VwGH 91/11/0082

VwGH91/11/008212.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des B in K, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. Mai 1991, Zl. 11-39 Ba 3-89, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §53 Abs1;
AVG §7 Abs1;
KFG 1967 §67 Abs4;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs2;
AVG §53 Abs1;
AVG §7 Abs1;
KFG 1967 §67 Abs4;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1990, Zl. 90/11/0102, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 23. März 1990, mit dem dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen worden war, daß ihm eine neue Lenkerberechtigung erst nach Erlangung der körperlichen und geistigen Eignung erteilt werden darf, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die belangte Behörde erließ darauf den auf § 75 Abs. 2 KFG 1967 gestützten Bescheid vom 11. Jänner 1991. Mit diesem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, drei näher genannte Befunde (zwei fachärztliche und einen verkehrspsychologischen) beizubringen und sich am 8. April 1991 bei ihrem ärztlichen Amtssachverständigen "unter Beibringung der obgenannten Befunde" zur ärztlichen Untersuchung einzufinden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer legte der belangten Behörde mit Schreiben vom 24. April 1991 drei Befunde vor. Er berief sich in diesem Schreiben auf eine Vorsprache beim ärztlichen Amtssachverständigen. Dabei sei er von diesem aufgefordert worden, die Befunde bis längstens 25. April 1991 beizubringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 11. Mai 1989 (mit diesem Bescheid war die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers befristet worden, die dagegen erhobene Berufung führte zur Erlassung des mit dem Vorerkenntnis vom 9. Oktober 1990 aufgehobenen Entziehungsbescheides vom 23. März 1990) abgewiesen. Der erstinstanzliche Bescheid vom 11. Mai 1989 wurde aber "dahingehend abgeändert, daß die Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B ohne weiteres Verfahren gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 entzogen wird".

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß die belangte Behörde als Berufungsbehörde keinesweges die Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG überschritten hat. Die Erstbehörde hatte ein Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung im Sinne des § 75 Abs. 1 KFG 1967 eingeleitet. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 11. Mai 1989 wurde eine Maßnahme nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 gesetzt. Die belangte Behörde hat im Entziehungsverfahren, konkret im fortgesetzten Berufungsverfahren, einen Aufforderungsbescheid nach dem ersten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967 erlassen; dieser Bescheid wurde rechtskräftig. Er berechtigte die belangte Behörde - unter Beachtung der übrigen Voraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle - zur Entziehung der Lenkerberechtigung nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung.

Vorauszuschicken ist ferner, daß im Falle der Entziehung einer Lenkerberechtigung nach dem zweiten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967 keine Zeit im Sinne des § 73 Abs. 2 KFG 1967 festzusetzen ist. Die betreffende Person ist vielmehr jederzeit berechtigt, einen Antrag auf (Wieder-)Erteilung der Lenkerberechtigung zu stellen.

Der Beschwerdeführer ist hingegen damit im Recht, daß die belangte Behörde die von ihm mit dem Schreiben vom 24. April 1991 vorgelegten Unterlagen - die ihrem Inhalt nach den mit dem Aufforderungsbescheid vom 11. Jänner 1991 geforderten Befunden offensichtlich entsprechen - im Entziehungsverfahren nicht hätte unbeachtet lassen dürfen. Auch die verspätete Vorlage der angeforderten Befunde schließt, bevor eine bescheidmäßige Konsequenz aus der Nichtvorlage in der gesetzten Frist gezogen wurde, die Anwendung des zweiten Satzes des § 75 Abs. 2 KFG 1967 aus (vgl. das den diesbezüglich gleichgelagerten Fall der Aufforderung zur neuerlichen Ablegung einer Lenkerprüfung betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1986, Zl. 86/11/0028). Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 24. April 1991 ausdrücklich behauptet hat, ihm sei aus Anlaß seiner Vorsprache beim Amtsarzt von diesem eine Verlängerung der Frist zur Befundvorlage bewilligt worden. Würde dies zutreffen, so stünde dies ebenfalls einer Entziehung der Lenkerberechtigung nach dem zweiten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967 entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 1988, Zl. 88/11/0129). Allein durch die Vorlage der Befunde, deren Beibringung dem Beschwerdeführer mit dem Aufforderungsbescheid vom 11. Jänner 1991 aufgetragen worden ist, hätte er zwar diesem Bescheid noch nicht voll entsprochen. Die geforderte neuerliche amtsärztliche Untersuchung hat nämlich nach der Aktenlage nicht stattgefunden. Dazu behauptet der Beschwerdeführer aber, ihm sei vom Amtsarzt bei seiner Vorsprache vom 8. April 1991 in Ansehung der Beibringung der Befunde eine Fristverlängerung bewilligt worden, von einem neuen Untersuchungstermin unter Einbeziehung der Befunde sei keine Rede gewesen, sodaß dem Beschwerdeführer - sollte seine diesbezügliche Behauptung zutreffend sein - aus der unterbliebenen amtsärztlichen Untersuchung kein Nachteil hätte erwachsen dürfen. Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, die Richtigkeit dieser Behauptung zu überprüfen.

Die belangte Behörde war auch nicht gehindert, die vorgelegten Unterlagen in ihre Beurteilung der geistigen und körperlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen einzubeziehen, weil der Beschwerdeführer in dem Schreiben vom 24. April 1991 den Amtssachverständigen ausdrücklich als befangen abgelehnt und weiters ausgeführt habe, daß "auch die Behörde" dem Beschwerdeführer "gegenüber nicht unbefangen" sei. Ein förmliches Ablehnungsrecht hat eine Partei nach dem AVG nicht. Werden aber Zweifel an der Befangenheit von Behördenorgangen (und Amtssachverständigen) geäußert, so ist dem Beachtung zu schenken und sind diese zu prüfen. Das hat gegebenenfalls zur Enthaltung von der Amtsausübung im Sinne des § 7 Abs. 1 (§ 53 Abs. 1) AVG zu führen. Keinesfalls rechtfertigt dies die Auffassung der belangten Behörde, daß die vorgelegten Befunde erst in einem Verfahren betreffend Wiedererteilung der Lenkerberechtigung von der Erstbehörde bzw. deren Sachverständigen beurteilt werden können.

Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage nach Verstreichen der mit ihrem Bescheid vom 11. Jänner 1991 gesetzten Frist ohne weitere Ermittlungen den zweiten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967 zur Anwendung gebracht. Sie hat damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dies hat gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu dessen Aufhebung zu führen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 im Rahmen des gestellten Begehrens. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil an Stempelgebührenersatz nur S 270,-- zugesprochen werden konnten (für Beilagen nur S 30,-- für die Kopie des angefochtenen Bescheides).

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