VwGH 91/19/0152

VwGH91/19/015223.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Jasmer C in M, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 11. April 1991, Zl. 11-F/87, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §4;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 27. März 1990 war gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß "§ 3 Abs. 2 lit. b des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 in der derzeit geltenden Fassung" ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für "ganz Österreich" erlassen worden. Dieser - nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsenen - Entscheidung lag eine Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Graz (Urteil vom 11. Jänner 1990, 6 EVr 2598/89) wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe von 6 Monaten unbedingt verhängt und der Rest von 18 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, zugrunde.

Nach Ausweis der Akten wurde der Beschwerdeführer am 31. Mai 1990 (nach Jugoslawien) außer Landes geschafft.

2. Mit an das Bundesministerium für Inneres gerichteter Eingabe vom 19. Oktober 1990 (bei der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf eingelangt am 14. Dezember 1990) stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Aufhebung des über ihn verhängten unbefristeten Aufenthaltsverbotes. Begründet wurde dieser Antrag - zusammengefaßt - damit, daß sich die Verhältnisse des Beschwerdeführers insofern wesentlich geändert hätten, als er am 11. August 1990 eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht habe und die darin gründende persönliche Bindung zu Österreich und damit sein subjektives Interesse an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nunmehr erheblich schwerer wögen als die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

3. Mit Bescheid vom 11. April 1991 wies die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des mit Bescheid derselben Behörde vom 27. März 1990 über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes ab.

Die belangte Behörde - so die Begründung - sei der Auffassung, daß der Schutz der Bevölkerung vor dem Beschwerdeführer auch weiterhin im öffentlichen Interesse liege, da einerseits in der Tat des Beschwerdeführers, die mit ungewöhnlicher Brutalität ausgeführt worden sei, dessen gewalttätige Persönlichkeitsstruktur zum Ausdruck gekommen sei und anderseits der seit der Verurteilung verstrichene Zeitraum in keiner Weise ausreiche, im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers Schlüsse zu seinen Gunsten zu ziehen. Bei der Interessenabwägung sei zugrundegelegt worden, daß der Beschwerdeführer nach Verhängung des Aufenthaltsverbotes mit einer österreichischen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen habe. Das subjektive (private) Interesse des Beschwerdeführers an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes trete auch dann in den Hintergrund, wenn man einräume, daß dieser zu seiner Gattin tiefe Zuneigung empfinde und für deren Kind aus der Zeit vor der Ehe sorgen wolle. Eine Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Beschwerdeführers trete nicht ein, da dieser schon vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes seine Geschäfte vornehmlich außerhalb Österreichs abgewickelt habe. Auf die beantragte Beweisaufnahme (Vernehmung von zwei Zeugen) habe verzichtet werden können, da auch unter Zugrundelegung der vom Beschwerdeführer behaupteten Situation das private Interesse das öffentliche Interesse nicht überwiege. Zusammenfassend ergebe sich, daß auch zum derzeitigen Zeitpunkt das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer dessen privates Interesse an der Aufhebung dieser Maßnahme bei weitem überschreite.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde, wobei sich der Beschwerdeführer in seinem aus § 8 des Fremdenpolizeigesetzes erfließenden Recht auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes nach Wegfall der Gründe für seine Erlassung verletzt erachtet.

5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 8 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, (FrPolG) ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit § 3 leg. cit. (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987) gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen anderseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0158, und vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0244).

2. Daß sich die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen maßgeblichen Umstände seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zugunsten des Beschwerdeführers geändert hätten, wurde von diesem weder in seinen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes (vom 19. Oktober 1990) noch in der Beschwerde behauptet. Derartiges vermag auch der Verwaltungsgrichtshof nicht zu erkennen, wäre doch die gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers - dafür, daß diese nicht mehr aufrecht wäre, findet sich in den Akten kein Anhaltspunkt und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet - im Grunde des § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987 nach wie vor als "bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1" zu werten, mit der Folge, daß sie - vorbehaltlich einer zuungunsten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 leg. cit. - die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würde.

3.1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, auf die bei Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes eintretende Beeinträchtigung des beruflichen und persönlichen Fortkommens seiner Gattin und von deren Tochter Bedacht zu nehmen. Bei Fortbestand des Aufenthaltsverbotes sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage, seiner Beistandspflicht gegenüber seiner Gattin nachzukommen, weshalb diese gezwungen sein würde, eine Ganztagsbeschäftigung aufzunehmen und solcherart die Obsorge für ihre Tochter entscheidend zu vermindern.

3.2 Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt nicht vor. Das zuletzt wiedergegebene Vorbringen betreffend die drohende Beeinträchtigung des beruflichen und persönlichen Fortkommens der Gattin des Beschwerdeführers und deren Tochter findet sich bereits im Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom 19. Oktober 1990. Indem die belangte Behörde in der Begründung des bekämpften Bescheides ausdrücklich festhielt, daß auch "unter Zugrundelegung der von Ihnen behaupteten Situation" das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes bei weitem überwiege, berücksichtigte sie bei ihrer Entscheidung auch die besagte Behauptung des Beschwerdeführers. Daß sie entgegen den Vorstellungen des Beschwerdeführers nicht zu der von ihm angestrebten Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes führte, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, daß durch die angebliche Notwendigkeit für die Gattin des Beschwerdeführers, eine Tätigkeit aufzunehmen, weder deren noch ihrer Tochter berufliches Fortkommen beeinträchtigt werden kann, ist der vom Beschwerdeführer in bezug auf das persönliche Fortkommen dieser Personen gezogene Schluß keineswegs zwingend, ist doch nicht zu erkennen, weshalb der Beschwerdeführer nicht auch vom Ausland seiner "Beistandspflicht" (in materieller Hinsicht) entsprechend nachkommen könnte.

4.1. Die Beschwerde macht weiters geltend, daß die belangte Behörde nicht bedacht habe, daß der Beschwerdeführer vor der "gegenständlichen Straftat" (vgl. oben I. 1.) unbescholten gewesen sei, und daß aufgrund der Bindung zu seiner Gattin und deren positiven Einwirkens neuerliche Straftaten des Beschwerdeführers nicht zu befürchten seien.

4.2. Auch dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Keiner der genannten Umstände rechtfertigt die Annahme - dies vor allem im Hinblick auf den kurzen Zeitraum seit Begehung der der gerichtlichen Verurteilung vom 11. Jänner 1990 zugrundeliegenden Taten (am 2. November 1989) -, es seien keine weiteren Rechtsverletzungen seitens des Beschwerdeführers zu befürchten. Vielmehr erscheint die von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebrachte gegenteilige Annahme nicht unschlüssig. Die zur Begründung derselben gegebenen Hinweise auf die "ungewöhnliche Brutalität" der Tatausführung und die "gewalttätige Persönlichkeitsstruktur" des Beschwerdeführers finden in den vom Landesgericht für Strafsachen Graz in den Entscheidungsgründen des Urteiles vom 11. Jänner 1990 auf sachverständiger Basis getroffenen Feststellungen durchaus Deckung, weshalb insoweit die Durchführung eines - vom Beschwerdeführer vermißten - Beweisverfahrens entbehrlich war.

Die von der belangten Behörde somit in unbedenklicher Weise als erwiesen angenommene "ungewöhnliche Brutalität" der Tatausführung - das Gericht spricht in seinem Urteil von einer "besonders intensiven Vorgangsweise" - berechtigte die Behörde aber auch, dem für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden öffentlichen Interesse besonderes Gewicht zuzumessen. Dies mit der weiteren Folge, daß die nach § 3 Abs. 3 FrPolG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987 vorgenommene Interessenabwägung dahin, daß die gegen die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen die gegenläufigen privaten und familiären Interessen "bei weitem" überschreite jene also unverhältnismäßig schwerer wiegen, keinen Bedenken begegnet.

5. Daß die angefochtene Entscheidung einen gravierenden Eingriff in die Lebenssituation des Beschwerdeführers, seiner Gattin und deren Kind - das im übrigen nicht zu den Familienangehörigen des Beschwerdeführers im Sinne des § 3 Abs. 3 Z. 1 und 3 FrPolG gehört - darstellt, wird von der Beschwerde zutreffend aufgezeigt, wurde indes, wie dargetan, von der belangten Behörde in hinreichender Weise in die von ihr vorgenommene Interessenabwägung miteinbezogen und gewürdigt.

6. Auf dem Boden der in der Sache im Ergebnis mit dem Gesetz im Einklang stehenden rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde gehen die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers, insbesondere auch der Vorwurf der Nichteinvernahme zweier als Zeugen namhaft gemachter Personen, ins Leere.

7. Da nach dem Gesagten der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid nicht in dem vom Beschwerdepunkt (oben I. 4.) erfaßten Recht verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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