VwGH 91/09/0057

VwGH91/09/00576.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des RG gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 7. Dezember 1990, Zl. 245.390/13-5a/1990, betreffend Anerkennung als Opfer der politischen Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

OFG §1 Abs2 litb;
OFG §16 Abs1;
OFG §3 Abs1;
OFG §1 Abs2 litb;
OFG §16 Abs1;
OFG §3 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Landeshauptmann von Niederösterreich hat mit Bescheid vom 23. Dezember 1987 dem Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Jänner 1986 auf Anerkennung als Opfer der politischen Verfolgung und auf Ausstellung einer Amtsbescheinigung gemäß § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 2 sowie § 4 Abs. 5 OFG keine Folge gegeben.

Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nach ergänzenden Ermittlungen keine Folge. Im Rahmen der umfangreichen Begründung des angefochtenen Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt:

Der Beschwerdeführer habe mit Eingabe vom 27. Jänner 1986 beantragt, ihm als Hinterbliebenen nach seiner Mutter H, Inhaberin einer Amtsbescheinigung und Bezieherin von Rentenleistungen nach dem OFG, eine Unterhaltsrente zuzuerkennen. In diesem Schreiben habe der Beschwerdeführer nebenbei angegeben, auch er sei als sogenannter "Verbrecher" zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach Mitteilung, daß die Anspruchsberechtigung hinterbliebener Kinder grundsätzlich mit dem 24. Lebensjahr erlösche (§ 1 Abs. 3 lit. b OFG), habe der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 1. Oktober 1986 sein Begehren geändert und sinngemäß um Anerkennung als Opfer der politischen Verfolgung, Ausstellung einer Amtsbescheinigung und Gewährung von Unterhaltsrente ersucht. In diesem Zusammenhang habe er vorgebracht, einer antifaschistischen Familie zu entstammen und auf Grund einer Verurteilung durch ein Sondergericht im Februar 1943 mehrere Jahre inhaftiert gewesen zu sein. Dieser Verurteilung sei zugrunde gelegen, daß er bei der Heeresstandortverwaltung und beim Arbeitsamt Innsbruck im Oktober 1942 mit zwei namentlich genannten "Helfern" zwei Rundfunkgeräte und fünf Schreibmaschinen entwendet habe. Die Entwendung des Radioapparates der Heeresstandortverwaltung (spezielles Empfangsgerät), habe den Zweck gehabt, das Abhören von Auslandssendern zu ermöglichen, um so den wahren Stand des Kriegsgeschehens verfolgen und Mut und Hoffnung auf das Ende der NS-Herrschaft schöpfen zu können. Die Entwendung der fünf Schreibmaschinen des Arbeitsamtes habe bezweckt, die Arbeit dieses Amtes zu sabotieren, um hiedurch mitzuhelfen, die bestehende Regierungsform baldigst zu beenden. Unter Hinweis auf das Urteil des Sondergerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 17. Feber 1943, welches er seiner Eingabe beigeschlossen gehabt habe, habe der Beschwerdeführer ferner ausgeführt, daß ein Mitangeklagter bei der Verbringung von zwei der fünf Schreibmaschinen beobachtet worden sei. Dieser sei darauf mit den beiden Maschinen zur Polizei gegangen und habe angegeben, diese von einem Unbekannten erworben zu haben, um hiedurch die restlichen drei bereits zum Weitertransport bestimmten Maschinen zu retten. Der im Urteil erwähnte sogenannte Kaufpreis habe dazu gedient, die Tatgehilfen, die vom Beschwerdeführer über die wahren Beweggründe nicht informiert worden seien, zu entlohnen. Wie aus dem Urteil hervorgehe, sei der Beschwerdeführer zur Tatzeit 15-einhalb Jahre alt gewesen; die von ihm als Tatgehilfen bezeichneten Personen seien dagegen 17-einhalb bzw. nicht ganz 19-jährig gewesen; der mitangeklagte "Hehler" habe bereits 31 Jahre gezählt.

Diesem Begehren gab die Behörde erster Instanz keine Folge, im wesentlichen, weil das Gericht das Delikt als rein kriminelle Straftat beurteilt habe, ohne irgendeinen Hinweis auf eine politische Verfolgung zu geben. Das Urteil sei damit begründet worden, daß der Beschwerdeführer am 31. Oktober 1942 die vorher bereits kurz dargestellte Tat gesetzt habe und die gestohlenen Gegenstände unverzüglich dem bereits fünfmal wegen Betrügereien, Diebstahls und Veruntreuungen vorbestraften mitangeklagten Hehler um 440 Reichsmark verkauft habe, wobei er sofort 240 Reichsmark erhalten habe. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer im Ermittlungsverfahren politische Motive behauptet und auch ein Unterstützungsschreiben eines Landtagsabgeordneten vorgelegt. Dementgegen hätten die Ermittlungen ergeben, daß der Beschwerdeführer wegen eines rein kriminellen Gesellschaftsdiebstahles verurteilt worden sei. Sein Vorbringen, er hätte durch den Diebstahl eines Radiogerätes der Heeresstandortverwaltung einem Kreis von Personen das Abhören von Auslandssendern ermöglicht, sei für das Verfahren ohne Bedeutung, weil diese Behauptung mit dem erhobenen Sachverhalt im Widerspruch stehe und diesbezüglich auch keinerlei Nachweise erbracht worden seien. Auch stelle der Diebstahl von Schreibmaschinen alleine kein taugliches Mittel zur Erreichung des behaupteten Zweckes dar. Der Diebstahl könne somit nicht als politisch motivierte Straftat gewertet werden. Der "Bestätigung" des Abgeordneten könne im Zusammenhang mit diesem Sachverhalt weder Aussage- noch Beweiskraft zugemessen werden.

In der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung habe dieser vorgebracht, daß seine am 17. Feber 1943 wegen Diebstahls erfolgte Verurteilung dadurch zustande gekommen sei, daß im seinerzeitigen Strafverfahren Schutzbehauptungen aufgestellt sowie verschleierte Aussagen und Geständnisse abgelegt worden seien, um so eine Verurteilung zum Tode zu verhindern. Die Behörde sei jedoch nur von dem den tatsächlichen Hintergrund seiner Tat nicht aufzeigenden Strafurteil ausgegangen und habe somit verabsäumt, hinsichtlich der seiner Ansicht nach entscheidenden Frage nach dem politischen Motiv nähere Erhebungen durchzuführen. In diesem Zusammenhang habe der Beschwerdeführer Herrn Universitätsprofessor Dr. B sowie Frau Elisabeth S, vormals T, als Zeugen genannt.

Nach Wiedergabe der maßgebenden Rechtslage und zweier einschlägiger Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes führt die belangte Behörde in der Begründung ihres angefochtenen Bescheides weiter aus:

Feststehe, daß der Beschwerdeführer in einer aktiv antifaschistischen Familie aufgewachsen sei. Seine Großeltern Elisabeth und Nikolaus F seien Mitglieder der KPÖ und genauso wie die Mutter des Beschwerdeführers, Frau H, wegen Beihilfe zur Fahnenflucht des Ernst F, eines Bruders der Mutter, inhaftiert gewesen. Der Großvater sei in der Haft an den Folgen erlittener Mißhandlungen verstorben, Ernst F sei hingerichtet worden. Wie aus dem Urteil vom 17. Feber 1943 hervorgehe, sei auch der Beschwerdeführer selbst im Mai 1942 vorübergehend unter dem Verdacht kommunistischer Betätigung in Polizeihaft gewesen. Diese Fakten seien von der belangten Behörde als Indizien für die Angaben des Beschwerdeführers gewertet worden, er habe den Gesellschaftsdiebstahl aus politischen Gründen begangen; ein Nachweis sei dadurch aber noch nicht erbracht, weil nicht jedes Delikt, daß jemand, der aus einer antifaschistischen Familie stamme, begehe, von vornherein als politisch motiviert angesehen werden könnte. Es sei daher zu prüfen gewesen, ob der konkreten Tat, deretwegen die Verurteilung erfolgt sei, politische Beweggründe zugrundegelegen gewesen wären.

Der Beschwerdeführer sei wegen verbrecherischen Gesellschaftsdiebstahls eines Rundfunkgerätes der Heeresstandortverwaltung und von fünf Schreibmaschinen sowie eines Volksempfängers des Arbeitsamtes Innsbruck zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. In der Urteilsbegründung heiße es, der Beschwerdeführer hätte gemeinsam mit zwei namentlich genannten Helfern am 31. Oktober 1942 die gegenständlichen Diebstähle begangen. Der Anstoß hiezu sei einerseits von dem Mitangeklagten wegen Betrugs, Diebstahls und Veruntreuung mehrfach vorbestraften Hehler ausgegangen, anderseits von einem der "Helfer", der Geld für den Ankauf eines Wintermantels benötigt habe. Nach der Tatausführung seien die gestohlenen Güter in die Wohnung des Vaters des Hehlers gebracht und dort eingelagert worden. Den Rundfunkempfänger habe dieser um 440 Reichsmark, die fünf Schreibmaschinen um 1400 Reichsmark gegen die Bezahlung von vorerst 240 Reichsmark an den Beschwerdeführer, von dem seine eigene Großmutter gesagt habe, daß er auf Gelderwerb erpicht sei, gekauft. Den Volksempfänger habe der Beschwerdeführer für sich behalten; drei der fünf Schreibmaschinen seien zu einem Frächter gebracht worden, zwei Schreibmaschinen habe der "Hehler" selbst der Polizei übergeben. Als erschwerend für die Bemessung des Strafausmaßes sei der Umstand angesehen worden, daß die Tat unter Ausnutzung der Verdunkelung verübt worden sei.

Zu dieser Urteilsbegründung sei festzuhalten, daß der Beschwerdeführer bis dahin nicht bestritten gehabt habe, daß der Anstoß zur Tat von einem der "Helfer" wegen dessen beabsichtigen Mantelkaufes ausgegangen sei. Ebensowenig sei von ihm bestritten worden, daß die "Helfer" für ihre Tatbeteiligung Geld erhalten hätten und daß der Beschwerdeführer den Volksempfänger für sich behalten habe. Auch die Verbringung von drei Schreibmaschinen zu einem Frächter, die einen deutlichen Hinweis auf den beabsichtigten Weiterverkauf dargestellt hätte, sei nicht bestritten, sondern ausdrücklich im Schreiben vom 1. Oktober 1986 bestätigt worden. Keiner der Mittäter sei in irgendeiner Eingabe des Beschwerdeführers als Widerstandskämpfer dargestellt worden; vielmehr seien die "Helfer" Mitglieder der "HJ" gewesen.

Was die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Behauptung über Deckaussagen betreffe, wodurch die Tat vor Gericht als kriminell dargestellt worden sei, könne sich dies jedenfalls nicht auf die "Helfer" beziehen, weil diese nach des Beschwerdeführers eigenen Angaben ahnungslos gewesen seien und jemand, der nicht informiert sei, auch keine diesbezüglichen Deckbehauptungen aufstellen könne. Zur Frage, ob der Tat nun doch trotz der dagegen sprechenden Punkte ein politisches Motiv zugrunde gelegen sei, sei infolge einer Reihe von Interventionen ein umfangreiches Berufungsverfahren durchgeführt worden, in dem vorerst einer der "Helfer" und fünf namentlich angegebene Personen einvernommen worden seien.

In dem als Erklärung bezeichneten Schreiben des seinerzeit mitangeklagt gewesenen "Helfers" vom 17. März 1988 habe dieser behauptet, es sei ihm bekannt gewesen, daß die fünf Schreibmaschinen des Arbeitsamtes der Widerstandsgruppe gegen den Hitlerfaschismus zur Anfertigung von Flugblättern hätten zugeführt werden sollen. Auch hätte diese Gruppe die beiden Radioapparate zum Abhören von Feindsendern benötigt. Der Aufforderung des Beschwerdeführers zur Teilnahme an der Tat sei er daher mit Überzeugung gefolgt. Demgegenüber habe derselbe sodann als Zeuge vernommen am 6. Oktober 1988 angegeben, es sei ihm nur bekannt gewesen, daß der Beschwerdeführer einer dem Nazi-Regime ablehnend gegenüberstehenden Familie entstamme, von der angeblich geplanten Zuführung der Radios und Schreibmaschinen an eine Widerstandsgruppe habe er zur Tatzeit jedoch nichts gewußt. Seine Erklärung vom 17. März 1988 werde in Anbetracht dieser unter Vorhalt der §§ 49 und 50 AVG 1950 sowie des § 289 StGB nach Ermahnung zur Wahrheitspflicht erfolgten und zu ihr im Widerspruch stehenden Zeugenaussage als unzutreffend erachtet. Sie stehe im übrigen aber auch im Widerspruch zu den Behauptungen des Beschwerdeführers, der in seinem Schreiben vom 1. Oktober 1986 angegeben habe, daß seine "Helfer" über die wahren Beweggründe und Zusammenhänge von ihm nicht informiert gewesen seien. Ein politisches Motiv des Beschwerdeführers für die Tat habe daher auch durch dieses Vorbringen nicht nachgewiesen werden können.

Desweitern beleuchtet die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Aussage bzw das "schriftliche Gutachten" des bereits genannten Universitätsprofessors, der auch im KZ-Verband und im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes in einer leitenden Funktion tätig ist. Demnach habe der Genannte die Familie des Beschwerdeführers als Funktionär der kommunistischen Partei, nicht aber den Beschwerdeführer selbst gekannt. Von dem konkreten Vorfall wisse er nichts; er sei jedoch sicher, daß der Beschwerdeführer in Widerstandshandlungen miteingeschlossen gewesen sei und daß die ihm angelastete Tat politische Motive gehabt habe. In einer "gutachtlichen Zusammenfassung" des genannten Universitätsprofessors sei ausgeführt:

"1. Bis zu seiner Verhaftung lebte RG in enger Beziehung zu der Familie seiner kommunistischen Großeltern (übrigens, soweit diese überlebten, auch nach 1945). Es kann angenommen werden, daß er deren Gegnerschaft zum Nationalsozialismus als wesentlichen Leitgedanken seines allgemeinen Handelns betrachtete.

2. In der Schule wurde RG gut beschrieben. Anders beurteilte ihn die Hitlerjugend, von deren Aktivitäten er sich ferne zu halten bemüht war.

3. Die Tatsache, daß RG im Mai 1942 unter dem Verdacht kommunistischer Betätigung in Haft war, ist nicht nur hinsichtlich seiner politischen Auffassung, sondern auch seines Handelns beweiskräftig.

4. Seine Einschätzung durch das SonderG Innsbruck (17.2.1943) als volksschädlich und gemeinschaftsgefährlich beruht auf seiner Entschlossenheit und Fähigkeit, Handlungen gegen NS-Institutionen zu planen und zu führen.

5. Sämtliche der von der Gruppe RG entwendeten Gegenstände konnten von Widerstandsorganisationen und antifaschistischen Einzelpersonen direkt verwendet werden.

6. Von RG wurden niemals Privatpersonen geschädigt oder Gegenstände entwendet, die nicht in einem sachlichen Zusammenahng mit den beim Widerstandskampf entstehenden Bedarf standen.

7. Die von RG und HP behauptete Verantwortung auf Verkauf der entwendeten Gegenstände als Schutzbehauptung ist glaubhaft. Sie ist sinnvoll, weil dadurch die Beziehungen zu Personen aus aktiven Widerstandsgruppen verdeckt werden konnte.

8. Die auffällige Behandlung der Straftaten des RG ohne auf dessen politisches Naheverhältnis zur KPÖ einzugehen, kann ihren Grund haben, in

a) dem Bestreben des Gerichtes, diesen Fall selbst zu entscheiden und diesen aus "Konkurrenz"-Gründen von der Abtretung an einen Volksgerichtssenat ferne zu halten.

b) der direkten Absicht den von einem politischen Senat gefährdeten jugendlichen Angeklagten aus Mitleid zu

begünstigen,

c) der Kenntnis der Folgen einer Abtretung des Verfahrens wegen Unzuständigkeit, die zwangsläufig die Befassung der Gestapo mit dem Fall bewirkt hätte.

9. Die "Kriminalisierung" des Verfahrens gegen RG angesichts seiner politischen Bezugspunkte muß als ein Vorteil für RG betrachtet werden. Für politisch bedrohte Personen wie Elisabeth F, der Großmutter von RG, aber auch deren Gatten Nikolaus und deren Sohn Ernst, aber auch für die Mutter des Angeklagten mußte es klar sein, daß die "kriminelle" Darstellung des Handelns von RG nicht nur diesen, sondern auch sie schützt.

10. Die Erwähnung einer anderen Straftatsgruppe mit seinem 1945 wegen seines Widerstandes hingerichteten Onkels Ernst F wurde vom SG Innsbruck ohne Einbeziehung in das Verfahren vorgenommen. Diese weist jedoch eindeutig direkte Bezugspunkte von Widerstandshandlungen auf.

11. In ihrem Gesamtzusammenhang ist die Verurteilung von RG kriminologisch und zeitgeschichtlich vor allem auf seine gegnerische Haltung zum NS-Staat und auf seine Bemühungen, Widerstandshandlungen zu fördern, zu beziehen."

Zusätzlich vertrete der genannte Universitätsprofessor die

Ansicht, es sei einleuchtend, daß der - laut Angabe seiner

Großmutter - "auf Gelderwerb erpichte" Beschwerdeführer Geld,

Lebensmittel, Bezugsscheine benötigt habe, um seinem sich vor

der Feldpolizei versteckenden Onkel zu helfen. Weiters habe der

genannte Universitätsprofessor in diesem Schreiben behauptet,

daß es für "eine tiefere Motivationsprüfung ... sicher von

Bedeutung (sei), daß der Beschwerdeführer niemals in seinem

Leben nach 1945 aus Eigentumsgründen straffällig geworden

(sei), obwohl er nach dem ... Urteil geradezu als der Prototyp

des Kriminellen ... dargestellt wurde."

Nach diesem Universitätsprofessor sei der Abgeordnete zum niederösterreichischen Landtag iR Z einvernommen worden, der in seinem Schreiben vom 18. März 1987 angegeben habe, daß der Diebstahl des Beschwerdeführers vom Oktober 1942 seiner festen Überzeugung nach zum Ziel gehabt habe, die propagandistische Tätigkeit im Widerstand gegen die NS-Gewaltherrschaft zu unterstützen. Anläßlich der Zeugeneinvernahme habe der Letztgenannte aber angegeben, dem Beschwerdeführer zwischen 1936 und dem Ende der Vierzigerjahre überhaupt nicht begegnet zu sein und von der gegenständlichen Tat erstmals 1987 aus dessen eigenen Erzählungen erfahren zu haben.

Von einer Einvernahme der vom Beschwerdeführer als Zeugin namhaft gemachten Frau Elisabeth T, verehelichte S, sei abgesehen worden, weil diese, wie der vorher genannte Universitätsprofessor in seiner Zeugenaussage vom 10. Mai 1988 angegeben habe, noch 1938 nach England emigriert sei und daher zum konkreten Vorfall nichts hätte aussagen können.

Im Anschluß an diese Zeugeneinvernahmen sei dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit gegeben worden, vom Ergebnis der Ermittlungen Kenntnis und hiezu Stellung zu nehmen.

In seiner diesbezüglichen Stellungnahme vom 26. Jänner 1989 habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß seine Mutter noch 1949 wegen Beihilfe zur Fahnenflucht von Ernst F. verurteilt worden sei und dieses Urteil erst im März 1950 durch den Obersten Gerichtshof aufgehoben worden sei. Davon ausgehend hätten seine Mutter und seine Großmutter die Anmeldung des Beschwerdeführers bei der Opferfürsorge nicht betrieben. Dieser Argumentation habe sich auch der genannte Universitätsprofessor in einer ergänzenden Eingabe angeschlossen, in der er weiters behauptet habe, daß sich der Beschwerdeführer im Verlauf dieser "neuerlichen Verfolgung entschlossen habe" auf eine Geltendmachung von Ansprüchen nach dem OFG zu verzichten. Weiters habe der Beschwerdeführer in dem Schreiben vom 26. Jänner 1989 angegeben, daß er nach 1945 in einem besonderen gesundheitlichen Schwächezustand infolge seiner in der Haft aufgetretenen TBC gewesen sei. Als er sich im Laufe der Fünfzigerjahre erholt gehabt habe, habe er sich gefürchtet, mit der Vergangenheit neuerlich in Berührung zu kommen. Er sei vom Leiter des Verlages für Jugend und Volk in einer freiberuflichen Art als Vertreter verwendet worden und habe gut verdient. Eine Anmeldung bei der Krankenkasse habe dieser nicht gewünscht. Er sei in einem quasi-Dienstverhältnis bei der Tiroler P gestanden und nur pro-forma bei einer Wiener Firma bei der Gebietskrankenkasse angemeldet gewesen. Durch den genannten Verlagsleiter, der auf kommunistische Widerstandskämpfer überaus ablehnend reagiert habe, sei er Mitglied der SPÖ geworden. Weiters habe der Beschwerdeführer noch auf Widerstandsaktivitäten seiner Familienangehörigen hingewiesen.

Seine Gegnerschaft zum Hitlerregime sei vor allem emotional gewesen und habe in der Bereitschaft bestanden, alles zu tun, was diesem schade. Es sei ihm aus Gesprächen unter Widerstandskämpfern bekannt gewesen, daß Schreibmaschinen und Radioapparate benötigt würden. Für den Fall des Bekanntwerdens der Tat sei ausgemacht worden, anzugeben, die Waren seien nur zum Verkauf bestimmt gewesen. Zur Frage des Diebstahls eines Volksempfängers habe er angegeben, es sei für ihn als Jugendlichen kaum verständlich gewesen, welche Radioapparate sein Onkel Ernst F. benötigt hätte, sodaß daraus kein Argument gegen die Anerkennung seines Anspruches ableitbar sei.

Damit habe aber der Beschwerdeführer nach mehr als dreijähriger Verfahrensdauer eine neue Argumentationslinie vorgebracht, wobei das Vorbringen, wonach die erbeuteten Waren nicht zum Verkauf bestimmt gewesen seien, schon deshalb nicht glaubhaft erschienen sei, weil der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 1. Oktober 1986 selbst angegeben gehabt habe, daß drei der entwendeten Schreibmaschinen bei einer Hausdurchsuchung durch die Polizei in Kisten, verpackt zum Weitertransport, vorgefunden worden seien.

In der Folge seien in der Tageszeitung "W" am 2. April 1989 ein Gastkommentar des bereits genannten Universitätsprofessors sowie am 20. April 1989 ein von einem weiteren Universitätsprofessor verfaßter Artikel erschienen, in dem zum gegenständlichen Fall Stellung genommen und ausgeführt worden sei, daß die Annahme, die in Rede stehende Tat sei nicht politisch motiviert gewesen, nicht den Tatsachen entspreche.

Der zuletzt genannte Universitätsprofessor sei daraufhin am 17. Mai 1989 als Zeuge einvernommen worden und habe hiebei angegeben, daß ihm die Widerstandstätigkeit der Familie des Beschwerdeführers aus seiner wissenschaftlichen Arbeit bekannt sei. Auf den Beschwerdeführer sei er erst im Zusammenhang mit der Frage nach dessen Opfereigenschaft gestoßen. Er sei jedoch der Meinung, für die Beurteilung der seinerzeitigen Handlungsweise des Beschwerdeführers sei das historisch-politische Umfeld zu berücksichtigen. Was den konkreten Einbruchsdiebstahl betreffe, sei denkbar, daß der aus dem Verkauf der gestohlenen Schreibmaschinen erzielte Erlös Widerstandszwecken gedient haben könnte.

Zu dieser Annahme sei zu bemerken, daß der Beschwerdeführer selbst nie von einer Widerstandszwecken dienenden Verwertung eines allfälligen Verkaufserlöses der entwendeten Schreibmaschinen gesprochen habe und der zuletzt genannte Universitätsprofessor keine eigenen Wahrnehmungen zur gegenständlichen Tat habe und dem Beschwerdeführer nicht einmal kenne. Von der Heranziehung dieser Darstellungen zum Nachweis eines politischen Motives des Beschwerdeführers sei daher Abstand genommen worden. Weiters sei noch der wissenschaftliche Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes am 17. Mai 1989, der in der Angelegenheit interveniert habe, als Zeuge einvernommen worden. Dieser habe angegeben, den Beschwerdeführer zwar persönlich nie gekannt zu haben, dem Umstand, wonach sich dessen Onkel seit 1943 der Wehrmacht entzogen und im Verborgenen gelebt habe sei aber seiner Meinung nach für die Beurteilung der gegenständlichen Tat besondere Bedeutung beizumessen. Es sei nämlich denkbar, daß diese Handlungsweise im Zusammenhang mit der Bestreitung des Lebensunterhaltes des desertierten Onkels stehe.

Dieser Annahme - sowie der gleichlautenden Angabe des erstgenannten Universitätsprofessors - könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Diebstahl am 31. Oktober 1942 stattgefunden habe und der Onkel des Beschwerdeführers erst im April 1943 erstmals desertiert sei.

Weiters sei noch der Vorsitzende des Bundes der Opfer des politischen Freiheitskampfes in Tirol am 9. Mai 1989 als Zeuge einvernommen worden, wobei dieser - trotz eines gegenteiligen Ersuchens des erstgenannten Universitätsprofessors - angegeben habe, daß er die Ansicht, es liege ein politisches Delikt vor, nicht teilen könne. Die Mutter und die Großmutter des Beschwerdeführers seien Mitglieder seiner Organisation gewesen und hätten ihm gegenüber nie erwähnt, daß der Beschwerdeführer für den Widerstand tätig gewesen sei.

Anschließend sei dem Beschwerdeführer nochmals Parteiengehör gewährt worden. In seiner diesbezüglichen Stellungnahme vom 5. Juni 1989 habe der Beschwerdeführer - wie schon am 26. Jänner 1989 - im Widerspruch zu den Angaben bzw. Vermutungen der vorher genannten Wissenschafter ausgeführt, daß die entwendeten Gegenstände nicht zum Verkauf bestimmt gewesen seien, sondern im Widerstand hätten Verwendung finden sollen. Der gegenständliche Sachverhalt sei daraufhin - ohne daß eine gesetzliche Verpflichtung hiezu bestanden hätte - um dem Beschwerdeführer entgegenzukommen unter Versendung von Kopien des umfangreichen Aktenmateriales den Mitgliedern der Opferfürsorgekommission zu einer allfälligen Stellungnahme vorgelegt und von diesem Gremium eingehend beraten worden.

Zwischenzeitlich habe der erstgenannte Universitätsprofessor bei der belangten Behörde vorgesprochen und eine Vollmacht des Beschwerdeführers für das gegenständliche Verfahren vorgelegt. Seinem Ersuchen in das Protokoll der Sitzung der Opferfürsorgekommission vom 6. Juni 1989 Einblick zu gewähren, habe nicht entsprochen werden können, weil dieses Protokoll ein Beratungsprotokoll im Sinne des § 17 Abs. 3 AVG 1950 dargestellt habe.

In der Sitzung der Opferfürsorgekommission am 3. Oktober 1989 seien auch die Vertreter der Opferverbände nach Abschluß ihrer Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß keine Veranlassung bestehe, den Diebstahl vom 31. Oktober 1942 als politisch motivierte Widerstandshandlung einzuschätzen.

Auf Grund eines entsprechenden Ersuchens gab es eine Vorsprache beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, bei der der Vertreter des Beschwerdeführers bemängelte, daß die Strafakten der Verwandten des Beschwerdeführers nicht eingeholt worden seien, deren Inhalt nach seiner Ansicht für die Beurteilung des Falles wesentlich seien. Diese Aufforderung wiederholte der Vertreter des Beschwerdeführers in einer schriftlichen Eingabe, in der er weiters behauptete, daß das Urteil vom 17. Februar 1943 unter das Einstellungsgesetz falle.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides setzt sich die belangte Behörde dann mit diesem für das gegenständliche Verfahren aus verschiedenen Gründen nicht wesentlichen Vorbringen hinsichtlich des Einstellungsgesetzes auseinander.

Weiters führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, es sei eine "Stellungnahme des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes" eingelangt, die eine Reihe von aktenwidrigen, mit den eigenen Angaben des Beschwerdeführers aber auch in sich widersprüchliche Darstellungen sowie unsachliche Angriffe gegen Vertreter der belangten Behörde und der Opferfürsorgekommission enthalten habe.

Die auf Wunsch des Vertreters des Beschwerdeführers angeforderten Strafakten betreffend die Familienangehörigen des Beschwerdeführers hätten keinen Hinweis auf eine politische Motivation für den Einbruchsdiebstahl vom 31. Oktober 1942 ergeben. Es sei vielmehr zu Tage gekommen, daß der Beschwerdeführer bereits im Jahr 1940 als damals noch unmündiger Minderjähriger an Einbruchsdiebstählen beteiligt gewesen sei, für die jeglicher politischer Bezug fehle. Einmal habe er auf Anstiftung seines Onkels (Ernst F.) an einem Kassendiebstahl mitgewirkt.

Weiters habe der Beschwerdeführer einem weiteren Mitglied einer insgesamt vierköpfigen Jugenddiebsbande geholfen, die Spuren des Diebstahles einer wertvollen Briefmarkensammlung zu verwischen, indem er mit Hilfe eines Nachschlüssels nochmals am Tatort eingestiegen sei. Der Beschwerdeführer sei damals mangels Strafmündigkeit nicht verurteilt worden.

Wenn der Beschwerdeführer und sein Vertreter daher von einem "bestimmenden Einfluß" des Onkels auf den Beschwerdeführer gesprochen habe, so müsse dem entgegengehalten werden, daß vom Onkel des Beschwerdeführers auf diesen wohl kriminelle Anstöße ausgegangen seien; für einen politischen Einfluß seien hingegen keine Anhaltspunkte vorgelegen. Zu der ebenfalls vertretenen These, der Onkel habe den Gesellschaftsdiebstahl vom 31. Oktober 1942 bewirkt, sei weiters festzustellen, daß aus den Gerichtsakten hervor gegangen sei, daß der Onkel erst im Oktober 1942 nach Lienz in Osttirol eingerückt sei, wo er sich bis April 1943 ohne Heimaturlaub befunden habe. Mit dem Diebstahl vom 31. Juli 1940 sei der erste Kontakt des Beschwerdeführers mit den Strafgerichten verbunden gewesen. Sein strafrechtlich relevanter Werdegang habe jedoch nicht mit dem Einbruchsdiebstahl vom 31. Oktober 1942 geendet, sondern sich bruchlos in der zweiten Republik fortgesetzt. Wie aus den angeforderten Strafakten nämlich weiters hervorgegangen sei, habe das im Verfahren wiederholt angesprochene TBC-Leiden den Beschwerdeführer nicht daran gehindert, auch nach der Befreiung Österreichs eine ganze Serie von Einbruchsdiebstählen zu begehen.

Im Folgenden werden die Straftaten des Beschwerdeführers (über zehn Einbruchsdiebstähle, Erpressung udgl.) mit Urteilsangaben dargestellt.

Weiters sei zu Tage gekommen, daß gegen den Beschwerdeführer in dieser Zeit auch ein Verfahren nach den NS-Verbotsgesetz durchgeführt worden sei, das nach einem tätlichen Angriff auf einen Innsbrucker Polizisten am 6. November 1946 gegen den Beschwerdeführer und einige weitere ehemalige HJ-Mitglieder und ein ehemaliges NSDAP- und SA-Mitglied eingeleitet worden sei.

In Anbetracht dieser hervorgekommenen Taten hätten sich die Angaben und Behauptungen sowohl des Beschwerdeführers als auch die Darstellungen in dem "kriminologisch-zeitgeschichtlichen Gutachten" entweder als schlichte Unwahrheiten (der Beschwerdeführer habe "nie von Privaten gestohlen" und sei "niemals in seinem Leben nach 1945 aus Eigentumsgründen straffällig geworden") oder als Behauptungen erwiesen, die einem Wunschdenken entsprungen seien ("gutachtliche Zusammenfassung" Punkte 1, 4, 8, 9) bzw. als Schlußfolgerungen, die im Lichte der übrigen hervorgekommenen Fakten nicht relevant oder nicht glaubhaft seien ("gutachtliche Zusammenfassung" Punkte 2, 3, 5, 7, 10).

Nicht als wahr habe sich auch die Angabe erwiesen, der Beschwerdeführer habe wegen der "Verfolgung" seiner Mutter nach 1945 keine Opferfürsorge-Ansprüche angemeldet. Wahr sei vielmehr, daß der Beschwerdeführer mit seinen damaligen Vorstrafen und einem laufenden Verfahren nach dem NS-Verbotsgesetz überhaupt keine Chance auf Anerkennung im Sinne des OFG gehabt hätte. Den wiederholten Hinweisen auf verwandtschaftliche Beziehungen des Beschwerdeführers zu hervorragenden Tiroler Kommunisten müsse entgegengehalten werden, daß nicht bekannt sei, daß sich der Beschwerdeführer diesbezüglich familienkonform entwickelt hätte. Es sei vielmehr bekannt, daß er im Unterschied zu den übrigen überlebenden Verwandten nicht der KPÖ und auch keiner Opferorganisation angehöre, daß er vielmehr im Unterschied zu dem vernommenen Mittäter Mitglied der HJ gewesen sei und - wie aus dem NS-Verbotsverfahren hervorgegangen sei - seinen freiwillig gewählten politischen Umgang in NS-Kreisen gehabt habe. Selbst zur SPÖ sei er nach seinen eigenen Angaben nur durch seinen Arbeitgeber geworben worden. Es sei unter diesen Umständen geradezu absurd, wenn der Beschwerdeführer und sein Vertreter eine "politisch führende" Rolle des damals 15-einhalbjährigen, von der noch dazu er allein gewußt haben sollte, gegenüber seinen älteren Mittätern glaubhaft machen wolle.

Der Parteienvertreter habe am 31. Oktober 1990 Einsicht in die eingeholten Akten genommen und dabei eine klinische Bestätigung des Landes-Nervenkrankenhauses Hall vom 4. September 1989, die bereits wiederholt beigebracht worden sei, sowie einen Befund der Landes-Heil- und Pflege-Anstalt vom Jahre 1949 vorgelegt und beantragt, den Grad der damaligen Schädigung des Beschwerdeführers zu erheben, weil er nunmehr der Ansicht sei, daß der Beschwerdeführer bei der Begehung seiner Straftaten unzurechnungsfähig gewesen sei.

Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers sei in dem 1951 gegen ihn abgeschlossenen Strafverfahren untersucht worden. Eine Unzurechnungsfähigkeit sei jedoch nicht festgestellt worden. Es lägen somit rechtskräftige Urteile vor, die auf der Grundlage der Zurechnungsfähigkeit erlassen worden seien und über die sich die belangte Behörde nicht hinwegsetzen könne. Im übrigen sei auch bei Wegfall der Verurteilungen nach 1945 keine politische Motivierung des Deliktes aus 1942 bewiesen.

Bei einer weiteren am 15. November 1990 unter Hinweis auf die §§ 15, 108 und 146 StGB durchgeführten Einvernahmen des Beschwerdeführers habe dieser angegeben, er könne sich weder an das Urteil aus dem Jahre 1946 noch an das aus dem Jahre 1951 erinnern. Auch an das Verfahren im Jahre 1940 könne er sich "nur flau, aber in Wirklichkeit überhaupt nicht" erinnern. Auch an sein Verfahren nach dem NS-Verbotsgesetz könne er sich nicht erinnern, es müsse sich dabei um eine Denunziation gehandelt haben. Dagegen habe er verhältnismäßig detaillierte Darstellungen über den Diebstahl am 31. Oktober 1942 gegeben, obwohl er sich dabei ebenfalls an keine Namen von Widerstandskämpfern habe erinnern können und auch nichts genaueres über die angeblich geplante Verwendung der entwendeten Gegenstände habe angeben können. Die Mitnahme des Volksempfängers zu sich nach Hause habe er - nunmehr im Widerspruch zu seiner Eingabe vom 26. Jänner 1989 in Anlehnung an eine These seines Vertreters - nun damit begründet, daß ihn dort ein Spezialist hätte abholen sollen, der ihn in ein "weiterreichendes Gerät" hätte umwandeln sollen. Zu den eklatanten Widersprüchen befragt habe der Beschwerdeführer angegeben, daß er das Verfahren 1942/43 so verhältnismäßig gut kenne, weil ihm das Urteil zur Verfügung gestanden sei; damit habe der Beschwerdeführer seine Angaben bezüglich einer politischen Motivation des Deliktes im Oktober 1942 ad absurdum geführt.

Die Antworten zu den angeblichen Erinnerungslücken, insbesondere zu jenen, die sich auf die Delikte 1940 und 1946 bis 1951 bezogen hätten, habe der Beschwerdeführer nicht mit einer Spur von Betroffenheit abgegeben, wie dies von jemandem erwartet würde, dem ganze Jahre seiner Erinnerung fehlten, sondern im Tonfall kurz angebundener und sarkastischer Distanziertheit, die üblicherweise dann verwendet werde, wenn die Unwahrheit der Angabe bewußt sei. Am Schluß habe der Beschwerdeführer zuerst die Unterfertigung der Niederschrift verweigert, wobei er als Begründung angegeben habe, daß er "hier in keine kriminelle Sache" kommen wolle. Anschließend habe er es sich jedoch überlegt, die Niederschrift unterfertigt und gleichzeitig auf die Akteneinsicht verzichtet.

In der Folge setzt sich die belangte Behörde noch mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinander, die sonstigen Strafverfahren des Beschwerdeführers dürften "nach dem geltenden Straftilgungsrecht und nach dem Datenschutzgesetz weder vorgelegt noch argumentativ ausgewertet werden".

Unter Hinweis auf die Rechtslage und die Rechtsprechung sowie darauf, daß diese Strafakte auf eigenem Antrag des Beschwerdeführers eingeholt worden seien, zeigt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides letztlich noch die unterschiedlichen Bewertungskriterien, insbesondere des Parteienvertreters, auf und stellt dann abschließend zusammenfassend fest, daß auf Grund des Ermittlungsverfahrens nicht angenommen werden könne, daß das Delikt des Beschwerdeführers vom 31. Oktober 1942 etwas anderes als lediglich ein Glied einer langen Kette gleichartiger, rein krimineller Verbrechen gewesen sei, und nichts vorliege, was einem Nachweis gemäß § 3 Abs. 1 OFG auch nur nahekomme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Dreiersenat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 4. Juli 1947, BGBl. Nr. 183 über die Fürsorge für die Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich und die Opfer politischer Verfolgung (Opferfürsorgegesetz-OFG) sind als Opfer der politischen Verfolgung im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen anzusehen, die in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9. Mai 1945 aus politischen Gründen oder aus Gründen der Abstammung, Religion oder Nationalität durch Maßnahmen eines Gerichtes, einer Verwaltungs-(im besonderen einer Staatspolizei-)Behörde oder durch Eingriffe der NSDAP einschließlich ihrer Gliederungen in erheblichem Ausmaße zu Schaden gekommen sind. Als solche Schädigungen in erheblichem Ausmaße sind nach lit. b der genannten Bestimmung der Verlust der Freiheit durch mindestens drei Monate anzusehen.

Nach § 3 Abs. 1 OFG hat der Antragsteller die Voraussetzungen nach § 1 nachzuweisen. Auf das Verfahren finden nach § 16 Abs. 1 OFG - soweit nichts anderes bestimmt ist - die Vorschriften des AVG 1950 Anwendung.

Ausgehend von dieser Rechtslage und dem Vorbringen des Beschwerdeführers wäre es Aufgabe des Beschwerdeführers in dem vom AVG 1950 bestimmten Verfahren gewesen, die Voraussetzungen dafür nachzuweisen, daß seine am 31. Oktober 1942 gesetzte Tat, die zu seiner am 17. Feber 1943 erfolgten Verurteilung geführt hat, politisch begründet gewesen ist.

Die belangte Behörde hat nach einem umfangreichen Verfahren (- vgl. die vorher wiedergegebene, etwas zusammengefaßte Begründung des angefochtenen Bescheides -) den entscheidungsrelevanten Sachverhalt erhoben, dem Beschwerdeführer bzw. seinem im Verfahren bestellten Vertreter Gelegenheit zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs gegeben, von der auch mehrfach Gebrauch gemacht worden ist, und dann unter sorgfältiger Berücksichtigung des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens im Rahmen der Beweiswürdigung als erwiesen angenommen, daß die Tat des Beschwerdeführers, die dann zu seiner Verurteilung führte, nicht politisch begründet war.

Der Beschwerdeführer bringt dagegen im wesentlichen als inhaltliche Rechtswidrigkeit vor, die belangte Behörde habe zwar ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt, sich dabei aber nahezu ausschließlich darauf konzentriert, ob und welche Anhaltspunkte dafür gegeben wären, daß der Verurteilung des Beschwerdeführers vom 17. Feber 1943 durch das Sondergericht beim Landesgericht Innsbruck politische Erwägungen zugrunde gelegen wären. Hier nehme wiederum breiten Raum die Untersuchung ein, ob das Sondergericht selbst überwiegend eine politische Motivation habe erkennen lassen. Ob dieses Delikt ein "wirklich wirksames Mittel zur Erreichung des politischen Zweckes" dargestellt oder "ein Teil einer dazu geeigneten Reihe von Handlungen" gewesen sei oder ob die Straftat "innerhalb einer allgemein politischen Bewegung, bei der Parteien sich ähnlicher Kampfmittel bedienen", erfolgt sei oder nicht, sei dabei unbeachtet geblieben. Genau darum gehe es aber im gegenständlichen Verfahren. Wenn die belangte Behörde von Anfang an das Verfahren darauf abgestellt habe, zu prüfen, ob das NS-Gericht eine politische Motivation unterstellt habe, dann sei ihr von Anfang an ein Denkfehler unterlaufen.

Dieses Vorbringen ist - wie den umfangreichen Darlegungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist - unzutreffend. Die belangte Behörde ist vielmehr zweifelsfrei erkennbar und unter Verwertung der vom Beschwerdeführer angebotenen bzw. verlangten Beweise davon ausgegangen, ob für das Handeln des Beschwerdeführers am 31. Oktober 1942 politische Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 OFG gegeben waren oder nicht. Die mit der Beschwerde behauptete Rechtsauffassung der belangten Behörde, nämlich "ob das NS-Gericht eine politische Motivation unterstellte", ist dem angefochtenen Bescheid tatsächlich nicht zugrunde gelegen, weil sonst insbesondere ein Großteil des Beweisverfahrens nicht notwendig gewesen wäre, sondern die belangte Behörde lediglich vom seinerzeitigen Urteil vom 17. Februar 1943 auszugehen gehabt hätte. Die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt dem angefochtenen Bescheid - wie bereits auf Grund der mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen erkennbar war - nicht zugrunde.

Was das weitere Beschwerdevorbringen betrifft, der "Verfasser des Bescheides" sei nicht in der Lage gewesen, sich in die Zeit vor 1945 zurückzuversetzen, ist - abgesehen von anderen Überlegungen - zu erwidern, daß dies nicht Verfahrensgegenstand ist. Wenn vorgebracht wird, wieso hätte "jemand im Jahre 1943 ausgerechnet Rundfunkgeräte und Schreibmaschinen stehlen sollen, wenn nicht aus politischen Gründen" so ist dem - abgesehen, daß die in Frage stehende Tat 1942 gesetzt worden ist - entgegenzuhalten, daß sich die belangte Behörde sehr wohl mit der Frage der Motivation auseinandergesetzt hat und eine Handlung selbst dann, wenn sie objektiv - allenfalls - geeignet gewesen wäre, den militärischen Dienstbetrieb zu stören, nur dann im Sinne des § 1 Abs. 2 OFG relevant sein hätte können, wenn das Motiv für die Handlung politisch begründet gewesen wäre; dem Beschwerdeführer hätte also ein aus einer gegnerischen Einstellung zum Nationalsozialismus entsprechendes Verhalten zur Last gelegt werden müssen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1958, Slg. NF 4534/A). Bezogen auf den Beschwerdefall hätte die Handlung des Beschwerdeführers also aus einer solchen politischen Einstellung heraus motiviert sein müssen. Hiefür hat aber das durchgeführte Verfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, daß der in der Begründung des verwaltungsbehördlichen Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Allerdings kann die Beweiswürdigung nur insoweit überprüft werden, als es sich um die Feststellung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 548 ff angeführte Judikatur). Im Rahmen dieser eingeschränken Prüfungsbefugnis vermag der Verwaltungsgerichtshof die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach auf Grund des Ermittlungsverfahrens nicht angenommen werden kann, daß das "Delikt" des Beschwerdeführers vom 31. Oktober 1942 etwas anderes war, als lediglich ein Glied einer Kette gleichartiger, krimineller Verbrechen und daß nichts vorliegt, was als Nachweis gemäß § 3 Abs. 1 OFG gewertet werden kann, im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkennen.

Das weitere Beschwerdevorbringen übersieht wesentliche, vom Sachverhalt her unbestrittene Umstände, wie etwa das bereits 1940 gesetzte, nur wegen mangelnder Strafmündigkeit des Beschwerdeführers nicht zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt habende Verhalten des Beschwerdeführers. Die Annahme der belangten Behörde, daß bei der "Laufbahn" des Beschwerdeführers zwischen 1940 bis 1951 für die einschlägige Handlung im Jahre 1942 keine politische Motivation vorgelegen ist, kann auch dann nicht als unrichtig bzw. unschlüssig gewertet werden, wenn der Beschwerdeführer 1949 psychisch geschädigt gewesen sein soll. Was den Antrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines Gutachtens über seine spychische Schädigung im Jahr 1949 betrifft (die Unterlassung wird als schwerer Verfahrensmangel geltend gemacht), ist - über die vorstehende Überlegung hinaus - noch darauf hinzuweisen, daß nach den diesbezüglich unbestrittenen Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in dem 1951 abgeschlossenen Strafverfahren untersucht und eine "psychopatische Artung" als verminderte Verantwortlichkeit, nicht aber eine Unzurechnungsfähigkeit festgestellt worden ist. An die Feststellung war daher die belangte Behörde gebunden.

Da bereits auf Grund des Inhaltes der Beschwerde in Verbindung mit den vorgelegten Unterlagen erkennbar war, daß die von der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 VwGG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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