VwGH 91/07/0006

VwGH91/07/00069.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der G gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. November 1990, Zl. 14.841/19-I 4/90, betreffend Antrag auf Aufhebung der Enteignung und Verlangen einer angemessenen Entschädigung (mitbeteiligte Partei: Errichtungsgesellschaft X-Kanal), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art94;
WRG 1959 §117 Abs4;
WRG 1959 §118 Abs1;
B-VG Art94;
WRG 1959 §117 Abs4;
WRG 1959 §118 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Jänner 1986 war das Vorhaben der im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Partei (mP) betreffend die Verbesserung der Wasserverhältnisse im X durch die Errichtung des X-Kanals sowie die Aktivierung und den Ausbau sonstiger Gerinne und Kanäle wasserrechtlich bewilligt worden. Dieselbe Behörde hatte mit Bescheid vom 14. April 1987 dem Detailprojekt Planungsabschnitt C die wasserrechtliche Bewilligung erteilt.

1.2. Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. März 1989 war der mP gemäß § 122 Abs. 3 WRG 1959 gestattet worden, vor Abschluß des Enteignungs- und Entschädigungsverfahrens - die mP hatte beim Landeshauptmann von Wien mit Eingabe vom 19. Jänner 1989 die Einleitung des Enteignungs- und Entschädigungsverfahrens betreffend eine ca. 881 m2 große Teilfläche des im Eigentum der nunmehrigen Beschwerdeführerin stehenden Grundstückes KG S beantragt - die für die Errichtung des mit den unter 1.1. genannten Bescheiden bewilligten Vorhabens erforderlichen Baumaßnahmen durchzuführen.

2.1. Mit Bescheid vom 5. Mai 1989 hatte der Landeshauptmann von Wien gemäß §§ 60, 65, 114 und 115 WRG 1959 zugunsten der mP aus dem im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstück KG S eine Fläche im Ausmaß von 878 m2 enteignet (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II war die mP gemäß §§ 114, 115, 117 und 118 leg. cit. verpflichtet worden, an die Beschwerdeführerin eine Geldentschädigung in der Höhe von S 127.779,-- zu leisten. Weiters war der mP unter Spruchpunkt III mit Bezugnahme auf die §§ 117 und 118 leg. cit. aufgetragen worden, die Entschädigung binnen zwei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem die Enteignung und die Bestimmung der Entschädigung in Rechtskraft erwachsen ist, der Beschwerdeführerin zu übergeben oder bei Gericht zu hinterlegen.

2.2. Mit Eingabe vom 14. Juni 1989 hatte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Entschädigung beim Bezirksgericht Floridsdorf "angefochten" (§ 117 Abs. 4 WRG 1959).

3. Mit an den Landeshauptmann von Wien gerichteter Eingabe vom 29. November 1989 hatte die Beschwerdeführerin beantragt, die mit Bescheid dieser Behörde vom 5. Mai 1989 ausgesprochene Enteignung aufzuheben und die mP zu verpflichten, der Beschwerdeführerin eine angemessene Entschädigung in der Höhe von S 11.853,-- für unterlassene Benutzung der enteigneten Fläche zu entrichten.

4.1. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 16. Jänner 1990 gemäß § 118 Abs. 1 WRG 1959 ab.

4.2. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (der belangten Behörde) mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. November 1990 gemäß § 66 AVG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde dazu unter Bezugnahme auf § 118 Abs. 1 WRG 1959 aus, schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift gehe eindeutig hervor, daß die Frist für die Leistung der Entschädigung im Zeitpunkt der Rechtskraft des Enteignungs- UND des Entschädigungsausspruches beginne. Da in der gegenständlichen Angelegenheit die Bestimmung der Entschädigung aufgrund der von der Beschwerdeführerin beantragten gerichtlichen Entscheidung außer Kraft getreten sei, bestehe für die mP keine Verpflichtung, eine Entschädigung zu leisten. Die Berufung erweise sich somit als unbegründet, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

5. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht "auf Aufhebung der Enteignung, wenn die Geldentschädigung nicht rechtzeitig geleistet ist, verletzt". Sie begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

6. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der erste und der zweite Satz des § 117 Abs. 1 WRG 1959 idF des Art. I Z. 4 der Novelle BGBl. Nr. 693/1988 und des Art. I Z. 83 der Novelle BGBl. Nr. 252/1990 lauten wie folgt:

"Über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, entscheidet, sofern dieses Bundesgesetz (§ 26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde. In der Entscheidung ist auszusprechen, ob, in welcher Form (Sach- oder Geldleistung), auf welche Art, in welcher Höhe und innerhalb welcher Frist die Leistung zu erbringen ist."

Der durch die Novelle BGBl. Nr. 693/1988 dem § 117 WRG 1959 angefügte Abs. 4 lautet in seinen ersten beiden Sätzen wie folgt:

"Gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs. 1 ist eine Berufung nicht zulässig. Die Entscheidung tritt außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt wird."

§ 118 Abs. 1 WRG 1959 lautet:

"Bei Ermittlung der Entschädigung für die Einräumung von Zwangsrechten sind die Vorschriften der §§ 4 bis 7 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, dem Sinne nach anzuwenden. Die Frist für die Leistung einer in Geld bestehenden Entschädigung oder - wenn sie in Form einer Rente zu entrichten ist - für ihre Sicherstellung darf nicht mehr als zwei Monate von dem Zeitpunkt an betragen, in dem die Enteignung und die Bestimmung der Entschädigung in Rechtskraft erwachsen sind. Vom Fälligkeitstag an sind die gesetzlichen Verzugszinsen zu entrichten. Auch kann der Enteignete, wenn die Entschädigung nicht rechtzeitig geleistet oder sichergestellt wird, bei der Wasserrechtsbehörde die Aufhebung der Enteignung und eine angemessene Entschädigung für die im Hinblick auf das Enteignungserkenntnis unterlassene Benutzung des Gegenstandes der Enteignung verlangen."

Das durch die WRG-Novelle 1988 eingeführte Konzept des Entschädigungsverfahrens besteht darin, daß zunächst die Wasserrechtsbehörde entscheidet und im Anschluß daran die Möglichkeit eröffnet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beantragen (sukzessive Gerichtszuständigkeit). Hiebei sieht § 117 Abs. 4 erster Satz WRG 1959 idF der Novelle 1988 vor, daß gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs. 1 "eine Berufung nicht zulässig" ist.

Die Beschwerde ist insoweit im Recht, als sie ausführt, daß mit diesem Ausschluß eines ordentlichen Rechtsmittels gegen den Entschädigungsbescheid dieser unanfechtbar, d.h. "formell rechtskräftig" ist, wobei die formelle Rechtskraft mit dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides an die Parteien des Entschädigungsverfahrens eintritt (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht4, Rz 453 und 455). Es trifft daher zu, daß die Entschädigungsentscheidung des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Mai 1989, die der mP am 23. Mai 1989 zugestellt wurde, ihr gegenüber mit diesem Zeitpunkt formell rechtskräftig geworden ist.

Damit ist jedoch entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung für die Beschwerdeführerin noch nichts gewonnen. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, hat nämlich die Anrufung des Gerichtes durch die Beschwerdeführerin mit deren Eingabe vom 14. Juni 1989 den Entschädigungsbescheid des Landeshauptmannes (zur Gänze) außer Kraft gesetzt. Die sukzessive Gerichtszuständigkeit setzt - um mit Rücksicht auf Art. 94 B-VG auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken zu stoßen - voraus, daß mit der Anrufung des Gerichtes der verwaltungsbehördliche Bescheid absolut vernichtet wird und das Gericht ein "völlig neues" Verfahren durchführt, für das die Entscheidung der Verwaltungsbehörde schlechthin nicht existiert (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 1971, Slg. 6537, und vom 14. Juni 1985, Slg. 10452; ferner Öhlinger in ZAS 1977, S. 225 ff). Diesem grundsätzlichen Erfordernis würde es widersprechen, wenn - im Sinne des Beschwerdevorbringens - der Entschädigungsbescheid trotz der unbestrittenen Außerkraftsetzung der Bestimmung einer Entschädigung der Höhe nach eine aus seiner formellen Rechtskraft abgeleitete Wirkung in der Richtung behielte, daß diese außer Kraft getretene Entschädigung trotz Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Vermeidung der Folgen gemäß dem letzten Satz des § 118 Abs. 1 WRG 1959 vom Enteignungswerber auf Grund des verwaltungsbehördlichen Verfahrens "rechtzeitig geleistet oder sichergestellt" werden müßte. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich somit der von Aichlreiter (Zur Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988, Anw 10/1989, S. 603) vertretenen Auffassung nicht anzuschließen, wonach zwar der Bescheidabspruch über die Entschädigungsleistung mit der Anrufung des Gerichtes außer Kraft tritt, die "im Bescheid festgesetzte Entschädigung" jedoch ungeachtet dieses Außerkrafttretens "rechtzeitig geleistet" werden müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die im Ergebnis im angefochtenen Bescheid vertretene Anschauung, wonach die Anrufung des Gerichtes den Entschädigungsbescheid zur Gänze außer Kraft gesetzt hat, weshalb auch aus dem Eintritt seiner formellen Rechtskraft keine in das gerichtliche Verfahren wirkende Folgen bestehenbleiben konnten.

Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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