VwGH 91/19/0254

VwGH91/19/025425.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des NN in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 9. Juli 1991, Zl. Fr 554/1991, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juli 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987 (im folgenden kurz: FPG), ein bis zum 31. Dezember 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 sowie des Abs. 3 FPG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

    Vorauszuschicken ist, daß die belangte Behörde nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 FPG als gegeben angesehen, sondern den angefochtenen Bescheid insoweit auf den Absatz 1 dieses Paragraphen gestützt hat.

    Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1990, Zl. 90/19/0146) handelt es sich bei Abs. 1 des § 3 FPG um die Generalklausel und bei Abs. 2 um die beispielsweise Aufzählung von Fällen, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls rechtfertigen; ein Aufenthaltsverbot kann gemäß § 3 Abs. 1 FPG auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im Abs. 2 angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die Annahme rechtfertigen, daß durch den Aufenthalt des Betroffenen eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit vorliegt oder andere öffentliche Interessen verletzt werden. Der Entscheidung über die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ist von der Behörde das Gesamtverhalten des Betroffenen zugrunde zu legen.

    Die Subsumtion des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers unter § 3 Abs. 1 FPG ist aus folgenden Erwägungen nicht als rechtwidrig zu erkennen:

    Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, daß der Beschwerdeführer am 15. September 1990 unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne im Besitze des für die Einreise und den legalen Aufenthalt in Österreich erforderlichen Sichtvermerkes zu sein, ins Bundesgebiet eingereist sei. In weiterer Folge sei es ihm gelungen, am 25. September 1990 von der Bundespolizeidirektion Wien einen Sichtvermerk mit dem Zusatz "Tourist" zu erhalten, welcher jedoch auf die lediglich einmalige Wiedereinreise beschränkt gewesen und nur zur kurzfristigen Legalisierung des Aufenthaltes "bei zugesicherter endgültiger Wiederausreise" bis zum Ablauf des Sichtvermerkes gewährt worden sei. Dies habe der Beschwerdeführer dazu ausgenützt, um in den Genuß einer Beschäftigungsbewilligung zu gelangen. Da dem Beschwerdeführer die Ausstellung eines "Konsularsichtvermerkes" zweimal versagt worden sei, habe dieser beschlossen, illegal nach Österreich einzureisen. Aus dem gesamten Sachverhalt sei ersichtlich, daß der Beschwerdeführer die Einreisebestimmungen sowie die Entscheidungen österreichischer Behörden "vollkommen ignoriere".

    Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0144) kann ein Fehlverhalten, das zu einer Bestrafung nach einem der im § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall genannten vier Gesetze hätte führen müssen, zu welcher es jedoch - aus welchen Gründen immer - nicht gekommen ist, in die Beurteilung des Gesamtverhaltens im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG miteinbezogen werden, doch ist auch in diesem Fall das Vorliegen eines zusätzlichen Fehlverhaltens erforderlich, um entsprechend dem so festgestellten Gewicht des Gesamtverhaltens die Annahme einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG zu rechtfertigen.

    Im Beschwerdefall ist zunächst davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer durch die am 15. September 1990 erfolgte Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne den erforderlichen Sichtvermerk zunächst sowohl ein strafbares Verhalten nach dem Grenzkontrollgesetz als auch nach dem Paßgesetz gesetzt hat. Weiters ist ein strafbares Verhalten nach dem FPG in dem unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers vom Zeitpunkt der Einreise bis zur Erteilung des Sichtvermerkes am 25. September 1990 zu erblicken. Schließlich hat der Beschwerdeführer ein "zusätzliches" Fehlverhalten damit zu verantworten, daß er nach Ablauf des Sichtvermerkes am 19. Dezember 1990 unrechtmäßig weiterhin im Bundesgebiet verblieb. Schon dieses Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers rechtfertigte die Annahme einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG.

    War aber die Annahme einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG gerechtfertigt, so ist die Auseinandersetzung mit dem übrigen diesbezüglichen Beschwerdevorbringen, welches auf die oben dargestellten Umstände nicht Bezug nimmt, entbehrlich.

    Auch die im Grunde des § 3 Abs. 3 FPG vorzunehmende Interessenabwägung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die belangte Behörde hat diesbezüglich darauf verwiesen, daß sich der Beschwerdeführer erst kurzfristig in Österreich aufhält und ihm auch ein Erwerb in seiner Heimat zumutbar wäre. Weiters befänden sich seine Gattin und sein Kind noch im Iran, wobei die Bindung zu diesen derjenigen zu seinen Brüdern in Österreich wohl vorgehe. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers fallen in diesem Zusammenhang die von ihm ins Treffen geführten "schwierigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse" im Iran nicht wesentlich ins Gewicht.

    Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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