VwGH 91/19/0204

VwGH91/19/020423.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Mohammed S in R, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Mai 1991, Zl. SD 259/91, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §142 Abs1;
StGB §15;
StGB §46 Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §142 Abs1;
StGB §15;
StGB §46 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. Mai 1991 wurde gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 in der Fassung BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das "Bundesgebiet der Republik Österreich" erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der seit März 1987 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer sei im Juni 1990 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des versuchten Raubes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden. (Das Urteil - 3a Vr 9446/89, Hv 6821/89 -ist nach den Ausführungen in der Beschwerde in Rechtskraft erwachsen.) Schon diese eine Verurteilung rechtfertige im Grunde des § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG die Annahme, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Das öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes sei in bezug auf den Beschwerdeführer im Hinblick auf das Strafausmaß und auf das zugrundeliegende Delikt besonders groß. Aus der bedingten Entlassung des Beschwerdeführers (überdies erst nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe), und das nur mit der Weisung, sich psychotherapeutisch weiterbehandeln zu lassen, könne kein Grund für eine Erlaubnis zum weiteren Aufenthalt abgeleitet werden. Es seien nicht in erster Linie die bedingte Entlassung und der dabei allenfalls mögliche positive Abschluß einer Therapie, sondern vielmehr die Straftat und das Strafausmaß maßgebend. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, sei zwar im Rahmen der Interessenabwägung als gravierend zu werten; der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene schwerwiegende Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers ändere jedoch nichts daran, daß das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ungleich schwerer wiege.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, deshalb den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 3 Abs. 1 FrPolG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, (MRK) genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. ist, wenn durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen: 1) die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen; 2) die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen; 3) die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

2. Die belangte Behörde hat die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des versuchten Raubes (§§ 15, 142 Abs. 1 StGB) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren im Wege des § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG als "bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1" gewertet. Dagegen bestehen - unter Zugrundelegung des eindeutigen Gesetzeswortlautes - keine rechtlichen Bedenken. Damit ist davon auszugehen, daß die Annahme gerechtfertigt ist, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0236). Der Berechtigung dieser Annahme steht nicht entgegen, daß der Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2 StGB bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen worden ist.

3. Aber auch die gegen die von der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 3 FrPolG vorgenommene Interessenabwägung vorgetragenen Beschwerdeeinwände versagen.

Das öffentliche Interesse an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde angesichts des der gerichtlichen Verurteilung zugrunde gelegenen Deliktes des versuchten Raubes und des dafür verhängten Strafausmaßes zu Recht als sehr gewichtig angesehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. September 1989, Zl. 89/01/0135). Die bedingte Entlassung allein vermag im Hinblick auf die sich in der besagten Tat manifestierende grobe Geringschätzung des Eigentums und der persönlichen Freiheit einerseits und die Höhe des Strafausmaßes, welche den in § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG vorgesehenen Zeitraum um ein Mehrfaches übersteigt, anderseits an der prinzipiellen Unbedenklichkeit der Wertung des bezeichneten Interesses nichts zu ändern. Die Ansicht der belangten Behörde, daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten privaten (familiären) Gesichtspunkte (vierjähriger Aufenthalt in Österreich, Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, Notwendigkeit der Fortsetzung psychiatrischer Therapie), obgleich durchaus bedeutsam, nicht ausreichten, um von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer absehen zu können, steht im Einklang mit der zu Fällen vergleichbar schwerwiegender Rechtsverletzungen ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, der zufolge ungeachtet voller sozialer Integration des betreffenden Fremden in Österreich wegen der besonderen Schwere der begangenen strafbaren Handlung das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegt als das gegenläufige private Interesse des Fremden (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 89/01/0135).

4. Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Angesichts der Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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