VwGH 91/17/0014

VwGH91/17/00148.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N-KG gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 17. November 1988, Zl. 11/01-20797/8-1988, betreffend Vorschreibung von Getränkesteuer für die Jahre 1982 bis 1985 (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Hallein, 5400 Hallein), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
GetränkesteuerG Slbg 1967 §2 Abs4;
GetränkesteuerGNov Slbg 1988;
GetränkesteuerV Hallein 1982 §3 Abs3a;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
GetränkesteuerG Slbg 1967 §2 Abs4;
GetränkesteuerGNov Slbg 1988;
GetränkesteuerV Hallein 1982 §3 Abs3a;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1990, B 1905/88, der Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Abgabenbescheid der Gemeindevorstehung der mitbeteiligten Stadtgemeinde (ohne Datum; Beschlußfassung vom 10. Oktober 1986) wurde der beschwerdeführenden Partei für den Zeitraum von 1982 bis 1985 Getränkesteuer in der Höhe von S 2,818.067,--, davon eine Nachzahlung von S 612.019,--, vorgeschrieben. Seitens der beschwerdeführenden Partei sei bei der Selbstbemessung der Getränkesteuer der Teil des Verkaufspreises, der auf die Warenumschließungen entfallen sei, nicht berücksichtigt worden.

1.2. Mit Bescheid vom 19. August 1987 gab die Salzburger Landesregierung der gegen die Getränkesteuervorschreibung erhobenen Vorstellung keine Folge.

1.3. Mit Erkenntnis vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/17/0323, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Die Aufhebung gründete sich auf die Rechtsauffassung, daß der Wert der Verpackungen in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Getränkesteuer vor Inkrafttreten der Getränkesteuergesetz-Novelle, LGBl. für das Land Salzburg Nr. 30/1987, nicht einzubeziehen sei.

1.4. Mit Ersatzbescheid der Salzburger Landesregierung vom 17. November 1988 wurde die Vorstellung neuerlich als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß das Salzburger Getränkesteuergesetz 1967, LGBl. Nr. 14/1968, mit Gesetz vom 3. Februar 1988, LGBl. Nr. 37, dahin geändert worden sei, daß § 2 Abs. 4 leg. cit. in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 30/1987 auch auf steuerpflichtige Tatbestände Anwendung finde, die vor dem 11. Juni 1987 (dem Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 37/1988) verwirklicht worden seien; die Gemeinden seien ermächtigt worden, ihre Beschlüsse über die Einhebung der Getränkesteuer dementsprechend zu ergänzen. Dies sei mit Verordnung der Stadtgemeinde Hallein vom 6. Oktober 1988 erfolgt. Auf Grund der nunmehrigen Rechtslage habe die Stadtgemeinde Hallein somit die Kostenanteile für die Getränkeverpackungen zu Recht in die Getränkesteuerbemessungsgrundlage einbezogen.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof.

Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vom 3. Feber 1988, mit dem der Geltungsbeginn des § 2 Abs. 4 des Salzburger Getränkesteuergesetzes 1967 bestimmt wird, LGBl. Nr. 37/1988, sowie ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des letzten Satzes des § 3 Abs. 3 a der Getränkesteuerverordnung der Stadtgemeinde Hallein vom 10. November 1982 in der Fassung vom 6. Oktober 1988 eingeleitet. Mit Erkenntnis vom 2. Oktober 1990, G 13-15/90, V 73-75/90, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß weder die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle als verfassungswidrig noch die in Prüfung gezogene Verordnungstelle als gesetzwidrig aufgehoben werden.

Mit Erkenntnis vom 7. Dezember 1990, B 1905/88, wies der Verfassungsgerichtshof sodann die Beschwerde als unbegründet ab, da die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sei. Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß abgetreten.

1.6. In ihrer Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichthof erachtet sich die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht verletzt, daß das Entgelt für die Getränkeverpackungen nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werde. Im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 63 VwGG sei die belangte Behörde unbeschadet des nach dem Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis erlassenen Landesgesetzes vom 3. Februar 1988, LGBl. Nr. 37, nicht berechtigt gewesen, für den Abgabenzeitraum von 1982 bis 1985 ihrer Entscheidung (vom 17. November 1988) eine andere Rechtsmeinung zugrunde zu legen, als sie vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 18. Dezember 1987 vertreten worden sei. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen habe, daß die mit der Getränkesteuergesetznovelle LGBl. Nr. 30/1987 verfügte Ergänzung, wonach der im Entgelt enthaltene Anteil für mitverkaufte Verpackung zur Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer zähle, auf einen Sachverhalt vor Erlassung des Gesetzes nicht anwendbar sei, sei dann durch das Gesetz LGBl. Nr. 37/1988 angeordnet worden, daß die Einbeziehung des Entgeltes für die Verpackung in die Bemessungsgrundlage auch für steuerpflichtige Tatbestände anzuwenden sei, die vor dem 11. Juni 1987 verwirklicht worden seien. Unter "verwirklicht" sei zweifellos zu verstehen, daß sämtliche Merkmale des zu beurteilenden Sachverhaltes unter dem Blickwinkel der bestehenden Rechtslage vorliegen müßten, im konkreten Falle also, daß die steuerpflichtigen Umsätze für die Zeit von 1982 bis 1985 nach der damals geltenden Rechtslage erfaßt gewesen seien. Wohl könnten Gesetze mit rückwirkender Kraft erlassen werden, jedoch nur dann, wenn nicht schon ein Sachverhalt eine Beurteilung durch ein Höchstgericht erfahren und dieses seine Rechtsmeinung verbindlich ausgesprochen habe. Die Rückwirkung könne sich nicht auf bereits endgültig erledigte Angelegenheiten erstrecken; die Entscheidung eines Höchstgerichtes schaffe eine solche Erledigung.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 63 Abs. 1 VwGG (in der vor dem 1. Jänner 1991 geltenden Fassung) lautet:

"Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 oder 131 a B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen."

Mit Gesetz vom 3. Februar 1988, LGBl. für das Land Salzburg Nr. 37, wurde der Geltungsbeginn des § 2 Abs. 4 leg. cit. in der Fassung LGBl. Nr. 30/1987, wie folgt bestimmt:

"§ 2 Abs. 4 des Salzburger Getränkesteuergesetzes 1967, LGBl. Nr. 14/1968, in der Fassung der Gesetze LGBl. Nr. 109/1973 und Nr. 30/1987 findet auch auf steuerpflichtige Tatbestände Anwendung, die vor dem 11. Juni 1987 verwirklicht worden sind. Die Gemeinden werden ermächtigt, ihre Beschlüsse über die Einhebung der Getränkesteuer dementsprechend zu ergänzen."

Von dieser Ermächtigung hat die mitbeteiligte Stadtgemeinde mit Verordnung der Gemeindevertretung vom 6. Oktober 1988 Gebrauch gemacht.

2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde nach Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof bei Erlassung ihres neuen Bescheides die inzwischen eingetretenen Änderungen in der Rechts- und Sachlage zu berücksichtigen (vgl. z.B. die hg. Erkenntisse vom 14. Juli 1949, Slg. N.F. Nr. 960/A, vom 17. Dezember 1976, Slg. N.F. Nr. 9203/A, und vom 15. Jänner 1986, Zl. 85/13/0186. Eine Änderung der Rechtslage verpflichtet die Behörde, ungeachtet eines vorangegangenen Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisses unter Zugrundelegung der nunmehr für ihre Entscheidung maßgeblichen Normen zu entscheiden (hg. Erkenntnis vom 21. März 1956, Zl. 2863/53; ebenso VfSlg. 7705/1975).

Die Änderung der Rechtslage besteht im vorliegenden Fall in einer rückwirkenden Veränderung derselben. Prüfungszeitpunkt für die belangte Vorstellungsbehörde, deren vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtener Bescheid nach der Erlassung des Gesetzes vom 3. Feber 1988, LGBl. Nr. 37, ergangen ist, ist der Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheides. Die Besonderheit des Beschwerdefalles liegt nun darin, daß die Rückwirkungsanordnung des eben zitierten Gesetzes aus 1988 und der entsprechenden Halleiner Getränkesteuerverordnung vom 6. Oktober 1988 so allgemein gefaßt ist, daß sie nicht nur die Gemeinden ermächtigt, in der Vergangenheit verwirktlichte Tatbestände der Besteuerung zu unterziehen, sondern auch anhängige Verfahren, im besonderen auch Vorstellungsverfahren erfaßt, und zwar in den letzteren Verfahren insofern, als es um den Beurteilungsmaßstab für die im Vorstellungsverfahren bekämpften gemeindebehördlichen Abgabenbescheide geht. Daß die vorliegende Regelung auch bereits durch rechtskräftige Abgabenscheide erledigte Fälle erfaßt, davon ist auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Oktober 1990, G 13/90 und Folgezahlen, ausgegangen und hat dort - unter Bezugnahme auf sein Erkenntnis vom 14. März 1990, G 283/89 ausgesprochen, daß dies die geprüfte Norm auch in dieser Hinsicht nicht verfassungswidrig (gleichheitswidrig) erscheinen läßt. Die belangte Behörde hat daher den bekämpften gemeindebehördlichen Abgabenbescheid zu Recht anhand der neuen Rechtslage beurteilt, also den Bescheid, der ja inhaltlich der neuen (rückwirkend in Kraft gesetzten) Rechtslage entsprach, im Ergebnis als saniert betrachtet. Zu Recht ist sie nicht mit einer - im konkreten Fall letzten Endes überdies keinem Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei dienenden - Aufhebung des Bescheides der Gemeindevorstehung der mitbeteiligten Gemeinde vorgegangen.

2.3. In seinem Erkenntnis vom 12. März 1985, Slg. Nr. 10.402, hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, daß das rückwirkende Inkraftsetzen von Normen immer zugleich auch den Maßstab für die Prüfung bereits erlassener Verwaltungsakte ändere. Dieses Ergebnis müsse als notwendige Folge der - regelmäßig zulässigen - Rückwirkung eben hingenommen werden. Denn der bloße Umstand, daß bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig sei, könne den Beschwerdeführer nicht von einer allgemein angeordneten Rückwirkung ausnehmen. Wenn eine Änderung der Rechtslage ABER ausschließlich bewirken sollte, daß die bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anhängigen Verfahren anhand der geänderten Rechtslage beurteilt würden, laufe die Anordnung der Rückwirkung ohne Zweifel darauf hinaus, festzulegen, an welchen Normen diese die angefochtenen Verwaltungsakte zu messen hätten. Werde die Rückwirkung gezielt auf anhängige Verfahren beschränkt, liege die Einflußnahme auf die Rechtsprechung der Gerichtshöfe offen zutage.

Die bei Erlassung des angefochtenen Ersatzbescheides angewendete und sodann auch von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof anzuwendende rückwirkende gesetzliche Regelung hat schon beim Verfassungsgerichtshof, wo der Vorstellungsbescheid zunächst angefochten worden war, nicht das verfassungsrechtliche Bedenken ausgelöst, die Rückwirkung wäre gezielt und ausschließlich deswegen angeordnet worden, um die Beschwerdeführer in einem vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anhängigen Verfahren (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1985, Slg. N.F. Nr. 10.402) oder im fortgesetzten Verwaltungsverfahren nach einem aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder Verwaltungsgerichtshofes um den möglichen Erfolg ihrer Beschwerde zu bringen. Der sachliche Geltungsbereich der Rückwirkungsanordnung ist keineswegs auf diese verfahrensrechtliche Situation abgestellt. Schon die verschiedenen Anlaßfälle im Normenprüfungsverfahren zu G 13/90 zeigen, daß das Gesetz LGBl. Nr. 37/1988 auch faktisch nicht nur bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anhängige oder anhängig gewesene Verfahren betroffen hat. Die Regelung schließt darüberhinaus in sämtlichen nicht bescheidförmig erledigten Fällen (der Selbstbemessung) eine Rückforderung der auf die Verpackungskostenanteile entfallenden Abgabe aus. Die rückwirkenden Normen des Gesetzes LGBl. Nr. 37/1988 und die Getränkesteuerverordnung der Stadtgemeinde Hallein vom 6. Oktober 1988 begegnen also nicht den eben erörterten Bedenken, sodaß auch kein Anlaß besteht, dieses als neues, seinerzeit noch nicht releviertes Bedenken zur Begründung eines neuerlichen Gesetzesprüfungsantrages zu machen.

2.3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

2.4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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