VwGH 91/03/0092

VwGH91/03/009218.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Hannes H in L, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 1. März 1991, Zl. 11 - 75 Ha 9 - 89, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs1;
VStG §51 Abs6 idF 1990/358 ;
AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs1;
VStG §51 Abs6 idF 1990/358 ;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Ausspruch über die Strafe und den Kostenersatz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - aufgehoben; im übrigen - also hinsichtlich des Schuldspruches - wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 8. Mai 1989 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO mit einer Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe sechs Tage) bestraft, weil er am 8. August 1988 von 23.00 bis 23.15 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Motorfahrrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in Liezen gelenkt habe. Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 29. Jänner 1990 Folge, behob das angeführte Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 24 VStG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz.

Mit Straferkenntnis vom 22. März 1990 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Liezen den Beschwerdeführer neuerlich derselben Verwaltungsübertretung schuldig und verhängte über ihn nunmehr eine Geldstrafe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß die beiden als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten sowohl in der Anzeige als auch anläßlich ihrer Einvernahme angegeben hätten, daß sie zur Tatzeit im Stadtgebiet von Liezen Außendienst versehen hätten. Dabei sei der Beschwerdeführer beobachtet worden, wie er sein Motorfahrrad vom Lokal "Pub Kristan" in Richtung Fuchshof gelenkt habe. Zirka fünf Minuten später sei er in der Admonterstraße zu Fuß gehend angetroffen worden, nachdem er sein Motorfahrrad in der Bachzeile abgestellt hätte. Da er somit vorher ein Kraftfahrzeug gelenkt habe, sei er kontrolliert worden. Dabei sei deutlicher Alkoholgeruch aus dem Mund sowie ein unsicherer Gang festgestellt worden. Er habe auch sofort zugegeben, mit dem Motorfahrrad gefahren zu sein und zu wissen, zuviel getrunken zu haben. Daraufhin sei er vom Meldungsleger aufgefordert worden, sich auf dem Gendarmerieposten einem Alkotest mittels Alkomat zu unterziehen. Beide Messungen hätten einen Atemluftalkoholgehalt von 0,81 mg/l ergeben. Der Beschwerdeführer habe keinem der beiden Beamten gegenüber erwähnt, daß er nach der gegenständlichen Fahrt aus einer Schnapsflasche getrunken habe. Außerdem sei weder beim Abstellplatz des Motorfahrrades noch beim Beschwerdeführer eine Schnapsflasche gesehen worden. Aufgrund dieser Aussagen nahm die belangte Behörde die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe unmittelbar nach dem Abstellen des Motorfahrrades aus einer Schnapsflasche einige Schluck getrunken, nicht als erwiesen an. Die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung sei einwandfrei erwiesen. Das verhängte Strafausmaß erscheine schuldangemessen und gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit seinem Vorbringen, "daß die Bestimmungen über die Verpflichtung zur Ablegung des Alkotestes mittels Alkomates verfassungswidrig sind und bereits aufgehoben wurden, sodaß eine Rechtsgrundlage für eine Bestrafung überhaupt nicht gegeben ist," ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. März 1991, G 274-283/90 und Folgezahlen, lediglich den zweiten Satz des Absatzes 4a sowie die Wortfolge "von 0,4 bis 0,5 mg/l" in Absatz 4b des § 5 StVO als verfassungswidrig aufgehoben hat. Ferner wurde ausgesprochen, daß die aufgehobenen Bestimmungen auch in jenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden sind, in denen vor dem 27. Februar 1991, 10.30 Uhr, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde. Die Kundmachung der Aufhebung erfolgte zu BGBl. Nr. 207/1991, ausgegeben am 25. April 1991. Da es sich beim Beschwerdefall weder um einen Anlaßfall noch um eine Rechtssache handelt, in der vor dem 27. Februar 1991, 10.30 Uhr, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde, sind die aufgehobenen Bestimmungen gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG hier weiterhin anzuwenden.

Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, daß seiner Verantwortung hinsichtlich des behaupteten Nachtrunks nicht gefolgt worden sei, bekämpft er die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diese ist jedoch nur insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Sentes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Auf dem Boden dieser Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit der Beweiswürdigung wahrzunehmen. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, den Gendarmeriebeamten gegenüber von einem Nachtrunk nichts erwähnt zu haben. Erst in einer Vernehmung als Beschuldigter am 7. Oktober 1988 brachte er die diesbezüglichen Behauptungen vor. Es stößt bei der gegebenen Sachlage auf keine Bedenken, wenn die belangte Behörde dieser durch keine Beweise untermauerten Verantwortung die Glaubwürdigkeit versagte.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bedurfte es nicht der Einholung eines Gutachtens über seinen Alkoholisierungsgrad zum Zeitpunkt des Lenkens des Fahrzeuges. Da die Atemluftuntersuchung rund eine Stunde nach dem Lenken des Fahrzeuges vorgenommen wurde und einen Atemalkoholgehalt von 0,81 mg/l ergab, bestehen keine Zweifel, daß im Zeitpunkt des Lenkens eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO vorgelegen haben muß, beträgt doch der durchschnittliche Verbrennungswert des Alkohols im Blut im Verlauf einer Stunde lediglich 0,10 bis 0,12 %o (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1988, Zl. 87/03/0282).

Wenn der Beschwerdeführer meint, daß die Aufforderung zur Alkomatuntersuchung unzulässig gewesen sei, weil er als Fußgänger betreten worden sei, so übersieht er, daß er im Hinblick auf das vorausgegangene Lenken eines Fahrzeuges zur Atemluftuntersuchung aufgefordert wurde. Für die Berechtigung der im § 5 Abs. 2 StVO angeführten Organe, die Atemluft zu untersuchen, reicht es hin, daß "vermutet werden kann", daß die Tatsache des Lenkens eines Fahrzeuges und die Beeinträchtigung des Zustandes des Lenkers durch Alkohol zeitlich zusammenfallen.

Der Behauptung des Beschwerdeführers, daß zwischen dem Trinkende und der Alkomatuntersuchung weniger als 15 Minuten verstrichen seien, fehlt jede Deckung in den Beweisergebnissen, sodaß darauf nicht weiter eingegangen werden kann.

Schließlich macht der Beschwerdeführer geltend, daß "Straffreiheit" gegeben sei, weil er "ohne jegliche Beanstandung von sich aus das Lenken des Fahrzeuges eingestellt hat, sodaß hier noch, bevor die Erhebungen eingeleitet waren, ein Rücktritt erfolgte." Mit diesem Vorbringen verkennt er die Rechtslage, weil ein dementsprechender Strafbefreiungstatbestand dem Gesetz fremd ist. Die Bestimmung des § 99 Abs. 5 StVO, die der Beschwerdeführer möglicherweise im Auge hat, gilt nur für den Versuch.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet.

In Ansehung des Straf- und Kostenausspruches ist der angefochtene Beschluß jedoch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Verbot der "reformatio in peius" erstreckt sich auf alle Stadien eines Strafverfahrens, greift also auch bei Erlassung eines neuen Bescheides nach Behebung des vorinstanzlichen Bescheides durch die Berufungsbehörde Platz (vgl. Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, zweiter Halbband8 218). Zufolge dieses Verbotes hätte daher keine strengere als die im erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 8. Mai 1989 verhängte Strafe ausgesprochen werden dürfen. Dem wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Rechnung getragen.

Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Ausspruch über die Strafe und dem Kostenersatz gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 im Rahmen des gestellten Begehrens. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Stempelgebührenaufwand für die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde.

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