VwGH 91/11/0069

VwGH91/11/006929.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 16. Mai 1991, Zl. 420.905/1-IV/2/91, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KDV 1967 §58 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 Z10a;
KDV 1967 §58 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 Z10a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1990, Zl. 90/11/0134, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 30. Mai 1990, mit dem dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen worden war, daß ihm bis einschließlich 5. Juni 1995 keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In der Begründung des Erkenntnisses vom 23. Oktober 1990 wurde ausgeführt, daß die belangte Behörde zwar davon ausgehen durfte, daß der Beschwerdeführer verkehrsunzuverlässig sei und daß er seine Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von 18 Monaten wiedererlangen könne; die Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 entspreche daher dem Gesetz. Die Annahme, daß der Beschwerdeführer insgesamt ungefähr sieben Jahre als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei, sei hingegen unzutreffend. Die belangte Behörde hätte mit einer wesentlich kürzeren Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 zur Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers das Auslangen finden müssen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die wiederum verfügte Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers mit dem Ausspruch verbunden, "daß die Lenkerberechtigung auf die Dauer von vier Jahren, gerechnet ab dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheines

(5. Juni 1988), entzogen wird, wobei Haftzeiten in die Entziehungszeiten nicht eingerechnet werden".

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides abermals das Gesetz verletzt. Sie hat dem vom Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis in den Vordergrund gestellten Umstand, daß der Beschwerdeführer außer den damals vorliegenden strafbaren Handlungen nach der Aktenlage unbescholten war, wiederum nicht die entsprechende Beachtung geschenkt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorerkenntnis insbesondere darauf hingewiesen, daß sich der Beschwerdeführer lediglich eines einzigen Alkoholdeliktes schuldig gemacht habe; die belangte Behörde habe sich offenbar zu Unrecht von dem Umstand leiten lassen, daß bei dem vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Begehung des Alkoholdeliktes verschuldeten Verkehrsunfall drei Personen getötet und drei schwer verletzt worden sind; schließlich sei auch die etwa drei Monate nach dem Unfall mit einem Motorfahrrad begangene Geschwindigkeitsüberschreitung nicht derart verwerflich, daß die Annahme der belangten Behörde über die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers gerechtfertigt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß - trotz der hohen Verwerflichkeit von Alkoholdelikten und selbst bei Annahme einer großen Gefährlichkeit der bei ihrer Begehung herrschenden Verhältnisse - die erstmalige Begehung eines derartigen Deliktes noch nicht auf einen Charaktermangel des Täters schließen lasse, der Aussprüche nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 in Größenordnungen wie der vorliegenden rechtfertigt. So hat er im Erkenntnis vom 20. Februar 1985, Zl. 84/11/0091, ausgeführt, daß die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 wegen eines in alkoholisiertem Zustand verschuldeten Verkehrsunfalls (mit tödlichem Ausgang) bei Fehlen sonstiger gegen die betreffende Person ins Gewicht fallender Umstände mit drei Jahren zu hoch sei. Gleichartiges wurde auch in den Erkenntnissen vom 9. Mai 1989, Zl. 89/11/0010, und vom 5. Juli 1989, Zl. 89/11/0082, ausgesprochen. In den Erkenntnissen vom 9. Oktober 1985, Zl. 85/11/0152, vom 3. Dezember 1986, Zl. 86/11/0067, und vom 19. Februar 1988, Zl. 87/11/0247, wurde in - was das Fehlen von Vorstrafen betrifft - gleichgelagerten Fällen eine Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 von zwei Jahren als zu lang befunden. Im Erkenntnis vom 25. September 1985, Zl. 83/11/0128, wurde in vergleichbarem Zusammenhang eine Zeit von 20 Monaten, im Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 90/11/0022, eine Zeit von 15 Monaten als zu lange qualifiziert, wenn bei der betreffenden Person nur ein einziges Alkoholdelikt vorlag; eine derartig kurze Zeit kommt allerdings im Beschwerdefall schon wegen des hohen Alkoholisierungsgrades des Beschwerdeführers nicht in Betracht.

Von ähnlichen Überlegungen war offenbar auch der Gesetzgeber getragen, wenn er im § 73 Abs. 3 KFG 1967 für den Fall der erstmaligen Begehung eines Alkoholdeliktes, bei der die betreffende Person keinen Verkehrsunfall verschuldet hat, die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 mit vier Wochen vorgesehen hat.

Gegen den Beschwerdeführer liegt freilich noch der Umstand vor, daß er etwa drei Monate nach dem Alkoholdelikt ein weiteres Mal im Straßenverkehr nachteilig aufgefallen ist. Der Verwaltungsgerichtshof teilt aber diesbezüglich nicht die von der belangten Behörde mit dramatischen Formulierungen zum Ausdruck gebrachte Entrüstung über die besondere Verwerflichkeit dieser Verwaltungsübertretung. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis vom 23. Oktober 1990 in diesem Zusammenhang ausgesprochen, daß auch in dieser Übertretung schwere charakterliche Mängel des Beschwerdeführers zum Ausdruck kommen. Das ihr von der belangten Behörde beigemesene schwere Gewicht kommt ihr aber nicht zu. Dabei ist zu beachten, daß der Beschwerdeführer - er war nach den Feststellungen der belangten Behörde dabei betreten worden, wie er sein Motorfahrrad mit 86 km/h gelenkt habe - nicht etwa wegen Übertretung nach § 20 Abs. 2 oder nach § 52 Z. 10a StVO 1960, sondern wegen Überschreitung der Bauartgeschwindigkeit eines Motorfahrrades nach § 58 Abs. 2 KDV 1967 bestraft wurde, er also offenbar nicht eine den Straßenverhältnissen, sondern eine seinem Fahrzeug nicht angepaßte Geschwindigkeit gewählt hat.

Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde im angefochtenen Ersatzbescheid neuerlich die Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 erheblich zu lang bemessen hat. Sie konnte sich offenbar noch immer nicht von dem Eindruck frei machen, den der schwere, vom Beschwerdeführer verschuldete Verkehrsunfall hinterläßt. Ein einmaliges Alkoholdelikt läßt auch in Verbindung mit dem einmaligen Überschreiten einer Bauartgeschwindigkeit mit einem Motorfahrrad den Beschwerdeführer zwar als verkehrsunzuverlässig, und zwar länger als 18 Monate, erscheinen, bei der Prognose über den Zeitpunkt der Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit war aber (noch) nicht von in diesem Maße nachhaltigen Charakterfehlern des Beschwerdeführers auszugehen. Die Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 wäre daher unter Nichteinrechnung der Haftzeiten mit nicht mehr als zwei Jahren zu bemessen gewesen.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil an Stempelgebührenersatz nur S 300,-- (S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen, S 60,-- für eine Kopie des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnten.

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