Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck a.d. Mur vom 4. Jänner 1991 (dem nunmehrigen Beschwerdeführer z.H. seines damaligen Vertreters zugestellt am 14. Jänner 1991) wurde der Beschwerdeführer zahlreicher Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes schuldig erkannt und hiefür bestraft (Geldstrafen, Ersatzfreiheitsstrafen).
2. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers vom 28. Jänner 1991 wies der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 13. Februar 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG im Grunde der §§ 18 Abs. 4, 58 Abs. 3 leg. cit. iVm § 24 VStG als unzulässig zurück.
Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß die "Urschrift" des unter 1. genannten Straferkenntnisses lediglich die maschinengeschriebene Unterschriftsklausel "Der Bezirkshauptmann: (Dr. P)" sowie, wie ein Vergleich mit dem übrigen Akteninhalt zeige, die Paraphierungen des Sachbearbeiters und jener Personen, die für die Vorgänge "Reingeschrieben" und "Entfertigt" zuständig gewesen seien, aufgewiesen habe, nicht jedoch die Unterschrift desjenigen, der die Erledigung genehmigt habe (der in der Unterschriftsklausel genannten Person). Da somit im Hinblick auf § 18 Abs. 4 (§ 58 Abs. 3) AVG überhaupt kein Straferkenntnis vorgelegen sei, aber nur gegen ein solches hätte berufen werden können, sei auf die Berufung nicht weiter einzugehen und diese als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht gemäß § 51 Abs. 1 VStG, gegen ein Straferkenntnis Berufung erheben zu können, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlägen - insbesondere dann, wenn gegen ihn ein Straferkenntnis erlassen worden sei, das Rechtswirkungen entfalte - verletzt. Er begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit dem Bemerken vorgelegt, auf die Erstatung einer Gegenschrift zu verzichten.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, daß das Straferkenntnis vom 4. Jänner 1991 ihm gegenüber mit der am 14. Jänner 1991 vorgenommenen Zustellung erlassen worden sei. Es sei ein formell fehlerfreier Bescheid, da die ihm zugestellte Ausfertigung die maschinengeschriebene Unterschriftsklausel "Der Bezirkshauptmann: (Dr. P)" sowie - unzweifelhaft - die Unterschrift der in der Unterschriftsklausel genannten Person, somit die Unterschrift des Genehmigenden aufweise. Ohne rechtlichen Einfluß auf das Vorliegen eines rechtswirksam erlassenen Bescheides sei es, wenn eine weitere Ausfertigung des Bescheides im Akt der Behörde allenfalls nicht vollständig und/oder nicht richtig unterfertigt sei. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, es liege überhaupt kein Straferkenntnis vor, sei demnach unzutreffend. Durch die verfehlte Zurückweisung seiner Berufung sei der Beschwerdeführer in seinem Recht, ein Verwaltungsstraferkenntnis anfechten zu können, verkürzt worden.
2.1. Das der Beschwerde zugrundeliegende Verwaltungsstrafverfahren war ein am 1. Jänner 1991 anhängiges Verfahren. Demnach hatte die belangte Behörde dieses Verfahren im Grunde des Art. IV Abs. 2 BGBl. Nr. 357/1990 (vgl. Wiederverlautbarungs-Kundmachung BGBl. Nr. 51/1991, Anlage 2) iVm Art. II Abs. 2 BGBl. Nr. 358/1990 (vgl. Wiederverlautbarungs-Kundmachung BGBl. Nr. 52/1991, Anlage 2) nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.
2.2. Die für die im Beschwerdefall zu lösende Rechtsfrage maßgebliche Rechtsnorm ist somit § 18 Abs. 4 AVG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 (§ 24 VStG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990). Zufolge des ersten Satzes dieser Vorschrift müssen alle schriftlichen Ausfertigungen (von behördlichen Erledigungen) - wozu im Grunde des § 58 Abs. 3 AVG auch Ausfertigungen von Bescheiden zu zählen sind - die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat.
2.3. Unter Zugrundelegung des Inhaltes der dem Gerichtshof vorgelegten Akten, der der Beschwerde angeschlossenen Ablichtung des dem Beschwerdeführer zugestellten Straferkenntnisses und des damit übereinstimmenden - von der belangten Behörde unbestritten gebliebenen - Beschwerdevorbringens weist das für den Beschwerdeführer bestimmte und ihm zugestellte Original des Straferkenntnisses die Bezeichnung der Behörde ("Bezirkshauptmannschaft Bruck a.d. Mur"), das Datum ("4.1.1991") und die unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebene Unterschrift dessen auf, der die Erledigung genehmigt hat ("Dr. P"). Damit aber ist dem § 18 Abs. 4 erster Satz AVG entsprochen, versteht doch diese Vorschrift - wie sich auch aus § 18 Abs. 3 leg. cit. idF vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 ergibt - unter "alle schriftlichen Ausfertigungen" ausschließlich solche, die Parteien gegenüber ergangen sind (ihnen ausgefolgt oder zugestellt worden sind), also nicht auch Ausfertigungen, die im Akt der Behörde verbleiben. Für das rechtliche Existentwerden des Straferkenntnisses war mithin neben der Erlassung dem Beschwerdeführer gegenüber (Zustellung am 14. Jänner 1991) wesentlich, daß das ihm zugestellte Original dieses erstinstanzlichen Bescheides sämtliche vom Gesetz (§ 18 Abs. 4 erster Satz AVG) geforderten Merkmale aufweist. Daß die im Verwaltungsakt verbliebene Durchschrift des Straferkenntnisses nicht die Unterschrift des Genehmigenden trägt, ist sohin - worauf die Beschwerde zu Recht hinweist - für die Frage, ob das Straferkenntnis rechtswirksam erlassen worden ist, ohne rechtliche Relevanz.
Wie bereits den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, irrte die belangte Behörde, wenn sie die im Akt verbliebene Durchschrift des Straferkenntnisses als "Urschrift" desselben bezeichnet. Von einer solchen könnte nämlich nur dann gesprochen werden, wenn in einem gleichsam zweistufigen Vorgang zunächst eine Urschrift und in der Folge hievon Ausfertigungen erstellt worden wären. Der vorliegende Fall ist hingegen dadurch gekennzeichnet, daß in einem einheitlichen (einstufigen) Vorgang ein Straferkenntnis erstellt wurde, von dem das - wie dargetan - allen gesetzlichen Anforderungen genügende Original dem Beschwerdeführer zugestellt, und eine Durchschrift zum Akt genommen worden ist. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt von jenem, der den hg. Erkenntnissen vom 6. Dezember 1985, Zl. 85/18/0029, und vom 11. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.333/A, auf welche sich die belangte Behörde unausgesprochen bezog, zugrunde gelegen war. Die vom Gerichtshof dort vertretene Rechtsanschauung, wonach auch die "Urschrift" eines Bescheides mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen sein müsse, ist deshalb auf den vorliegenden Beschwerdefall nicht übertragbar.
3. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage zu dem Ergebnis gelangte, daß "überhaupt kein Straferkenntnis vorlag", und als Folge dessen rechtswidrigerweise die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückwies, anstatt über sie meritorisch zu entscheiden, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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