VwGH 91/01/0111

VwGH91/01/011118.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Ing. NN in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. Mai 1991, Zl. VIII/3-6561-91, betreffend Übertretung des Niederösterreichischen Spielautomatengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §66 Abs4;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 6. Dezember 1989 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er hätte in der Zeit vom 23. JUNI 1989 BIS

1. NOVEMBER 1989 in der Videothek O in G, insgesamt sechs (in der Strafverfügung näher bezeichnete) Verstöße gegen verschiedene Bestimmungen des Niederösterreichischen Spielautomatengesetzes begangen. Hiefür wurden über ihn Geldstrafen von viermal S 3.000,-- und zweimal S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von viermal 3 und zweimal 2 Tagen; vgl. Blatt 5 bis 7 der Verwaltungsakten) verhängt.

Auf Grund des Einspruches des Beschwerdeführers erging nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens das Straferkenntnis der genannten erstinstanzlichen Behörde vom 16. Jänner 1991, das ebenfalls von der Tatzeit 23. JUNI 1989 BIS

1. NOVEMBER 1989 ausging und den Beschwerdeführer in gleicher Weise bestrafte, wie in der ursprünglichen Strafverfügung, obgleich der Beschwerdeführer schon in seiner Stellungnahme vom 27. November 1990 (vgl. Blatt 48 verso der Verwaltungsakten) unter anderem geltend gemacht hatte, die ihm zur Last gelegten Umstände seien erst anläßlich eines Augenscheins durch zwei Gendarmeriebeamte am 23. NOVEMBER 1989 festgestellt worden. Hinsichtlich des Zeitraumes 23. Juni 1989 bis 1. November 1989 sei ein strafbares Verhalten nicht bewiesen, hinsichtlich des Tatzeitpunktes 23. November 1989 bereits Verjährung eingetreten.

In der gegen das Straferkenntnis erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer unter anderem dieses Vorbringen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Spruch des Straferkenntnisses dahin ab, daß als Tatzeit der

23. NOVEMBER 1989 angenommen und das Strafmaß auf S 8.000,-- herabgesetzt, eine Ersatzarreststrafe von 8 Tagen festgesetzt und die Kosten des Strafverfahrens mit S 800,- bestimmt wurden.

In der Begründung führte die belangte Behörde dazu (unter Berufung auf Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3 Seite 725 und dort zitierte hg. Judikatur) aus, sie sei verpflichtet gewesen, den Bescheidspruch der ersten Instanz richtigzustellen, weil nicht alle Tatbestandsmerkmale hinreichend konkretisiert gewesen seien. Auch die Berichtigung des Tattages im Spruch sei zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht darauf, nicht bezogen auf den Tatzeitpunkt 23. November 1989 bestraft zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Abs. 4 des § 66 AVG besagt, daß die Berufungsbehörde soferne die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache zu entscheiden hat. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Sache des Berufungsverfahrens ist nach ständiger Judikatur nur die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bildet. Wechselt die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde angenommene Tat aus, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch und liegt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor (vgl. dazu z.B. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 unter ENr. 2 und 3 zu § 51 VStG referierte hg. Judikatur). Dies hat insbesondere auch für die von der Erstbehörde spruchmäßig bezeichnete Tatzeit zu gelten (vgl. dazu insbesondere die bei Hauer-Leukauf aaO. unter ENr. 5 und 13a zu § 51 VStG referierte hg. Judikatur).

Indem nun die belangte Behörde im vorliegenden Fall anstatt des vom angefochtenen Bescheid spruchmäßig fixierten Tatzeitraumes 23. Juni 1989 bis 1. November 1989 den 23. November 1989 als Tatzeit herangezogen hat, hat sie keineswegs nur eine zulässige Konkretisierung des erstinstanzlichen Spruches vorgenommen (allein darauf beziehen sich die vom angefochtenen Bescheid unzutreffend herangezogene Literaturstelle bei Hauer-Leukauf aaO. in der 3. Auflage und die dort zitierten hg. Erkenntnisse), sondern vielmehr in unzulässiger Weise die Sache des Berufungsverfahrens ausgewechselt und allein schon deshalb ihren Spruch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben und brauchte daher auf die übrigen Beschwerdeargumente nicht weiter eingegangen zu werden. Es sei jedoch bemerkt, daß der belangten Behörde auch insoweit eine inhaltliche Rechtswidrigkeit unterlaufen ist, als sie in Abänderung des Strafausmaßes die Strafe pauschal mit S 8.000,-- festsetzte ohne sie im einzelnen den insgesamt sechs Übertretungstatbeständen konkret zuzuordnen und die dabei jeweils angewandten Gesetzesbestimmungen zu nennen (§ 44a Z. 3 VStG).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für eine überflüssigerweise vorgelegte weitere Ausfertigung des angefochtenen Bescheides.

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