VwGH 91/16/0018

VwGH91/16/001825.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr und Mag. Meinl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 6. September 1990, Zl. Jv 50.610-33a/90, betreffend Nachlaß von Gerichtsgebühren,

Normen

B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art131a impl;
GEG §9 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art131a impl;
GEG §9 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

A.

den Beschluß gefaßt:

Die auf Art. 131a und 132 B-VG gestützten und unter einem erhobenen Maßnahme- und Säumnisbeschwerden werden als unzulässig zurückgewiesen.

B.

zu Recht erkannt:

Der oben bezeichnete Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bezüglich des Sachverhaltes und des bisherigen Verfahrensablaufes wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. März 1990, Zl. 90/16/0023, verwiesen, mit welchem die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10. Oktober 1989 betreffend die im Instanzenzuge erfolgte Bestätigung der Vorschreibung von Gerichtsgebühren im Betrage von insgesamt 71.883 S als unbegründet abgewiesen worden war. Der Gerichtshof hatte hierbei für bestimmend erachtet, daß § 68 WehrG 1978 nur die durch dieses Bundesgesetz UNMITTELBAR veranlaßten Schriften und Amtshandlungen von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren befreie. Dazu gehöre aber nicht die vom Beschwerdeführer gegen den Bund erhobene Klage.

In der Folge wies der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien mit Bescheid vom 6. September 1990 den Antrag des Beschwerdeführers, die vorgeschriebenen und abgeforderten Gerichtsgebühren gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 zu erlassen, in dem er ua vorgebracht hatte, er sei "Sozialhilfebezieher auch für diese Jahre", als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, grundsätzlich obliege es dem Zahlungspflichtigen einwandfrei und unter Ausschluß jeden Zweifels das Vorliegen aller Umstände darzutun, auf welche sich sein Begehren stütze. Der Beschwerdeführer verweise in seinem Antwortschreiben auf die sachlichen und persönlichen Gebührenfreiheiten (§§ 10, 10 Z. 3, 13 GGG und § 68 WehrG). Diese Feststellungen blieben bei der Beurteilung des Nachlaßantrages unberücksichtigt, weil sie keine Härtegründe iSd § 9 Abs. 2 GEG 1962 darstellten. Der Beschwerdeführer mache lediglich geltend, daß er Sozialhilfeempfänger sei, ohne dies jedoch zu bescheinigen und auf seine tatsächliche persönliche und wirtschaftliche Situation einzugehen. Insbesondere fehle jeglicher Hinweis auf das Liegenschaftseigentum des Beschwerdeführers zur Hälfte an der EZ nn1 KG Simonsfeld, GB. Korneuburg. Die Aktenlage lasse daher keine konkreten Tatsachen erkennen, die einen Nachlaß rechtfertigen könnten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Die Behandlung der Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit dem Beschluß vom 26. November 1990, B 1120/90, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt, weil die gerügten Rechtsverletzungen nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes wären. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen. Gleichzeitig wurde die Beschwerde nach Art. 144 Abs. 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde erstattete zur Bescheidbeschwerde eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung beantragt wird.

Der Gerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen iSd § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Nachlaß der streitverfangenen Gerichtsgebühren verletzt.

Nach § 9 Abs. 2 erster Satz GEG 1962 können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit "besonderer Härte" für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlaß im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, handelt es sich bei dieser Bestimmung um eine Ermessensvorschrift, doch ist das Recht der Behörde, von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz enthaltenen Alternativvoraussetzungen abhängig (siehe zB. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1988, Zl. 87/16/0140, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Daß der vom Beschwerdeführer angestrebte Nachlaß im öffentlichen Interesse gelegen wäre, wird im Beschwerdefall nicht behauptet. In Streit steht aber, ob die Einbringung der gegenständlichen Gebühr mit besonderer Härte für den Beschwerdeführer verbunden wäre. Die belangte Behörde hat dies im wesentlichen mit der Begründung verneint, der Beschwerdeführer habe lediglich geltend gemacht, daß er Sozialhilfeempfänger sei, ohne dies zu bescheinigen und auf seine tatsächliche persönliche und wirtschaftliche Situation einzugehen.

Die Nachsicht von Gebühren nach § 9 Abs. 2 GEG 1962 stellt den typischen Fall einer auf die Verhältnisse des Einzelfalles zugeschnittenen Entscheidung dar. Hiebei kommt es, wie aus dem Gesetzestext mit eindeutiger Klarheit hervorgeht, nur darauf an, ob die EINBRINGUNG mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre. Die besondere Härte, die eine Nachsicht begründet, muß sohin in der Einbringung des Gebührenbetrages bei dem Zahlungspflichtigen, also in dessen persönlichen Verhältnissen begründet sein (vgl. das Erkenntnis vom 12. November 1987, Zl. 86/16/0142, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer hat nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens in der Beilage zu seinem Antwortschreiben vom 28. August 1990 die Frage nach seinem Einkommen dahingehend beantwortet, daß er als Fürsorgeunterstützung einen monatlichen Betrag in Höhe 2.187 S beziehe.

Auch in dem gesetzlich nicht näher geregelten Verfahren über Nachsichtsanträge sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das obzitierte Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 87/16/0140) die allgemeinen Grundsätze eines geordneten Verfahrens zu beachten; dazu gehört die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ebenso wie eine nachprüfbare Begründung der Entscheidung. Diesen Anforderungen an das Verfahren wurde von der belangten Behörde nicht entsprochen, was vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG bei Erledigung der Beschwerde von Amts wegen wahrzunehmen war.

Die belangte Behörde hat es insbesondere unterlassen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bei Zutreffen der Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers die Einbringung des streitverfangenen Gebührenbetrages den Nahrungsstand (die wirtschaftliche Existenz) des Beschwerdeführers beeinträchtigen würde. Dieser Mangel entzieht den angefochtenen Bescheid der Nachprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit.

Da aber nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Zutreffen und Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer dargestellten Einkommensverhältnisse zu einem anderslautenden Bescheid hätte kommen können, haften dem angefochtenen Bescheid wesentliche Verfahrensfehler an, die zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG führen mußten.

Die auf Art. 131a B-VG gegründete - beim Verfassungsgerichtshof mit einem Abtretungsantrag am 25. September 1990 angebrachte - Beschwerde war zurückzuweisen, weil Gegenstand einer Maßnahmebeschwerde nach dieser Bestimmung nicht sein kann, was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann (vgl. VwSlg. 9439/A und 9461/A). Da die belangte Behörde ihrer Entscheidungspflicht zuletzt mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerde angefochtenen Bescheid nachkam, war die auf Art. 132 B-VG gegründete Säumnisbeschwerde mangels Vorliegens der Voraussetzungen und wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ebenfalls zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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