Normen
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der im Jahre 1950 geborene Beschwerdeführer stand als Bezirksinspektor der Zollwache in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war die Zollwachabteilung S. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist ausschließlich die Frage, ob mit dem angefochtenen Bescheid über den Beschwerdeführer zu Recht die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt worden ist.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 24. Oktober 1990 war der Beschwerdeführer - nach einer in Rechtskraft erwachsenen strafgerichtlichen Verurteilung wegen Amtsmißbrauches - gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 in Verbindung mit § 126 Abs. 2 BDG 1979 zur Disziplinarstrafe einer Geldstrafe in der Höhe von S 85.000,-- verurteilt worden, weil er für schuldig erkannt worden war, "... als Zollbeamter der Zollwachabteilung in S im Zeitraum von 1984 bis einschließlich 1988 mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf Vereinnahmung von Umsatzsteuern zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch, daß er in mindestens 150 Fällen sogenannte U-34-Formulare (Ausfuhrbescheinigungen für Umsatzsteuerzwecke) nicht anläßlich einer tatsächlichen Ausfuhr, sondern völlig losgelöst davon mit einem Ausfuhrstempel zollamtlich bestätigte, wissentlich mißbraucht und hiedurch das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB begangen zu haben; weiters
zwischen 15. April 1986 und 16. November 1987 durch Ausstellung rechtswidriger Bestätigungen auf den Formularen U-34 der Firmen Z, L und G vorsätzlich dazu beigetragen zu haben, daß unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bei den genannten Firmen im Betrag von insgesamt S 37.302,79 verkürzt wurden, und dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 11 FinStrG begangen zu haben."
Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen die ihm gemäß den §§ 43 Abs. 1 und 2 sowie 44 Abs. 1 BDG 1979 obliegenden Dienstpflichten verstoßen und Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen.
Bei der Strafbemessung ging die Disziplinarkommission nach Bejahung eines "disziplinären Überhanges" davon aus, daß der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bedingte Vertrauensverlust eine Fortsetzung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses trotz wiederholter schwerer Angriffe während eines längeren Zeitraumes nicht als unzumutbar erscheinen lasse, doch sei die Verhängung einer Geldstrafe unbedingt geboten. Die Höhe dieser Geldstrafe erscheine unter Bedachtnahme auf die Schwere der Dienstpflichtverletzungen, die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers angemessen. Als mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit und das reumütige, einsichtige Verhalten des Beschwerdeführers zu werten gewesen; als erschwerend die Vielzahl der Angriffe auf Rechtsgüter, die dem Schutz des Beschwerdeführers anvertraut gewesen seien, der lange Zeitraum strafbaren Verhaltens sowie die Größe des Personenkreises, der in die gegenständlichen Dienstpflichtverletzungen eingebunden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Disziplinaranwalt in der Straffrage Berufung mit dem Antrag, über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Februar 1991 gab die belangte Behörde dieser Berufung Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahin, daß über den Beschwerdeführer nunmehr als Disziplinarstrafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Entlassung verhängt wurde. In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß auf die Schuldfrage nicht mehr einzugehen gewesen sei und daß sowohl die Bindungswirkung des strafgerichtlichen Urteiles sowie einer finanzbehördlichen Strafverfügung als auch das Vorliegen eines sogenannten "disziplinären Überhanges" unbestritten geblieben seien. Bei der Beurteilung der Straffrage sei von der Schwere der Dienstpflichtverletzung, den Erschwerungs- und Milderungsgründen und den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers auszugehen gewesen.
Die als erwiesen angenommenen Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers stellten besonders schwerwiegende und verwerfliche Verfehlungen dar, zumal er damit wiederholt gerade gegen jene Rechtsgüter verstoßen habe, zu deren Schutz er als Zollwachebeamter nach den Gesetzen berufen sei. Er habe in mindestens 150 Fällen seine amtlichen Befugnisse wissentlich mißbraucht. Gerade die Zoll- und Finanzverwaltung sei auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Beamten angewiesen, weil eine lückenlose Kontrolle seitens der Behörde in diesem Bereich nicht möglich sei. Ein Beamter, der bewußt dieses zwischen ihm und der Verwaltung bestehende Vertrauensverhältnis zerstöre, stelle damit letztlich auch die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in Frage. Hieraus folge, daß die Verfehlungen des Beschwerdeführers als so schwer angesehen werden müßten, daß er nicht mehr im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis belassen werden könne. Die Entlassung sei keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung diene, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes, eine zwangsläufige Folgerung aus der Unvereinbarkeit eines Verhaltens mit dem weiteren Verbleib des betreffenden Beamten im Dienst. Sie sei somit als Instrument des im BDG enthaltenen sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatzes" zu sehen. Daß der Beschwerdeführer durch sein Verhalten für den öffentlichen Dienst untragbar geworden sei, habe sich für die belangte Behörde aus dem langen Zeitraum der Begehung der strafbaren Handlungen sowie der Vielzahl der einzelnen Angriffshandlungen ergeben. Unter Bedachtnahme auf diese Umstände sei der Argumentation der Verteidigung, auch eine geringere Strafe würde insbesondere im Hinblick auf die gerichtlich und finanzbehördlich verhängten Strafen ausreichen, den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, ebensowenig Bedeutung beizumessen, wie dem Umstand, daß keine Bereicherungsabsicht vorgelegen sei und der Beschwerdeführer bereits vor Aufdeckung die Begehung weiterer strafbarer Handlungen eingestellt habe. Werde nämlich die Untragbarkeit des Beamten bereits durch die Schwere der Dienstpflichtverletzung bewirkt, so könne anderen Strafzumessungsgründen keine für die Frage der Strafbemessung ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten "auf gesetzeskonforme Auslegung des BDG 1979 sowie ... auf Verhängung einer schuldangemessenen Disziplinarstrafe" verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Richtlinien, nach denen bei der Strafbemessung vorzugehen ist, enthält § 93 Abs. 1 BDG 1979, wonach das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Bei der Strafbemessung ist demnach vor allem die Schwere der Dienstpflichtverletzung, insbesondere die Bedeutung der verletzten Pflicht, entscheidend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die Schwere der Dienstpflichtverletzung maßgeblich, in welchem objektiven Ausmaß gegen (Standes- oder) Amtspflichten verstoßen oder der Dienstbereich beeinträchtigt wird (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0181, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Die Disziplinarstrafe der Entlassung ist keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes (VwSlg. 10060/A). Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter erfordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht, um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, in die ohnehin auch jeder Straftäter gehört, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis. Um einen solchen Fall der Untragbarkeit handelt es sich nach der Begründung des angefochtenen Bescheides auch im vorliegenden Beschwerdefall (vgl. zu diesen Ausführungen und insbesondere zum sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatz" das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191, mit zahlreichen Beispielen aus der Vorjudikatur).
Die Ausführungen der Beschwerde sind nicht geeignet, die bekämpfte Vorgangsweise der belangten Behörde als rechtswidrig erkennen zu lassen. Die belangte Behörde ist insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Beschwerdeführer gerade gegen die Rechtsgüter verstoßen hat, deren Schutz ihm unmittelbar auferlegt war, sowie unter Bedachtnahme auf die Zahl der einzelnen Verfehlungen und das lange Andauern des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis gelangt, daß dieser für die Dienstbehörde untragbar geworden sei. Diese Erwägungen sind im festgestellten Sachverhalt gedeckt und sachlich gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer führt gegen den angefochtenen Bescheid ins Treffen, daß dann, wenn der Gesetzgeber tatsächlich gewollt hätte, "daß bei bestimmten Delikten die Entlassung quasi zwingend vorzusehen ist", dies im Gesetz auch ausdrücklich enthalten wäre. Von einer derartig starren Regelung hat der Gesetzgeber allerdings abgesehen und damit den Disziplinarbehörden einen der Fallgerechtigkeit dienenden Beurteilungsspielraum offengelassen; dies besagt indes noch nichts darüber, daß die belangte Behörde im Beschwerdefall diesen Spielraum in einer gesetzwidrigen Weise genützt hätte. Die Erwägungen, welche die belangte Behörde zur Annahme kommen ließen, daß der Beschwerdeführer für den öffentlichen Dienst untragbar geworden sei, werden durch dieses Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt. Ist sie aber mit Recht davon ausgegangen, daß durch das Verhalten des Beschwerdeführers das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Verwaltung zerstört wurde, dann war nach den eingangs ausgeführten allgemeinen Überlegungen zur Entlassung auch keine Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen, etwa durch ein Abwägen von Milderungs- und Erschwerungsumständen, mehr gegeben; an ihrer Beurteilung war die belangte Behörde auch mit Rücksicht darauf, daß die Berufung vom Disziplinaranwalt erhoben worden ist, keineswegs durch die Strafzumessung des Strafgerichtes oder durch jene der Disziplinarbehörde erster Instanz gehindert oder eingeschränkt. Wäre das dienstliche Fehlverhalten eines Zollbeamten bereits durch strafgerichtliche und finanzbehördliche Maßnahmen ausreichend geahndet, dann bedürfte es disziplinärer Folgen überhaupt nicht, welche aber das Gesetz zum Zwecke der Erhaltung des Vertrauens der Öffentlichkeit in den öffentlichen Dienst vorsieht. Das Verhalten des Beschwerdeführers ungeachtet des Zeitraumes und der Anzahl der Angriffe "als quasi einmaliges Fehlverhalten" anzusehen, würde seiner Handlungsweise nicht gerecht, welche einen immer wieder erneuerten Vorsatz, gegen die ihm obliegenden Pflichten zu verstoßen, voraussetzte. Schließlich kann dem Beschwerdeführer auch darin nicht gefolgt werden, daß seine Handlungsweise in der Öffentlichkeit unbemerkt geblieben wäre, verbietet sich doch eine solche - im übrigen für die Erledigung des Beschwerdefalles keineswegs entscheidende - Annahme schon mit Rücksicht auf den relativ großen Kreis der Personen, zu deren Gunsten der Beschwerdeführer straffällig geworden ist.
Die belangte Behörde hat die einschlägigen Bestimmungen des BDG 1979 korrekt angewendet, die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor. Nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften enthält die Beschwerde nicht; auch den vorgelegten Akten kann der Verwaltungsgerichtshof keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß das dem angefochtenen Bescheid vorangegangene Verfahren mangelhaft oder sonst gesetzwidrig verlaufen wäre.
Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)