VwGH 91/05/0080

VwGH91/05/008012.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der A in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. Februar 1991, Zl. R/1-V-8537/4, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde P) , zu Recht erkannt:

Normen

BauRallg;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1;
VwRallg;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. Juli 1984 hatte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde in einem Spruchteil a) ein Ansuchen der Beschwerdeführerin betreffend die Errichtung eines Zubaues in Form eines Pferdestalles abgewiesen, im Spruchteil b) dagegen die Bewilligung für die Errichtung eines Ziegenstalles unter der Voraussetzung erteilt, daß die Ziegen nicht im Freien gehalten werden. Der gegen den Spruchteil a) erhobenen Berufung hatte der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 2. Jänner 1985 keine Folge gegeben, gleichzeitig jedoch den Spruchteil b) des erstinstanzlichen Bescheides für nichtig erklärt. Der gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung gab die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 17. November 1986 Folge, sie behob den bei ihr angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß bei der am 25. August 1986 von der Aufsichtsbehörde durchgeführten Augenscheinsverhandlung die beigezogenen Amtssachverständigen u.a. festgestellt hätten, daß für eine genaue und abschließende Beurteilung des Vorhabens noch eine Reihe von Unterlagen erforderlich sei. Da der Gemeinderat es unterlassen habe, das Ermittlungsverfahren durch Feststellung dieser entscheidungswesentlichen Sachverhaltselemente zu ergänzen, habe er seinen Bescheid insofern mit Rechtswidrigkeit belastet, als dadurch die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf ein vollständiges Ermittlungsverfahren verletzt worden sei.

Mit Bescheid vom 13. April 1987 behob der Gemeinderat gemäß § 66 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Bescheid, stellte jedoch gleichzeitig fest, daß für das Ermittlungsverfahren zur Erlassung eines neuen Bescheides durch den Gemeinderat innerhalb einer Frist von drei Monaten ausdrücklich angeführte Unterlagen beizubringen seien.

Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens versagte der Gemeinderat mit Bescheid vom 25. August 1987 die Baubewilligung. Diesen Bescheid behob die NÖ Landesregierung auf Grund der Vorstellung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 3. Februar 1988 und verwies die Angelegenheit neuerlich zur Entscheidung an die Gemeinde. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, daß nach der Aufhebung der erstinstanzlichen Erledigung durch den Berufungsbescheid vom 13. April 1987 eine Zuständigkeit des Gemeinderates zur Erlassung eines zweiten Bescheides gar nicht mehr gegeben gewesen sei.

Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens versagte der Bürgermeister mit Bescheid vom 7. Juli 1989 die Baubewilligung für den Zubau eines Stallgebäudes für drei Pferde und mehrere Ziegen wegen Widerspruches zur Widmung Bauland-Wohngebiet.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wies der Gemeinderat mit Bescheid vom 7. November 1989 als unbegründet ab. Die Baubehörde zweiter Instanz vertrat insbesondere die Ansicht, daß die Errichtung eines Stallgebäudes zur Haltung von Pferden und Ziegen schon typusmäßig im Wohngebiet nicht zulässig sei, entspreche doch die Annahme, daß hier eine ortsübliche Nutzung in Form einer erweiterten Haustierhaltung bestehe, nicht den Tatsachen. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß die Räume, die derzeit als Stallung genutzt würden, als solche baubehördlich nicht bewilligt seien.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung wies die NÖ Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die Gemeindeaufsichtsbehörde in der Begründung fest, daß die Beschwerdeführerin den Zubau als Stallgebäude für private Reitpferde und für Ziegen zur Milch- und Käseversorgung für den Eigenbedarf benützen wolle. Dies widerspreche der Widmung Bauland-Wohngebiet, wie sie im Flächenwidmungsplan aus dem Jahre 1974 festgelegt worden sei. Nach der Definition des Begriffes Wohngebiet im § 13 Abs. 1 Z. 1 des damals in Geltung gestandenen

NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 seien Wohngebiete jene Bereiche, die für Wohngebäude und die dem Bedarf der Bevölkerung dienenden Nebengebäude bestimmt seien, woraus abzuleiten sei, daß auf solchen gewidmeten Grundstücken grundsätzlich neben den der Wohnnutzung dienenden Objekten auch Objekte in einer gegenüber den Hauptgebäuden untergeordneten Größe zulässig seien, wenn sie dem Bedarf der Bevölkerung dienen. Im Bauland-Wohngebiet sei nun zwar die Haltung von Haustieren zulässig, nicht aber die Haltung von Reitpferden bzw. von Ziegen zur Milch- und Käsegewinnung. Bei Stallgebäuden der vorliegenden Art könne nicht davon ausgegangen werden, daß sie dem Bedarf der Bevölkerung dienten, ihr Zweck sei die Haltung von Nutztieren und dies sei in der Regel eine im Bauland-Agrargebiet zulässige Tierhaltung. Die Haltung einer Mehrzahl von Reitpferden oder von Ziegen könne keinesfalls als Befriedigung eines Wohnbedürfnisses verstanden werden. Der Reitsport werde auch derzeit nicht von einem so großen Prozentsatz der Bevölkerung ausgeübt, daß hier von der Befriedigung eines täglichen Bedürfnisses die Rede sein könnte. Wenn auch die Eigenversorgung mit Milch und Käse von Ziegen im Sinne einer gesunden Lebensführung durchaus vorteilhaft sein könne, dürfe dies nicht zu Lasten der Anrainer gehen, zumal heutzutage im Bauland-Wohngebiet die Haltung von Tieren zur Selbstversorgung mit Milch und Käse nicht üblich sei. Die Bewilligung eines Stallgebäudes in der Form eines Zu- oder Umbaues eines bestehenden Wohnhauses im Bauland-Wohngebiet stehe daher im Widerspruch zu § 13 Abs. 1 Z. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974, weshalb durch die Versagung der Baubewilligung die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt worden sei. Auf die Frage, ob durch dieses Stallgebäude eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung verursacht worden wäre, komme es bei dieser Rechtslage nicht mehr an, weil dies nur dann eine Rolle spiele, wenn die Tierhaltung grundsätzlich zulässig sei. Auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1987, Zl. G 134 und 143/87, enthalte nichts, was geeignet wäre, den Standpunkt der Beschwerdeführerin zu stützen. Der Verfassungsgerichtshof habe in diesem Erkenntnis ausgesprochen, daß der Ausschluß von landwirtschaftlichen Betrieben aus der Widmungs- und Nutzungsart "Bauland-Wohngebiet" sachlich nicht gerechtfertigt sei. Dies habe aber nur zur Folge, daß unter bestimmten Umständen eine Großtierhaltung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes im Bauland-Wohngebiet zulässig sein könne. Dies bedeute aber nicht, daß im Bauland-Wohngebiet eine nicht landwirtschaftliche Großtierhaltung zulässig sei, wie sie die Beschwerdeführerin betreibe. Eine ortsübliche Nutzung in Form einer erweiterten Haustierhaltung liege nicht vor.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst ist davon auszugehen, daß nach dem hier maßgeblichen Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde die zu bebauenden Grundflächen im Bauland-Wohngebiet liegen. Der Inhalt dieser Nutzungsart "Bauland-Wohngebiet" richtet sich im vorliegenden Fall, wie die belangte Behörde im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes zu Recht erkannt hat - dieser Rechtsauffassung ist auch die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten -, nach der damals in Geltung gestandenen Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 (ROG), LGBl. 8000-0. Danach sind Wohngebiete für Wohngebäude und für die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude sowie für Betriebe bestimmt, welche in Wohngebäuden untergebracht werden können und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können. Zu dieser Regelung ist festzustellen, daß der Verfassungsgerichtshof die in der späteren Norm des § 16 Abs. 1 Z. 1 ROG 1976 gleichfalls übernommene Wortfolge "in Wohngebäuden untergebracht werden können und" mit Erkenntnis vom 10. Dezember 1987, G 134, 143/87-8, aufgehoben hat (mit Ablauf des 30. November 1988). Auf diesen Umstand haben sowohl die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides als auch die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, daß diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes für die Problematik des vorliegenden Beschwerdefalles Bedeutung besitzt, handelt es sich doch bei der von der Beschwerdeführerin beabsichtigten Tierhaltung um keinen landwirtschaftlichen Betrieb, und damit um keinen Betrieb im Sinne der hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte demgemäß zu prüfen, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, daß der von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Stallzubau als ein dem täglichen Bedarf der im Wohngebiet wohnenden Bevölkerung dienendes Gebäude zu beurteilen ist. Nun ist der Beschwerdeführerin zwar einzuräumen, daß der gesetzlichen Regelung ausdrücklich keine Aussage über die Haltung von Tieren im Wohngebiet zu entnehmen ist, weil die Zulässigkeit der außer Wohngebäuden sonst zulässigen Gebäude im Wohngebiet mit der genannten gesetzlichen Textierung umschrieben ist. Die damit konkret gestellte Frage, ob die Haltung von Pferden und Ziegen in einem Stallgebäude unter den vom Gesetzgeber geprägten Begriff eines Gebäudes zu subsumieren ist, welches dem täglichen Bedarf der im Wohngebiet wohnenden Bevölkerung dient, hat die belangte Behörde verneint. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Haltung einer Mehrzahl von Reitpferden und Ziegen keinesfalls als Befriedigung eines Wohnbedürfnisses im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 1 ROG 1974 zu verstehen ist, wie in der Sachverhaltsdarstellung aufgezeigt worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hält die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen der belangten Behörde für richtig, kommt es doch bei der Auslegung dieser gesetzlichen Bestimmung nicht auf den konkreten Bedarf eines einzelnen Bewohners an, sondern auf den täglichen Bedarf der im Wohngebiet wohnenden Menschen, wie durch den Ausdruck Bevölkerung hinreichend klargestellt ist. Nun räumt auch die Beschwerdeführerin ein, daß ein solcher Bedarf (der Bevölkerung) in Wohngebieten so gut wie nie festgestellt werden könne, was ihrer Meinung aber eine Auslegung des Gesetzes in einer Weise sei, die mit seinem Wortlaut nichts mehr zu tun habe. Dies trifft nicht zu, weil ja, wie schon ausgeführt worden ist, in Wohngebieten grundsätzlich eben nur Wohngebäude und solche Gebäude zulässig sind, die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienen, also hier tatsächlich der tägliche Bedarf der Bevölkerung, nicht aber ein sonstiger Bedarf entscheidend ist. Kann aber ein solcher täglicher Bedarf der Bevölkerung für ein Stallgebäude der vorliegenden Art nicht festgestellt werden, dann ist ein solches Gebäude im Wohngebiet nicht zulässig, wie die belangte Behörde sohin zutreffend festgestellt hat (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1983, Zl. 83/05/0036, betreffend die Errichtung einer Reithalle, und vom 22. Jänner 1991, Zl. 90/05/0169, betreffend eine Holzhütte für eine Hundezucht). Hiebei ist es rechtlich unerheblich, ob die Unterscheidung in Großtiere und Haustiere, wie sie von der belangten Behörde nach Meinung der Beschwerdeführerin zu Unrecht vorgenommen wurde, zutrifft oder nicht, kommt es doch nach dem Wortlaut des Gesetzes darauf nicht an. Schon auf Grund der dargelegten Überlegungen erachtet der Verwaltungsgerichtshof die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit als nicht gegeben (vgl. auch die zu ähnlichen Bestimmungen ergangenen Erkenntnisse vom 26. Jänner 1989, Zl. 88/06/0231, zu § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes, und vom 24. September 1991, Zl. 91/05/0150, zu § 16 Abs. 3 des O.ö. Raumordnungsgesetzes).

Ist aber der Auffassung der belangten Behörde zuzustimmen, daß die Errichtung des von der Beschwerdeführerin beabsichtigten Stalles als ein im Wohngebiet nicht zulässiges Gebäude zu beurteilen war, so war nicht zu prüfen, ob im Hinblick auf damit verbundene Immissionen das Bauvorhaben auch aus diesem Grunde unzulässig ist. Ermittlungen waren unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich, sodaß die in der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht gegeben sein konnte.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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