VwGH 91/19/0035

VwGH91/19/003527.5.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 19. April 1990, Zl. FrB-4250/90, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 27. Dezember 1989 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 und 2 Z. 7 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987 (im folgenden kurz: FrPolG), gestütztes Aufenthaltsverbot bis zum 31. Dezember 1994 für das gesamte Bundesgebiet erlassen. Weiters wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer gemäß § 12 leg. cit. die Kosten der Schubhaft zu ersetzen habe. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 wurde einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. April 1990 mit der Maßgabe keine Folge, daß das Aufenthaltsverbot gemäß § 3 Abs. 1 und § 4 FrPolG erlassen werde.

In der Begründung dieses Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, anläßlich einer Kontrolle am 26. Dezember 1989 sei festgestellt worden, daß im Reisepaß des Beschwerdeführers ein Einreisestempel des Flughafens Wien-Schwechat vom 26. August 1989 enthalten sei. Weiters sei ein Stempelabdruck der österreichischen Grenzkontrollstelle Brenner-Straße vom 23. Dezember 1989 im Reisepaß vorhanden gewesen. Auf diesem seien jedoch die Worte "Ein - Aus" durchgestrichen gewesen. Eine Aufenthaltsgenehmigung für Österreich habe gefehlt. Der Beschwerdeführer sei am 26. Dezember 1989 festgenommen und durch Gendarmerieorgane der Behörde erster Instanz vorgeführt worden. Es stehe daher fest, daß der Beschwerdeführer nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am 26. August 1989 über den dreimonatigen sichtvermerksfreien Zeitraum im Bundesgebiet Aufenthalt genommen und sich somit über die in dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Sichtvermerksabkommen mit der Türkei festgelegten Bestimmungen vorsätzlich hinweggesetzt habe. Obwohl dies im § 2 FrPolG nicht mehr explizit ausgeführt sei, sei doch weiterhin davon auszugehen, daß Fremde während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet ihr Verhalten den österreichischen Gesetzen anzupassen hätten. Fremde, die sich bewußt über die fremdenpolizeilichen Vorschriften hinwegsetzten, hätten das ihnen eingeräumte Gastrecht verwirkt. Durch ein derartiges Verhalten beschnitten sie die Republik Österreich in ihrem Rechtsanspruch auf die möglichst genaue Erfassung aller im Bundesgebiet aufhältigen Fremden. Der Beschwerdeführer habe somit eine schwerwiegende Verletzung der österreichischen Rechtsordnung begangen, sein weiterer Aufenthalt würde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit beeinträchtigen. Auf die Einwendung des Beschwerdeführers, ein einmaliger Verstoß gegen das Paßgesetz reiche nach § 3 Abs. 2 Z. 2 FrPolG nicht aus, um darauf ein Aufenthaltsverbot zu gründen, sei nicht näher einzugehen gewesen, da das Aufenthaltsverbot aus den obgenannten Gründen gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. erlassen worden sei. Die Behörde erster Instanz habe (zwar) zu Recht das Aufenthaltsverbot auf § 3 Abs. 2 Z. 7 FrPolG gestützt, durch die im Zuge des Berufungsverfahrens vorgelegte Unterstützungserklärung des Bruders des Beschwerdeführers sei der Spruch jedoch entsprechend abzuändern gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 25. September 1990, Zl. B 708/90, die Behandlung derselben ablehnte und sie in der Folge mit Beschluß vom 21. Februar 1991 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in näher angeführten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie im (einfachgesetzlichen) Recht auf Nichtverhängung eines Aufenthaltsverbots (Beschwerdepunkte gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel der Behauptung der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und der Verfassungswidrigkeit der angewendeten Gesetzesbestimmungen sein bisheriges - an den Verfassungsgerichtshof gerichtetes - Vorbringen aufrecht hält, ist zu bemerken, daß der Verfassungsgerichtshof diesem Vorbringen nicht gefolgt ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich zu keiner anderen Betrachtungsweise veranlaßt.

Gemäß § 3 Abs. 1 FrPolG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach der im Beschwerdefall gleichfalls rechtserheblichen Bestimmung des § 3 Abs. 2 Z. 2 FrPolG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 leg. cit. insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist.

Hinsichtlich der Übertretungen der soeben angeführten vier Gesetze wird vom Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall FrPolG dann verwirklicht ist, wenn in bezug auf die dort genannten vier Gesetze insgesamt mindestens drei rechtskräftige Bestrafungen eines Fremden vorliegen (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 90/19/0253, und das dort angeführte weitere Erkenntnis), was im Beschwerdefall unbestrittenermaßen nicht der Fall ist. Vielmehr ist nach der Aktenlage (lediglich) eine einmalige Bestrafung des Beschwerdeführers am 27. Dezember 1989 wegen Übertretung nach § 23 Abs. 3 des Paßgesetzes ersichtlich, wobei in der diesbezüglichen Niederschrift über die mündliche Verkündung des Straferkenntnisses auf die "in der Anzeige näher beschriebene(n) Verwaltungsübertretung(en)" hingewiesen wird. Diese Anzeige ist offenbar jene des Gendarmeriepostens Lauterach vom 26. Dezember 1989, auf welche in der Begründung des angefochtenen Bescheides inhaltlich Bezug genommen wird. Ob die erwähnte Bestrafung vom 27. Dezember 1989 in Rechtskraft erwachsen war, kann auf Grund der nachstehenden Ausführungen dahingestellt bleiben, weil selbst bejahendenfalls für den Standpunkt der belangten Behörde nichts gewonnen wäre:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es zwar auch auf dem Boden der durch die Novelle BGBl. Nr. 575/1987 konstituierten Rechtslage zulässig, ein Fehlverhalten dem § 3 Abs. 1 FrPolG zu subsumieren, ohne daß die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall leg. cit. vorliegen. Allerdings ist die "direkte" Subsumtion eines solchen Fehlverhaltens unter § 3 Abs. 1 FrPolG nicht für sich allein zulässig, sondern rechtlich nur und erst dann gedeckt, wenn zu diesem (zumindest) ein weiteres hinzutritt, und das sich daraus ergebende GESAMT(fehl)verhalten von solchem Gewicht ist, daß jenes die Annahme des Vorliegens einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 FrPolG rechtfertigt (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 90/19/0253).

Die belangte Behörde hat daher damit, daß sie als Fehlverhalten des Beschwerdeführers im Sinne des § 3 Abs. 1 FrPolG allein dessen Aufenthalt im Bundesgebiet über den dreimonatigen sichtvermerksfreien Zeitraum hinaus gewertet hat, die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, da im Falle der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführer kein Ersatz der Stempelgebühren zuzusprechen ist, die er im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entrichten mußte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0002).

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