechtigt erfolgt; der Gesamtarbeitsverdienst der B. sei sogar über dem Mindestlohntarif gelegen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung führt die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Ganges des Verwaltungsverfahrens - "in Ergänzung der zutreffenden Begründung" des bekämpften Bescheides - aus, es sei unbestritten, daß B. im maßgeblichen Zeitraum Verpflegung und Wohnung bei der Beschwerdeführerin gehabt habe und somit in deren Hausgemeinschaft aufgenommen worden sei. Demgemäß habe sie nach § 2 Abschnitt A lit. a Z. 7 des anzuwendenden Mindestlohntarifes Anspruch auf einen monatlichen Bruttobarlohn für Kinderfrauen von S 5.661,-- gehabt. Der Wert der vollen freien Station habe im Jahre 1987 S 2.160,-- betragen, sodaß sich ein Gesamtarbeitsverdienst von S 7.821,-- ergebe. Die belangte Behörde könne sich der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht anschließen. Die mitbeteiligte Partei habe bereits zutreffend auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 1964 hingewiesen. Das HGHAngG lasse zwar die Festsetzung der Entlohnung des Hausgehilfen durch eine freie Vereinbarung zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer zu, doch normiere das Bundesgesetz vom 4. Juli 1951, BGBl. Nr. 156, betreffend die Erlassung von Mindestlohntarifen, daß das auf Grund einer solchen Vereinbarung festgesetzte Entgelt nicht die im Mindestlohntarif festgesetzte Höhe der Entlohnung unterschreiten dürfe. Auch § 3 Z. 9 des Mindestlohntarifes normiere ausdrücklich, daß Sondervereinbarungen nur dann gültig seien, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger seien. Bei dieser Rechtslage könne es dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf die der B. gewährte volle freie Station überhaupt die von der Beschwerdeführerin angeführte Gesamtarbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich zutreffe, weil bei dieser Tätigkeit offenbar die zur Arbeitszeit gehörende Zeit der Arbeitsbereitschaft nicht mitgerechnet worden sein dürfte. Im Hinblick auf das auf Grund des Mindestlohntarifes festgesetzte Mindestentgelt wäre dies jedoch auf die Entscheidung ohne Einfluß. Die von der Beschwerdeführerin in ihrem Einspruch geltend gemachte Aliquotierung des monatlichen Bruttobarlohnes der B. erscheine daher auch nach Ansicht der belangten Behörde aus den angeführten Gründen unzulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Darin vertritt die Beschwerdeführerin - so wie im Einspruch - die Auffassung, daß weder das HGHAngG noch der anzuwendende Mindestlohntarif der Zulässigkeit der getroffenen Vereinbarung über die Teilzeitbeschäftigung der B. und die Aliquotierung des im Mindestlohntarif festgesetzten Bruttobarlohnes entgegenstehe. Diese Aliquotierung sei sogar in der Weise erfolgt, daß hiebei nicht von der möglichen Wochenarbeitszeit von 55, sondern lediglich von 40 Stunden ausgegangen worden sei, wodurch sich ein gegenüber dem gebührenden Mindestbruttobarlohn um 37,5 % höherer tatsächlicher Bruttobarlohn ergeben habe. An diesem Ergebnis vermöge auch das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 1964 nichts zu ändern. Die Kritik Tomandls (Arbeitsrechtliche Probleme der Teilzeitbeschäftigung, ZAS 1966, 99 ff) an diesem Erkenntnis sei zutreffend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift. Darin wird ausgeführt, es müsse zwischen der Frage der Zulässigkeit einer Teilzeitbeschäftigung von in die Hausgemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommenen Hausgehilfen, auf die der gegenständliche Mindestlohntarif Anwendung finde, und der Frage der Höhe ihrer Entlohnung differenziert werden. Die Zulässigkeit einer Teilzeitbeschäftigung werde nicht in Zweifel gezogen; es werde aber weiterhin die Rechtsauffassung vertreten, daß eine Aliquotierung der Bezüge im Falle einer Teilzeitbeschäftigung nicht nach der tatsächlichen Arbeitszeit vorgenommen werden dürfe, weil der zur Anwendung gelangende Mindestlohntarif eine solche Aliquotierung nicht zulasse.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinn gilt nach § 44 Abs. 1 Z. 1 ASVG bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6. Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG (eine Anwendung der Abs. 3, 4 und 6 scheidet im Beschwerdefall aus) sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Für die Bemessung der Beiträge ist demnach nicht lediglich das tatsächlich gezahlte Entgelt (Geld- und Sachbezüge) maßgebend, sondern, wenn es das tatsächlich gezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch bestand. Ob aber ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 3. Juli 1990, Zl. 88/08/0138, mit weiteren Judikaturhinweisen, vor allem auf das ausführlich begründete Erkenntnis vom 26. Jänner 1984, Zl. 81/08/0211).

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob die von der Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitraum vom 1. November 1987 bis 31. März 1988 als Kinderfrau mit Verpflegung und Wohnung beschäftigte B. auch dann, wenn sie - der (von den Parteien mit Recht als arbeitsrechtlich zulässig erachteten) Vereinbarung entsprechend - nur 20 Stunden wöchentlich beschäftigt war (die belangte Behörde meldet zwar diesbezüglich Zweifel an, löst aber die Rechtsfrage unabhängig davon), Anspruch auf den im § 2 Abschnitt A des anzuwendenden Mindestlohntarifes für Kinderfrauen "mit Verpflegung und Wohnung beim Arbeitgeber" festgesetzten monatlichen Bruttobarlohn von S 5.661,-- (so die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei) oder nur auf einen - entsprechend der vereinbarten und tatsächlich eingehaltenen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden - aliquoten monatlichen Bruttobarlohn in einer jedenfalls S 2.830,-- (den vereinbarten monatlichen Bruttobarlohn) nicht übersteigenden Höhe (so die Beschwerdeführerin) hatte.

Beiden im Ergebnis unterschiedlichen Lösungen liegt die übereinstimmende Auffassung zugrunde, daß die Frage, ob die zwischen der Beschwerdeführerin und B. getroffene Vereinbarung über den monatlichen Bruttobarlohn einen Verstoß gegen Bestimmungen des anzuwendenden Mindestlohntarifes darstellt und daher nach § 24 Abs. 2 ArbVG (und nicht, wie die belangte Behörde meint, des Mindestlohntarifgesetzes, das nicht mehr in Geltung steht) bzw. § 3 Z. 9 des Mindestlohntarifes teilnichtig ist, an Hand der Entgeltsätze des Mindestlohntarifes für "Hausgehilfen mit Verpflegung und Wohnung beim Arbeitgeber" nach dessen § 2 Abschnitt A zu prüfen ist.

Unter dieser Voraussetzung wäre der obgenannten Auffassung der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei beizupflichten. Denn der gegenständliche Mindestlohntarif, der nach seinem in § 1 umschriebenen Geltungsbereich auch für die Dienstnehmer des § 1 Abs. 3 HGHAngG, zu der die Beschwerdeführerin zählt, gilt, sieht ausdrücklich keine Aliquotierung der für Hausgehilfen bzw. Hausangestellte mit Verpflegung und Wohnung beim Arbeitgeber festgesetzten monatlichen Bruttobarlöhne im Falle ihrer Teilzeitbeschäftigung vor; gegen eine Interpretation in diesem Sinn aus der Überlegung heraus, daß in solchen Fällen aus den von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Gründen eine Aliquotierung sachgerecht erscheine, und damit gegen die Zulässigkeit einer Aliquotierung spricht schon der Umstand, daß sich dem Mindestlohntarif die dann notwendigen Berechnungsgrundlagen (Ausgangsgrößen) der Aliquotierung nicht entnehmen ließen. Ginge man aber im Zusammenhang mit den Arbeitszeitregelungen des HGHAngG davon aus, daß der Mindestlohntarif bei der Festsetzung der monatlichen Mindestbruttobarlöhne von der gesetzlich bestimmten Höchstarbeitszeit (§ 5) als Regelarbeitszeit ausgehe (eine Normalarbeitszeit kennt das HGHAngG - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - nicht), dann müßte dieser Mindestlohn bei jeder vereinbarten Arbeitszeit unter der gesetzlichen Höchstarbeitszeit (für Dienstnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben: unter 110 Stunden in zwei Wochen) entsprechend aliquotiert werden. Dies würde zum sachlich bedenklichen Ergebnis führen, daß der Mindeststundenlohn eines Dienstnehmers im Sinne des § 1 Abs. 3 HGHAngG nur nahezu halb so hoch wie jener eines Stundenlöhners mit gleicher Arbeitszeit anzusetzen wäre und überdies der Mindestlohntarif nur für jene Hausgehilfen voll Geltung beanspruchen könnte, die während der vollen Höchstarbeitszeit beschäftigt sind. Auch wäre der Sinn der Mindestlohnfestsetzung als Monatslohn (im Gegensatz zum Stundenlohn bei den anderen Hausgehilfen) nicht zu erkennen. All dies spräche unter der obgenannten Voraussetzung gegen die Zulässigkeit der von der Beschwerdeführerin begehrten Aliquotierung. Diese Unzulässigkeit hätte aber andererseits zur Konsequenz, daß bei jeder Art von Teilzeitbeschäftigung mit Wohnung und Verpflegung beim Arbeitgeber stets der volle im Mindestlohntarif festgesetzte Monatsmindestlohn zu entrichten wäre. Dies wiederum führte dazu, daß der Mindeststundenlohn eines Dienstnehmers im Sinne des § 1 Abs. 3 HGHAngG nur wegen der Gewährung von Verpflegung und Wohnung ohne erkennbare sachliche Rechtfertigung wesentlich höher wäre als jener eines solchen Dienstnehmers ohne diese Sachleistungen. Der strittige Abschnitt des Mindestlohntarifes wäre daher vor dem Hintergrund des § 23 ArbVG gesetzwidrig.

Aus nachstehenden Gründen ist aber im Beschwerdefall gar nicht Abschnitt A, sondern Abschnitt B (Entgelt für Hausgehilfen, die nicht in die Hausgemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommen sind) anzuwenden:

Das Dienstverhältnis von Hausgehilfen war noch in den dem Hausgehilfengesetz 1920, StGBl. Nr. 101, vorangehenden Gesindeordnungen davon geprägt, daß der Dienstantritt des damals Dienstbote genannten Hausgehilfen bei Aufnahme in die Hausgemeinschaft gleichzeitig seine Unterwerfung unter die Weisungsbefugnis des "Dienstherrn" bedeutete, welche die gesamte persönliche Lebensführung des Hausgehilfen (ähnlich der damaligen Stellung eines sonstigen, den Anordnungen des "Haushaltsvorstandes" familienrechtlich unterworfenen Haushaltsangehörigen) erfaßte. Die durch die Aufnahme in die Hausgemeinschaft entstehende "Hausgenossenschaft "(vgl. z.B. § 1 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 der Wiener Gesindeordnung, n.ö. LGBl. 125/1911) erschöpfte sich nicht etwa in der Tatsache des gemeinsamen Wohnens, sondern ihr Wesen lag in dieser vollständigen Eingliederung, die es dem Dienstgeber ermöglichte, im Rahmen der Gesetze über Zeit und Arbeitskraft des Hausgehilfen beliebig zu verfügen (vgl. Ehrenfreund-Mraz, Wiener Dienstrecht, Wien 1908, 4). Das dem Dienstgeber zukommende Hausordnungsrecht fand eine Schranke im wesentlichen in der Freiheit der Person, die - damaliger Anschauung zufolge - nicht weiter beschränkt werden durfte, als dies in Ausübung der Rechte des Dienstgebers unumgänglich notwendig erschien, mitunter bis zur Grenze der schikanösen Rechtsausübung (Ehrenfreund-Mraz, aaO, 153). Das Wesen der Dienste eines Hausgehilfen bestand also in ihrer zeitlichen Ungemessenheit, ohne garantierte Ruhepausen oder sonstige Beschränkungen der Arbeitszeit, sieht man vom eng umgrenzten Recht auf Ausgang ab. (Zur ausschließlichen oder hauptsächlichen Widmung der Arbeitskraft des Hausgehilfen vgl. Morgenstern, Die in Österreich geltenden Dienstbotenordnungen, Wien 1901, V; derselbe, Österreichisches Gesinderecht, Wien 1912, 51 ff über die Dienstpflichten des Hausgehilfen und 16 f über das Wesen des Hausgehilfenvertrages, insbesondere das Erfordernis der "ausschließlichen Arbeitsleistung" für den Dienstgeber während der Dienstzeit und die dazu ergangene früheste Judikatur der Zivilgerichte.)

Das Hausgehilfengesetz 1920 knüpfte an diesen Typus des Hausgehilfen, wie ihn die Wirklichkeit (unzulänglich eingeschränkt durch die Gesindeordnungen) geprägt hat, an, drängte das Verfügungsrecht des Dienstgebers zurück und enthielt erstmals garantierte Freizeit und Mindestruhezeiten (vgl. §§ 7 und 8 leg. cit.). Darüberhinaus bezog es in § 28 (erstmals) auch Hausgehilfen in die gesetzliche Regelung ein, die nicht in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommen waren, sofern ihre Erwerbstätigkeit durch dieses Dienstverhältnis vollständig oder hauptsächlich (so schon Morgenstern, Dienstbotenordnungen, aaO, V) in Anspruch genommen wurde. Damit wollte der Gesetzgeber auch Dienstnehmer schützen, die bei bestehender Hausgemeinschaft Hausgehilfen im Sinne des Gesetzes wären (vgl. die bei Adler, Hausgehilfengesetz, Wien 1920, in Anm 1 zu § 28 zitierten Gesetzesmaterialien). Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß der dem Gesetzgeber vorschwebende Typus des Hausgehilfen regelmäßig der vollständig oder hauptsächlich in Anspruch genommene Dienstnehmer war (so auch Strasser, Hausgehilfengesetz, Wien 1957, Anm 5 zu § 28, S 117).

Vom Typus dieses in den Haushalt eingegliederten und nicht bloß stundenweise beschäftigten Hausgehilfen ging auch der Gesetzgeber des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes 1962 (HGHAngG) offenkundig aus (vgl. das Protokoll der Nationalratsdebatte, IX. GP, 108. Sitzung vom 23. Juli 1962, S. 4807 ff). Dabei wird insbesondere auch hervorgehoben, daß (erstmals) auch die Arbeitszeit und die Freizeit geregelt werde (aaO s. 4807 unten), wenn auch nur in Form einer Begrenzung durch Festlegung einer gesetzlich höchstzulässigen Arbeitszeit (aaO, S. 4809 f), und zum Ausdruck gebracht, daß die Aufnahme in die Hausgemeinschaft "wie Familienmitglieder" (4811) eine stärkere Abhängigkeit einer Hausgehilfin bewirke als das Dienstverhältnis anderer Dienstnehmer. Aber auch das Gesetz selbst setzt bei den in die Hausgemeinschaft aufgenommenen Hausgehilfen (im Sinne des oben umschriebenen Typus) offenbar eine nicht nach Stunden bemessene oder eine zumindest zur Gänze oder hauptsächlich die Arbeitskraft in Anspruch nehmende Arbeitsverpflichtung voraus. Vor allem ein Vergleich der Ruhepausenregelung des § 5 Abs. 3 und 4 HGHAngG zeigt, daß der Gesetzgeber zwar an sich an das Erfordernis der Aliquotierung der Ruhepausen bei Teilzeitarbeit gedacht, eine solche jedoch bei den in Hausgemeinschaft lebenden Hausgehilfen nicht vorgesehen hat. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß entweder auch bei teilzeitbeschäftigten Hausgehilfen mit Verpflegung und Wohnung schlechthin die vollen Ruhepausen anzuwenden sind (ein Umstand, der im Hinblick auf die dann - abhängig vom Ausmaß der Teilzeitarbeit - eintretende Ungleichbehandlung mit den "Stundenlöhnern" und auf die darin strukturell angelegte Unsachlichkeit in bezug auf den Arbeitgeber verfassungsrechtlich bedenklich wäre) oder, wie der Verwaltungsgerichtshof meint, daß solche teilzeitbeschäftigten Hausgehilfen nicht ohne weiteres Hausgehilfen im Sinne des Typus "in Hausgemeinschaft aufgenommen" sind.

Den (auch sozialpolitisch offenbar als bedeutsam angesehenen) Unterschied zwischen einem Hausgehilfen im Sinne des vom Hausgehilfengesetz 1920 und auch von jenem des Jahres 1962 geregelten Typus und anderen Arten der Beschäftigung in privaten Haushalten zeigt etwa auch die von Anfang an gerade daran anknüpfende Unterscheidung in den Lohnfestsetzungen der Mindestlohntarife aufgrund (zunächst) des Mindestlohntarifgesetzes 1951 (vgl. etwa den ersten Mindestlohntarif vom 26. März 1952 bei Nedjela, Hausgehilfengesetz, 1955, 6 ff): Eine monatliche Mindestentlohnung ist danach nur bei den in Hausgemeinschaft befindlichen Hausgehilfen vorgesehen, während die anderen Hausgehilfen im Stundenlohn zu entlohnen sind. Nach dem Mindestlohntarif vom 5. Juni 1957 (kundgemacht im Amtsblatt zur "Wiener Zeitung" vom 9. Juni 1957), Me 1/56 des EA Wien, war eine "Pauschalentlohnung" der nicht in die Hausgemeinscahft aufgenommenen Hausgehilfen nur zulässig, wenn der zu zahlende Barlohn mindestens S 590,-- betrug (dieser Betrag lag über dem mit S 500,-- festgesetzten Monatslohn einer Hausgehilfin mit Verpflegung und Wohnung beim Arbeitgeber, die auch zum Kochen verpflichtet war) und volle Verpflegung gewährt oder abgegolten wurde (vgl. diesen Mindestlohntarif als blaues Einlageblatt zu Nedjela, Hausgehilfengesetz 1955).

Knüpft man somit am historischen Typus des Hausgehilfen in Hausgemeinschaft an, so ist diese bereits seit 1951 zu beobachtende Differenzierung in der Mindestlohnpolitik im wesentlichen nur damit zu begründen, daß der in Hausgemeinschaft aufgenommene Hausgehilfe im allgemeinen zeitlich nicht genau abgrenzbare, jedoch seine Arbeitskraft zur Gänze oder hauptsächlich in Anspruch nehmende Arbeiten zu verrichten hat; dies im Rahmen der gesetzlichen Höchstgrenzen und Ruhezeiten bzw. Pausenregelungen.

Eine bloß 20-stündige Arbeitsverpflichtung bedeutet jedenfalls keine solche Eingliederung in den Haushalt des Dienstgebers, daß von einer Aufnahme in die Hausgemeinschaft im Sinne des Typus gesprochen werden kann. Wie auch die historische Entwicklung zeigt, kann die Tatsache der Zurverfügungstellung einer Schlafstelle und der Verabreichung von Mahlzeiten für sich allein genommen noch nicht als Bestehen einer Hausgemeinschaft im hier maßgebenden Sinne angesehen werden. Ein solcher Hausgehilfe steht vielmehr in seiner sozialen Stellung der ins Haus kommenden Haushaltskraft näher und ist daher nach § 2 Abschnitt B des Mindestlohntarifes zu entlohnen. Diese Lösung vermeidet sowohl ein Unterlaufen des Mindestlohntarifes durch Teilzeitarbeit als auch das bedenkliche Ergebnis, daß die volle Zahlungspflicht hinsichtlich des in § 2 Abschnitt A des Mindestlohntarifes festgelegten pauschalen Monatslohnes bzw. die Gewährung der vollen Ruhepausen im Sinne des § 5 Abs. 3 HGHAngG in keiner Weise von der vereinbarten bzw. tatsächlich eingehaltenen Arbeitszeit, sondern ausschließlich von der Überlassung einer Schlafgelegenheit und der Verabreichung von Mahlzeiten abhinge.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt somit zusammenfassend die Auffassung, daß B. nicht zu den Kinderfrauen mit Verpflegung und Wohnung beim Arbeitgeber im Sinne des § 2 Abschnitt A des anzuwendenden Mindestlohntarifes zu zählen war und demnach die getroffene Vereinbarung über den monatlichen Bruttobarlohn unter Bedachtnahme auf § 24 Abs. 2 ArbVG und § 3 Z. 9 des Mindestlohntarifes nicht an dieser Bestimmung, sondern an jener des § 2 Abschnitt B zu messen war. Da damit die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende rechtliche Beurteilung des unstrittigen Sachverhaltes in Widerspruch steht und die belangte Behörde bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf die in § 2 Abschnitt B festgelegten Lohnsätze zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Diese Entscheidung bedeutet - unter Bedachtnahme auf das mehrfach zitierte Erkenntnis vom 22. Dezember 1964, Slg. 6540/A - kein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG mit der Konsequenz der Bildung eines verstärkten Senates nach dieser Gesetzesbestimmung. Denn ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung im Sinne dieser Bestimmung liegt u.a. dann nicht vor, wenn die Entscheidung auf Grund eines anderen Gesetzes bzw. einer anderen Vorschrift ergeht, und zwar auch dann nicht, wenn die neue Vorschrift inhaltlich der alten entspricht (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 2. Februar 1979, Slg. Nr. 5341/F, vom 20. Jänner 1981, Slg. Nr. 10.344/A, und vom 19. Dezember 1989, Zl. 87/08/0259). Vor diesem Hintergrund ist vorliegend schon deshalb die Tatbestandsmäßigkeit des § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG zu verneinen, weil sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. Dezember 1964, Slg. 6540/A, mit der Beurteilung einer Lohnvereinbarung zwischen einer Hausgehilfin und ihrem Arbeitgeber nach einem anderen Mindestlohntarif zu befassen hatte. Daß der Gerichtshof im nunmehrigen Beschwerdefall bei der Interpretation des diesfalls anzuwendenden Mindestlohntarifes der Argumentation des Vorerkenntnisses bei der darin vorgenommenen Auslegung des damals anzuwendenden Mindestlohntarifes nicht folgt, bedeutet kein Abgehen von der Rechtsprechung nach § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG im Sinne der zitierten Judikatur.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, allerdings in den Grenzen des Kostenantrages der Beschwerdeführerin, mit dem sie nach Inkrafttreten der Verordnung BGBl. Nr. 207/1989 einen niedrigeren als den danach gebührenden Schriftsatzaufwand begehrte. Der Antrag auf Ersatz von Stempelgebühren war im Hinblick auf die bestehende sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) abzuweisen.

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