VwGH 91/03/0014

VwGH91/03/001413.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. Oktober 1990, Zl. IIb2-V-8502/2-1990, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §20 Abs2;
VStG §19 Abs1;
VStG §19;
VStG §44a lita;
StVO 1960 §20 Abs2;
VStG §19 Abs1;
VStG §19;
VStG §44a lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 8. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 24. Oktober 1989 um 20.22 Uhr auf der Inntalautobahn A 12 im Gemeindegebiet von Langkampfen bei km 11 einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Fahrtrichtung Kufstein gelenkt und dabei die gemäß § 20 Abs. 2 StVO festgelegte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mindestens 60 km/h überschritten (Meßtoleranz von 5 km/h bzw. 5 % berücksichtigt), weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a (StVO) eine Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe acht Tage) verhängt wurde.

Die vom Beschwerdeführer gegen dieses Straferkenntnis eingebrachte Berufung wurde mit dem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. Oktober 1990 mit einer für das vorliegende Beschwerdeverfahren nicht relevanten Ergänzung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde zum Berufungsvorbringen ausgeführt, es stehe auf Grund des Akteninhaltes fest, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit am Tatort mit dem in Rede stehenden Pkw unterwegs gewesen sei. Weiters stehe fest und werde auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten, daß er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h wesentlich überschritten habe. Der Lenker des Zivilstreifenfahrzeuges habe mit seinem Beifahrer gemeinsam durch Nachfahren in gleichbleibendem Abstand festgestellt, daß die geeichte Traffipaxanlage eine Geschwindigkeit von 200 km/h angezeigt habe. Zu Gunsten des Beschwerdeführers sei eine Meßtoleranz von 10 km/h berücksichtigt worden. Daß der Beschwerdeführer seine Geschwindigkeit nach Ansichtigwerden des Zivilstreifenfahrzeuges entsprechend herabgesetzt habe und deshalb die Geschwindigkeit geringer als 200 km/h gewesen sein müsse, entlaste den Beschwerdeführer nicht, wenn die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren in gleichbleibendem Abstand erfolgt sei. Zur Strafbemessung wurde ausgeführt, daß die Nichteinhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten immer wieder die Ursache schwerer Verkehrsunfälle sei, sodaß durch das Verhalten des Beschwerdeführers die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werde; aus diesem Grunde sei der Unrechtsgehalt einer derartigen Übertretung beträchtlich. Beim Verschulden sei zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen. Die Tatsache, daß bei der gegenständlichen Übertretung keine Gefährdung anderer Straßenbenützer gegeben gewesen sei, stelle keinen Milderungsgrund dar; vielmehr wäre das Vorhandensein einer solchen ein Erschwerungsgrund. Mildernd sei bei der Bemessung der Strafe das Geständnis des Beschwerdeführers, erschwerend hingegen das gravierende Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung gewertet worden. Es entspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß der Lärmpegel auch des vom Beschwerdeführer verwendeten Pkws bei 130 km/h sicherlich ein anderer als bei 190 km/h sei, weil nach den Gesetzen der Physik bei zunehmender Geschwindigkeit auch der Lärm zunehme. Da der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz im Ausland habe - er ist deutscher Staatsangehöriger -, werde bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein ein Verwaltungsstrafvormerk für ihn nicht geführt. Der Beschwerdeführer verdiene nach eigenen Angaben als Gastwirt monatlich ca. DM 2.000, sei für eine Ehefrau sorgepflichtig und leiste an Mietenzahlungen monatlich DM 800. In Anbetracht des für derartige Übertretungen vorgesehenen Strafrahmens von bis zu S 10.000 sowie des hohen Unrechtsgehaltes der Tat könne eine Herabsetzung der Strafe nicht erfolgen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 20 Abs. 2 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt (§ 43 Abs. 1) oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt (§ 43 Abs. 4), im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

Zum Tatbild einer Verwaltungsübertretung nach dieser Gesetzesstelle gehört somit lediglich der Umstand der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ohne Rücksicht auf das Ausmaß einer Überschreitung (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1990, Zl. 89/03/0235, sowie die darin angeführte weitere Vorjudikatur). Wenn der Beschwerdeführer ausführt, er habe nur eine Geschwindigkeit von 180 km/h und nicht - wie die belangte Behörde annahm - 190 km/h eingehalten, und in diesem Zusammenhange weitere Ermittlungen insbesondere darüber, über welche Strecke hindurch die Gendarmeriebeamten in gleichbleibendem Abstand hinter seinem Fahrzeug nachgefahren seien, für erforderlich erachtet, geht er demnach am Tatbild einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO vorbei.

Aber auch das Vorbringen gegen die Strafbemessung vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Ermessensentscheidung dar. Gemäß Art. 132 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG 1950, der gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfung des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1980, Slg. Nr. 10.077/A).

Die belangte Behörde nahm bei der Strafbemessung auf alle im § 19 VStG 1950 angeführten Kriterien Bedacht. Sie verwies vor allem auf den schweren Unrechtsgehalt der gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitung. Daß bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 190 km/h - wie von der belangten Behörde angenommen - aber auch einer solchen von 180 km/h - wie vom Beschwerdeführer zugegeben -, also einer Überschreitung der derzeit überhaupt in Österreich zulässigen Höchstgeschwindigkeit in einem derartigen Ausmaß die Verkehrssicherheit ganz erheblich reduziert wird, und zwar auch unter Annahme der vom Beschwerdeführer genannten Umstände, bedarf keiner näheren Erörterung und ist jedem Laien einsichtig. Geschwindigkeitsüberschreitungen stellen, wie die belangte Behörde zutreffend darlegte, immer wieder die Ursache schwerer Verkehrsunfälle dar. Im vorliegenden Fall kann zudem auch die Tatzeit (24. Oktober um 20.22 Uhr) nicht außer Betracht bleiben, weshalb selbst unter Bedachtnahme darauf, daß sich im Vorfallszeitpunkt im unmittelbaren Nahbereich des Fahrzeuges des Beschwerdeführers keine weiteren Straßenbenützer befanden und die Übertretung im übrigen auch keine Folgen nach sich zog, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht von einem verhältnismäßig geringfügigen Unrechtsgehalt der Tat ausgegangen werden kann. Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie das gravierende Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung als erschwerend wertete. Daß eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung eine erhöhte Umweltbelastung mit sich bringt, wie dies vorliegend von der belangten Behörde durch Lärm angenommen wurde, was im übrigen eine nachteilige Folge im Sinne des § 19 Abs. 1 VStG darstellt, ist ebenfalls nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 1989, Zl. 89/03/0278, und die weitere darin angeführte Vorjudikatur). Der Eintritt eines Schadens stellt im übrigen kein Tatbestandsmerkmal der Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO dar, weshalb darin, daß trotz Vollendung der Tat kein Schaden herbeigeführt wurde, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch kein Milderungsgrund erblickt werden kann.

Richtig ist, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides als Milderungsgrund ausdrücklich nur das Geständnis des Beschwerdeführers anführte. Wenngleich daraus allein nicht zwingend geschlossen werden kann, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht für unbescholten gehalten hätte, zumal sich aus dem von ihr angeführten Hinweis, daß bei der Erstinstanz in Hinsicht auf den Wohnsitz des Beschwerdeführers im Ausland ein Verwaltungsstrafvormerk für ihn nicht geführt wird, Gegenteiliges nicht ergibt. Selbst wenn aber darin ein Mangel erblickt wird, ist dieser nicht wesentlich, weil die verhängte Strafe in Hinsicht auf das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung zur angeführten Tatzeit selbst bei Vorliegen der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig erkannt werden kann und auch Gründe der Spezialprävention gegen eine Herabsetzung der Strafe sprechen (vgl. auch dazu das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 1989, Zl. 89/03/0278). Aus dem vom Beschwerdeführer in der Beschwerde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/02/0086, ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, weil diesem Erkenntnis ein mit dem vorliegenden nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde liegt. Abgesehen von den zur vorliegenden Tatzeit erfahrungsgemäß gegebenen Sichtverhältnissen (damals 12.9.1985 gegen 10.42 Uhr, also an einem Vormittag Mitte September und nicht - wie im Beschwerdefall - am Abend Ende Oktober) und der unterschiedlichen zulässigen und gefahrenen Geschwindigkeiten, weshalb die jeweiligen prozentmäßigen Überschreitungen der Geschwindigkeit nicht schlechthin - wie es der Beschwerdeführer macht - zueinander in Relation gesetzt werden können, war die damals verhängte Strafe höher und ging die belangte Behörde von einem geringen Einkommen des Beschwerdeführers (S 10.000 monatlich) aus. Für den vorliegenden Fall sind vielmehr die Erwägungen, wie sie der Verwaltungsgerichtshof schon in dem zitierten Erkenntnis vom 15. November 1989, Zl. 89/03/0278, angestellt hat, maßgebend (vgl. dazu ferner die hg. Erkenntnisse vom 27. September 1989, Zl. 89/03/0236, und vom 18. Oktober 1989, Zl. 88/03/0123).

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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