VwGH 91/19/0038

VwGH91/19/003815.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Bescherde des N gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 11. Juli 1990, Zl. III-4033/90, betreffend Übertretungen nach dem Paßgesetz und dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §14 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
PaßG 1969 §23 Abs1;
PaßG 1969 §40 Abs1;
PaßG 1969 §40 Abs2;
Sichtvermerkszwang Aufhebung Türkei 1955;
VStG §44a litc;
VwGG §34 Abs1;
FrPolG 1954 §14 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
PaßG 1969 §23 Abs1;
PaßG 1969 §40 Abs1;
PaßG 1969 §40 Abs2;
Sichtvermerkszwang Aufhebung Türkei 1955;
VStG §44a litc;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretungen nach 1. § 23 Abs. 1 Paßgesetz 1969 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 190/1990 (PG) in Verbindung mit Punkt 1 des Sichtvermerksabkommens BGBl. Nr. 194/1955 und 2. § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 190/1990 (FPG) bestraft, weil er

1. am 25. August 1989 in der Absicht nach Österreich eingereist sei, dort einen länger als drei Monate dauernden Aufenthalt zu nehmen, ohne vor seiner Einreise den erforderlichen Sichtvermerk eingeholt zu haben, und 2. sich vom 26. November bis 30. Dezember 1989 in Frastanz aufgehalten habe, obwohl er nicht im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes gewesen sei. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz geständig gewesen sei, am 25. August 1989 mit seiner Familie nach Österreich eingereist zu sein, um hier um Aufenthaltsgenehmigung anzusuchen. Es stehe daher fest, daß der Beschwerdeführer in der Absicht nach Österreich eingereist sei, hier einen länger als drei Monate dauernden Aufenthalt zu nehmen. Bis zum 30. Dezember 1989 habe er sich ohne Sichtvermerk in Österreich aufgehalten. Gemäß dem österreichisch-türkischen Sichtvermerksabkommen wäre er jedoch verpflichtet gewesen, noch vor seiner Einreise in das Land den erforderlichen Sichtvermerk einzuholen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 26. November 1990, B 1068/90-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie mit Beschluß vom 28. Februar 1991, B 1068/90-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Seiner Ansicht nach könne jemand nicht allein "wegen einer bestimmten Absicht" bestraft werden. Ferner stehe der angefochtene Bescheid mit sich selbst im Widerspruch, weil der Beschwerdeführer im Falle einer illegalen Einreise auch für die ersten drei Monate seines Aufenthaltes in Österreich zu bestrafen gewesen wäre. Außerdem beschwere sich der Beschwerdeführer darüber, daß er keinen Zugang zu einer unabängigen Entscheidungsinstanz im Sinne des Art. 6 MRK (einem Tribunal) rechtlich durchsetzen habe können. Darüberhinaus halte er seine "verfassungsrechtlichen Argumente" aufrecht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 PG bedürfen Fremde zur Einreise in das Bundesgebiet außer einem gültigen Reisedokument eines österreichischen Sichtvermerkes, soweit nicht etwas anderes durch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt wird.

Nach dem bis 16. Jänner 1990 zur Gänze in Kraft gestandenen österreichisch-türkischen Abkommen über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges, BGBl. Nr. 194/1955, beträgt das zulässige Höchstausmaß des Aufenthaltes für jede Einreise eines Angehörigen eines der Vertragsstaaten in das Gebiet des jeweils anderen Vertragsstaates grundsätzlich drei Monate. Staatsbürger jedes der beiden Vertragsstaaten, welche wünschen, sich in der Türkei bzw. in Österreich niederzulassen oder dort länger als drei Monate Aufenthalt zu nehmen, müssen noch vor ihrer Einreise unbedingt von den zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertretungsbehörden den erforderlichen Sichtvermerk einholen.

Gemäß § 40 Abs. 1 PG begeht, wer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in das Bundesgebiet einreist oder aus diesem ausreist, insoweit nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und wird von der Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde von dieser, mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu sechs Wochen belegt. Bei erschwerenden Umständen sind Geld- und Arreststrafe nebeneinander zu verhängen.

Gemäß § 2 Abs. 1 FPG sind Fremde nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zum zeitlich unbeschränkten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, sofern die Dauer ihres Aufenthaltes nicht durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder in den ihnen erteilten Sichtvermerken beschränkt wird.

Gemäß § 14 Abs. 1 FPG macht sich, wer sich entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes im Bundesgebiet aufhält oder diesem Bundesgesetz oder einer auf seiner Grundlage erlassenen Verfügung auf eine andere Weise zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig.

Nach den schlüssig begründeten Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde, denen auch der Beschwerdeführer nichts Stichhältiges entgegenzusetzen vermag, ist dieser (ein türkischer Staatsangehöriger) am 25. August 1989 ohne vorherige Einholung eines Sichtvermerkes in der Absicht nach Österreich eingereist, dort einen länger als drei Monate dauernden Aufenthalt zu nehmen. Damit verstieß er, weil nach dem österreichisch-türkischen Sichtvermerksabkommens bei einem beabsichtigten Aufenthalt von mehr als drei Monaten im Einreisestaat keine sichtvermerksfreie Einreise erlaubt war, gegen § 23 Abs. 1 PG und verwirklichte in objektiver und - da ein mangelndes Verschulden nicht dargetan wurde - auch in subjektiver Hinsicht den Tatbstand der Verwaltungsübertretung nach § 40 Abs. 1 PG. HIEFÜR und nicht - wie der Beschwerdeführer polemisch überspitzt meint - allein "wegen einer bestimmten Absicht" wurde er bestraft, wobei er durch die Anwendung der gegenüber § 40 Abs. 1 PG milderen Strafnorm des § 40 Abs. 2 leg. cit. (Geldstrafe bis S 3.000,-- oder Arreststrafe bis zu zwei Wochen) nicht in seinen Rechten verletzt wurde (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, 980, angeführte Rechtsprechung). Warum es der Behörde verwehrt sein sollte, eine auf Grund der Ermittlungsergebnisse festgestellte, für die Tatbildmäßigkeit maßgebende "bestimmte Absicht" als "Kriterium für eine Bestrafung" heranzuziehen, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.

Auch hinsichtlich der Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretung nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 FPG ist der angefochtene Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit belastet (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1991, Zl. 90/19/0578). Mit seinem Hinweis, daß er nicht auch "für die ersten drei Monate seines Aufenthaltes in Österreich" bestraft worden sei, vermag der Beschwerdeführer keine Rechtsverletzung darzutun. Dieser von ihm geltend gemachte Umstand hinderte die belangte Behörde keineswegs an der Ahndung des der Bestrafung zugrunde gelegten späteren gesetzwidrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer aufrechterhaltenen "verfassungsrechtlichen Argumente" wird bemerkt, daß diese bereits an den Verfassungsgerichtshof herangetragen und dort nicht aufgegriffen wurden. Bezüglich des vom Beschwerdeführer monierten Zuganges zu einem Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK ist darüberhinaus auf die ständige Rechtsprechung (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 1988, Zl. 88/08/0113, und die dort angeführte Judikatur beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) zu verweisen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht zur Stellung eines Prüfungsantrages an den Verfassungsgerichtshof veranlaßt.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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