VwGH 91/11/0094

VwGH91/11/009422.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der Inge P in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Mai 1991, Zl. MA 70-8/171/91, betreffend Aussetzung des Verfahrens in Angelegenheit Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §56;
AVG §57;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs5;
StVO 1960 §99 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §57;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs5;
StVO 1960 §99 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Mai 1991 wurde das bei der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, als Vorstellungsbehörde gegen die Beschwerdeführerin anhängige Verfahren betreffend Entziehung ihrer Lenkerberechtigung gemäß § 38 AVG ausgesetzt, und zwar bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einem bei der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, anhängigen, näher bezeichneten Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin wegen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründete die Aussetzung des Entziehungsverfahrens damit, daß in dem bei der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, anhängigen Strafverfahren die Frage, ob die Beschwerdeführerin am 17. September 1990 (neuerlich) eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe, als Hauptfrage zu klären sei. Diese Frage bilde im Entziehungsverfahren eine Vorfrage, weshalb es im Interesse der Verfahrensökonomie gelegen sei, dieses Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Strafverfahren auszusetzen.

Die Beschwerdeführerin meint, es liege gar keine Vorfrage vor. Es fehle nämlich an der dafür erforderlichen Präjudizialität, da es im vorliegenden Fall der Kraftfahrbehörde in gleicher Weise wie der Strafbehörde möglich und zumutbar sei, die Frage der Begehung der in Rede stehenden Straftat durch die Beschwerdeführerin zu beurteilen, und die Kraftfahrbehörde diese Frage selbst im Falle der Einstellung des Strafverfahrens bejahen könne.

Die Beschwerdeführerin ist damit nicht im Recht. Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Oktober 1987, Slg. Nr. 12555/A, und das Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0069) handelt es sich bei der von den Kraftfahrbehörden im Verfahren betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung zu prüfenden Frage, ob eine Person eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat und damit eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vorliegt, um eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Das gilt auch dann, wenn die beiden Verfahren bei derselben Behörde zu führen sind (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1981, Slg. Nr. 10383/A). Die Kraftfahrbehörde ist an eine darüber ergangene rechtskräftige Entscheidung der Strafbehörde gebunden. Dies gilt selbst im Falle einer Einstellung des Strafverfahrens, sofern diese nicht bloß aus einem formellen Grund verfügt wird, sondern nach ihrer Begründung als Entscheidung über die Vorfrage anzusehen ist (vgl. auch dazu das erwähnte Erkenntnis eines verstärkten Senates Slg. Nr. 12555/A). Gegen die Ansicht der belangten Behörde, die Aussetzung des Entziehungsverfahrens liege im vorliegenden Fall im Sinne der hiebei primär zu beachtenden Verfahrensökonomie (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 12. Februar 1986, Slg. Nr. 12019/A, und vom 20. Oktober 1987, Zl. 87/11/0053), bestehen angesichts dessen, daß ein Strafverfahren bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen war und nach der Aktenlage Ermittlungen zur Klärung der Vorfrage ausschließlich im Strafverfahren vorgenommen wurden, keine Bedenken. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin auf Grund des Mandatsbescheides der Erstbehörde vom 1. Oktober 1990 bereits Rechtsnachteile in Kauf zu nehmen und sie daher ein erhebliches rechtliches Interesse an einer raschen Beendigung des Entziehungsverfahrens hatte (vgl. dazu das zuletzt genannte Erkenntnis).

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als nicht begründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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